2010-02-05 10:23:56

„Orgel rockt!“ – Metallica und Queen im Kirchenraum


RealAudioMP3 So hört sich das an, wenn Orgel rockt! Patrick Gläser ist Kirchenmusiker in der Diözese Rottenburg-Stuttgart, junger Familienvater und hat das gleichnamige Projekt aus der Senke gehoben. Ganz Öhringen, in der Hohenloher Ebene gelegen, hat er mit Rock und Filmmusik auf der Kirchenorgel schon im Sturm erobert – und sein Siegeszug führt weiter: Inzwischen ist das Projekt „Orgel rockt!“ überregional bekannt. So ist der Kirchenmusiker auf die Idee gekommen:

„Der erste Grundstein war ein Gottesdienst zum Dekanatsministrantentag, der in Öhringen stattfand. Ich habe damals gedacht: So viele Jugendliche sind hier zusammen gekommen, hier müssen wir etwas machen! Der Chor war zu diesem Termin verhindert und da habe ich einen befreundeten Schlagzeuger gefragt, ob er nicht mitspielen will. Schließlich haben wir einfach Neue Geistliche Lieder mit Orgel und Schlagzeug gespielt, was super gut angekommen ist! Der Drive von den Trommeln und die Orgel, die ich dabei schon richtig gerockt habe –an dieser Stelle habe ich gemerkt, dass man Rockthematiken schon irgendwie auf der Orgel umsetzen kann, das schien zu funktionieren!“ 
Wenn 70 Konzertbesucher bei einem klassischen Orgelkonzert schon ein guter Schnitt sing, kommen gleich ein paar hundert Menschen, um bei „Orgel rockt!“ dabei zu sein. Sein Wagemut hat sich bewährt, findet Patrick Gläser:

„Eine Erfahrung habe ich immer wieder gemacht: Wenn ich Leuten von der Idee, Rock auf der Orgel zu spielen, erzählt habe, war sofort Faszination da! Einerseits kann sich jeder unter Orgel was vorstellen – Kirchenorgel ist etwas, das mit „groß“ und „phantastisch“ und „faszinierend“ zusammengebracht wird. Und Rockmusik ist etwas, das so gut wie jeder aus dem Alltag kennt. So ist mir „Orgel rockt“ immer schon alles gesagt und es ist einfach, damit Begeisterung für die Sache zu schaffen.“ 
Aber Rockmusik und Kirchenraum – wie verträgt sich das?

„Mir ist es ganz wichtig, Kirchenferne auf diese Weise in die Kirche zu holen. Ich möchte die Menschen in die Kirche einladen! Die Leute kommen, angezogen von der Idee, in den Kirchenraum hinein, der für sie vielleicht fremd ist, aber irgendwo einen geschützten Raum darstellt. Und dann fängt das Konzert an, und ich kann sie da wo sie stehen abholen, mit der Musik, die sie von zu Hause kennen und mit der sie viele Gefühle und Erinnerungen verknüpfen. Da kann Beziehung entstehen. Und da kann auch ein gottesdienstlicher Gedanke in den Konzerten liegen, finde ich. Und das ist für mich die Grundintention, die hinter einer Idee steckt, die sich andererseits erfolgreich vermarkten lässt und die für mich auch zum Broterwerb dazu gehört.“ 
Und was halten eigentlich die Konzertbesucher von der rockenden Orgel?

„Es hat mir phantastisch gefallen! Es war sehr tiefgehend und auch emotional. Ich finde, man hat schön träumen können. Für den liturgischen Raum fand ich es auch angemessen. Zumal wir ja auch keine Liturgie zeitgleich feiern.“
 
„Zeigen, wozu die Orgel fähig ist, und ein paar Leute in die Kirche locken, das finde ich das Gute daran.“
 
„Das Volumen des Instruments hat teilweise nicht ausgereicht. Wir müssen auf eine bessere Orgel sparen!“
 
„Ich finde, die Musik passt ja auch zu unserem Christus. Er ist doch in diese Welt gekommen! Und da steht er auch zwischen Rock- und Popmusik. Keine Frage! Und den Menschen hat es gut getan“
 
„Ich frage mich allerdings schon, ob wir der Popmusik damit nicht so etwas wie einen „sakralen Touch“ verleihen. Deswegen bin ich mir nicht sicher, ob diese Musik nicht vielleicht doch an einem anderen Platz gespielt gehört.“ 
Auch Patrick Gläser betont, dass Rock auf der Orgel ein umstrittenes Thema ist. Einige Kollegen aus dem Bereich der klassischen Orgelmusik, oder Menschen, für die die Orgel so etwas wie ein „Heiligtum“ darstelle, verschrecke die Idee von Rock auf der Orgel. Er selbst sieht sich als Grenzgänger:

„Noch weit vor dem ersten Konzert, die Idee war gerade im Internet veröffentlicht, habe ich von einem bekannten deutschen Musikwissenschaftler eine Mail bekommen, in der er mir sehr viel Mut zugesprochen hat und gesagt hat: „Egal, auf wie viel Gegenwind Sie stoßen, machen Sie auf jeden Fall weiter mit dieser Idee! Denn wenn sich an Orgelkonzerten nichts verändert in die Richtung, dass man auf die Leute und deren Bedarf zugeht, dann sterben Orgelkonzerte aus.“ Einerseits bin ich selber Bedenkenträger und weiß um die Grenzwertigkeit. Andererseits habe ich Kommentare und Meinungen zu „Orgel rockt!“ studiert und festgestellt, dass kontrovers diskutiert wird. Es ist nicht so, dass da eine Liga gemeinsam in ein Horn stößt und sagt, die Idee ist nichts! Man sagt dann schon immer, das muss man sich erstmal anhören! In dem Moment habe ich mich dann zurückgelehnt und gesagt: So ist das! Erstmal muss ich es ausprobieren, erstmal ist das Ganze ein Experiment. Die meisten Menschen tragen meine Bedenken aber nicht. Und das macht mich froh! Vielmehr freut es mich aber, dass die Musik aufgeht und die Menschen berührt!“ 
Wer sich auf das Abenteuer, Rockmusik auf der Königin aller Instrumente zu hören, einlässt – aufgepasst! Es besteht akute Suchtgefahr:

„Ich fand das wirklich gut – wir haben neue Lieder, und das muss man der Kirche auch ansehen!“
 
„Es ist eine tolle Art und Weise, um Leute mit Kirche und Religion in Verbindung zu bringen, die sonst gar nichts damit am Hut haben.“
 
„Auf jeden Fall würde ich wieder zum Konzert kommen!“ 
(rv 04.02.2010 vp)







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