„Orgel rockt!“ – Metallica und Queen im Kirchenraum
So hört sich das an,
wenn Orgel rockt! Patrick Gläser ist Kirchenmusiker in der Diözese Rottenburg-Stuttgart,
junger Familienvater und hat das gleichnamige Projekt aus der Senke gehoben. Ganz
Öhringen, in der Hohenloher Ebene gelegen, hat er mit Rock und Filmmusik auf der Kirchenorgel
schon im Sturm erobert – und sein Siegeszug führt weiter: Inzwischen ist das Projekt
„Orgel rockt!“ überregional bekannt. So ist der Kirchenmusiker auf die Idee gekommen:
„Der
erste Grundstein war ein Gottesdienst zum Dekanatsministrantentag, der in Öhringen
stattfand. Ich habe damals gedacht: So viele Jugendliche sind hier zusammen gekommen,
hier müssen wir etwas machen! Der Chor war zu diesem Termin verhindert und da habe
ich einen befreundeten Schlagzeuger gefragt, ob er nicht mitspielen will. Schließlich
haben wir einfach Neue Geistliche Lieder mit Orgel und Schlagzeug gespielt, was super
gut angekommen ist! Der Drive von den Trommeln und die Orgel, die ich dabei schon
richtig gerockt habe –an dieser Stelle habe ich gemerkt, dass man Rockthematiken schon
irgendwie auf der Orgel umsetzen kann, das schien zu funktionieren!“ Wenn
70 Konzertbesucher bei einem klassischen Orgelkonzert schon ein guter Schnitt sing,
kommen gleich ein paar hundert Menschen, um bei „Orgel rockt!“ dabei zu sein. Sein
Wagemut hat sich bewährt, findet Patrick Gläser:
„Eine Erfahrung habe ich
immer wieder gemacht: Wenn ich Leuten von der Idee, Rock auf der Orgel zu spielen,
erzählt habe, war sofort Faszination da! Einerseits kann sich jeder unter Orgel was
vorstellen – Kirchenorgel ist etwas, das mit „groß“ und „phantastisch“ und „faszinierend“
zusammengebracht wird. Und Rockmusik ist etwas, das so gut wie jeder aus dem Alltag
kennt. So ist mir „Orgel rockt“ immer schon alles gesagt und es ist einfach, damit
Begeisterung für die Sache zu schaffen.“ Aber Rockmusik und Kirchenraum –
wie verträgt sich das?
„Mir ist es ganz wichtig, Kirchenferne auf diese
Weise in die Kirche zu holen. Ich möchte die Menschen in die Kirche einladen! Die
Leute kommen, angezogen von der Idee, in den Kirchenraum hinein, der für sie vielleicht
fremd ist, aber irgendwo einen geschützten Raum darstellt. Und dann fängt das Konzert
an, und ich kann sie da wo sie stehen abholen, mit der Musik, die sie von zu Hause
kennen und mit der sie viele Gefühle und Erinnerungen verknüpfen. Da kann Beziehung
entstehen. Und da kann auch ein gottesdienstlicher Gedanke in den Konzerten liegen,
finde ich. Und das ist für mich die Grundintention, die hinter einer Idee steckt,
die sich andererseits erfolgreich vermarkten lässt und die für mich auch zum Broterwerb
dazu gehört.“ Und was halten eigentlich die Konzertbesucher von der rockenden
Orgel?
„Es hat mir phantastisch gefallen! Es war sehr tiefgehend und auch
emotional. Ich finde, man hat schön träumen können. Für den liturgischen Raum fand
ich es auch angemessen. Zumal wir ja auch keine Liturgie zeitgleich feiern.“ „Zeigen,
wozu die Orgel fähig ist, und ein paar Leute in die Kirche locken, das finde ich das
Gute daran.“ „Das Volumen des Instruments hat teilweise nicht
ausgereicht. Wir müssen auf eine bessere Orgel sparen!“ „Ich
finde, die Musik passt ja auch zu unserem Christus. Er ist doch in diese Welt gekommen!
Und da steht er auch zwischen Rock- und Popmusik. Keine Frage! Und den Menschen hat
es gut getan“ „Ich frage mich allerdings schon, ob wir der Popmusik
damit nicht so etwas wie einen „sakralen Touch“ verleihen. Deswegen bin ich mir nicht
sicher, ob diese Musik nicht vielleicht doch an einem anderen Platz gespielt gehört.“ Auch
Patrick Gläser betont, dass Rock auf der Orgel ein umstrittenes Thema ist. Einige
Kollegen aus dem Bereich der klassischen Orgelmusik, oder Menschen, für die die Orgel
so etwas wie ein „Heiligtum“ darstelle, verschrecke die Idee von Rock auf der Orgel.
Er selbst sieht sich als Grenzgänger:
„Noch weit vor dem ersten Konzert,
die Idee war gerade im Internet veröffentlicht, habe ich von einem bekannten deutschen
Musikwissenschaftler eine Mail bekommen, in der er mir sehr viel Mut zugesprochen
hat und gesagt hat: „Egal, auf wie viel Gegenwind Sie stoßen, machen Sie auf jeden
Fall weiter mit dieser Idee! Denn wenn sich an Orgelkonzerten nichts verändert in
die Richtung, dass man auf die Leute und deren Bedarf zugeht, dann sterben Orgelkonzerte
aus.“ Einerseits bin ich selber Bedenkenträger und weiß um die Grenzwertigkeit. Andererseits
habe ich Kommentare und Meinungen zu „Orgel rockt!“ studiert und festgestellt, dass
kontrovers diskutiert wird. Es ist nicht so, dass da eine Liga gemeinsam in ein Horn
stößt und sagt, die Idee ist nichts! Man sagt dann schon immer, das muss man sich
erstmal anhören! In dem Moment habe ich mich dann zurückgelehnt und gesagt: So ist
das! Erstmal muss ich es ausprobieren, erstmal ist das Ganze ein Experiment. Die meisten
Menschen tragen meine Bedenken aber nicht. Und das macht mich froh! Vielmehr freut
es mich aber, dass die Musik aufgeht und die Menschen berührt!“ Wer sich auf
das Abenteuer, Rockmusik auf der Königin aller Instrumente zu hören, einlässt – aufgepasst!
Es besteht akute Suchtgefahr:
„Ich fand das wirklich gut – wir haben neue
Lieder, und das muss man der Kirche auch ansehen!“ „Es ist eine
tolle Art und Weise, um Leute mit Kirche und Religion in Verbindung zu bringen, die
sonst gar nichts damit am Hut haben.“ „Auf jeden Fall würde
ich wieder zum Konzert kommen!“ (rv 04.02.2010 vp)