2010-02-08 13:51:38

Schoeps: „Zentralrat braucht neues Selbstverständnis“


RealAudioMP3 Die Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, verzichtet auf eine weitere Amtszeit. Das hat die 77-Jährige am vergangenen Sonntag bei einer Sitzung ihres Gremiums in Frankfurt bekannt gegeben – nachdem zuvor zahlreiche Spekulationen über einen möglichen Verzicht durch die Medien gegeistert waren. Als möglicher Nachfolger für die Neuwahl im Herbst gilt Vizepräsident Dieter Graumann. Er wäre der erste Spitzenrepräsentant des Zentralrats, der den Holocaust nicht mehr selbst miterlebt hat. Die „Zeit der Nachgeborenen“ ist gekommen, findet der Direktor des Moses Mendelssohn Zentrums für europäisch-jüdische Studien in Potsdam, Julius Schoeps. Gegenüber Radio Vatikan erläutert er:

 
„Mit der ‚Zeit der Nachgeborenen‛ ist gemeint, dass nun eine Führungsgeneration kommt, die nach 1945 geboren ist. Im Falle von Frau Knobloch hatten wir eine der letzten Überlebenden im Amt der Präsidentin. Und nun deutet sich ein Politikwechsel an.“

 
Dieser Politikwechsel fordere den Zentralrat in besonderer Weise heraus, meint Schoeps:

 
„Es gibt eine ganze Reihe von Problemen, die sich stellen werden. Ich bin mir nicht so ganz sicher, ob sich die Nachgeborenen noch als moralische Instanz zu Wort melden können, wie Charlotte Knobloch es noch konnte. Die jüdische Gemeinschaft in Deutschland muss sich über ihre Identität klar werden: Wer sind wir? Was ist unsere Rolle in der Bundesrepublik? Wo können wir uns zu Wort melden und wo sollten wir lieber schweigen?“

 
Moral und Ethik blieben entscheidende Fragen in der deutschen Gesellschaft. Doch ob sich hier künftig jüdische Stimmen gesondert zu Wort melden, bezweifelt Direktor Schoeps. So sieht er die Zukunft des Zentralrats:

 
„Ob der Zentralrat es zu Wege bringt, alle Juden in Deutschland zu vertreten, wird sich zeigen. Ganz leicht ist diese Aufgabe nicht, denn wir erleben auch in Deutschland zurzeit eine Fragmentierung der jüdischen Gemeinschaft in Liberale, Reformer, Orthodoxe und Konservative. Das ist wie bei allen Religionsgemeinschaften. Und es wird immer schwieriger, eine Dachorganisation zu haben, die all das abdeckt.“

 
(rv 08.02.2010 vp)
 







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