Die Bischöfe sind an einer lückenlosen Aufklärung der kirchlichen Missbrauchs-Skandale
interessiert. Das hat der Sekretär der Bischofskonferenz, Pater Hans Langendörfer,
am Samstag vor Journalisten in Bonn bekräftigt. Grundsätzlich hätten die Bischöfe
mit den 2002 verabschiedeten Leitlinien ein „gutes System“ geschaffen, um Fälle von
sexuellem Missbrauch aufzuklären, glaubt Langendörfer. Die Vorschriften sehen in den
Diözesen unter anderem den Einsatz von Ansprechpartnern vor, an die sich Betroffene
wenden können. Allerdings müsse nun geklärt werden, ob die Umsetzung überall optimal
erfolgt sei, so der Jesuit: „Über Verbesserungen können wir reden. Es wäre ja ein
ganz furchtbarer Selbstwiderspruch, wenn wir unser Anliegen, Transparenz zu schaffen,
Öffentlichkeit herzustellen, selber verunmöglichen.“ In einem ebenfalls am Samstag
veröffentlichten Gespräch mit Spiegel online betonte Langendörfer das Anliegen der
Bischöfe, Fälle von Missbrauch nicht nur kirchenrechtlich zu ahnden. „Wir legen grossen
Wert darauf, dass bei der Aufklärung die Staatsanwaltschaft ihren Pflichten nachkommen
kann.“ Sexueller Missbrauch Minderjähriger sei sowohl nach kirchlichem als auch nach
staatlichem Recht eine Straftat. Die Leitlinien ermöglichten in diesem Zusammenhang
„ein einheitliches, konsequentes und transparentes Vorgehen“. Langendörfer:
„Dunkle Seite der Kirche“ Über die bislang bekannt gewordenen Fälle zeigt sich
der Jesuiten-Pater erschüttert. „Ich erlebe in diesen Tagen eine Seite der Kirche,
aber auch meines Ordens, die richtig dunkel ist und die mich erschreckt“, sagte Langendörfer.
Ihn bewege besonders „das unglaubliche Unglück, das Geistliche in das Leben von jungen
Leuten gebracht haben“. Zugleich dementierte Langendörfer unter Hinweis auf wissenschaftliche
Studien die Vermutung, dass die Ehelosigkeit der Priester eine Ursache von Kindesmissbrauch
sei. Nach Langendörfers Worten rechnen die deutschen Bischöfe damit, dass demnächst
noch weitere Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche bekannt werden. „Es wäre
etwas wirklichkeitsfremd zu behaupten, alles was jetzt bekannt geworden ist, ist es
gewesen“, so der Sekretär der Bischofskonferenz. Er bezog sich dabei auf Recherchen
des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“. Demnach wurden in den vergangenen 15 Jahren
in 24 Bistümern 94 Kleriker und Laienmitarbeiter des Missbrauchs beschuldigt. Wie
viele dieser Fälle sich auf Ereignisse vor 1995 beziehen, berichtet der Spiegel nicht.
Zahlreiche Taten sind jedoch den Angaben zufolge verjährt. 30 Personen seien strafrechtlich
verurteilt worden; gegenwärtig stünden 10 Kirchenmitarbeiter unter Missbrauchsverdacht.
Von den 27 angefragten Bistümern antworteten laut Spiegel 24 - die Diözesen Limburg,
Regensburg und Dresden-Meissen gaben keine Auskunft. Experte: Missbrauchszahlen
bei Priestern unterdurchschnittlich Die vom „Spiegel“ veröffentlichten Zahlen
über kirchliche Missbrauchsfälle zeigen nach Ansicht des Kriminalpsychiaters Hans-Ludwig
Kröber, dass sexueller Missbrauch bei Mitarbeitern der katholischen Kirche sehr viel
seltener vorkommt als bei anderen erwachsenen Männern. Der Presseagentur Kipa sagte
Kröber am Samstag, die Zahlen legten nahe, dass die Geisteshaltung, in der Priester
lebten, sie weitgehend davor schütze, Täter zu werden. Kröber arbeitet als Professor
für forensische Psychiatrie an der Berliner Charite und ist Mitherausgeber des Standardwerks
„Handbuch der Forensischen Psychiatrie“. Nichtzölibatär lebende Männer werden laut
Kröber mit einer 36 mal höheren Wahrscheinlichkeit zu Missbrauchstätern als katholische
Priester. Insgesamt habe es seit 1995 in Deutschland rund 210.000 polizeilich erfasste
Fälle von Kindesmissbrauch gegeben. Es bestehe die Gefahr, dass die katholische Kirche
in Deutschland ähnlich wie vor einigen Jahren in den USA in einen „Selbstgeisselungs-Furor“
gerate und aus Angst vor neuem Unrecht an vermeintlichen Opfern alle Anschuldigungen
ungeprüft akzeptiere. Aber auch angebliche Opfer müssten hinnehmen, dass man ihre
Vorwürfe prüfe, so Kröber. (kipa 07.02.2010 sk)