2010-02-04 11:11:26

Warum „Die Unendliche Geschichte" nur in Rom geschrieben werden konnte


RealAudioMP3 Michael Ende steht für kindgerechte, kreative Literatur – und hat sich dabei von Rom inspirieren lassen. So dienten ihm etwa die barocken Statuen in Berninis Vier-Ströme-Brunnen auf der Piazza Navona oder die maniristischen Ausschmückungen an vielen römischen Palazzi als Vorlage für die Figuren seiner „Unendlichen Geschichte“. „Michael Ende in Italien“ - so lautet der Titel einer Ausstellung in der Casa die Goethe in der Via del Corso in Rom, die diesem Phänomen auf den Grund gehen möchte. Für die Dokumentation, die neben vielen Textinformationen auch persönliche Gegenstände des Autors bereithält, ist auch Wilfried Hiller nach Rom gereist: Der Komponist hat hier mit Ende über Jahre hinweg zusammengearbeitet. Dabei sind Werke wie die Kinderopern „Das Traumfresserchen“ oder „Tranquilla Trampeltreu“ entstanden. An die Zusammenarbeit mit Ende erinnert sich Hiller so:

„Als ich in Rom war - zwei Jahre war ich insgesamt hier -, waren wir entweder bei ihm draußen in Genzano di Roma oder in der Villa Massimo. Vielleicht bin ich da etwas zu sehr Peter Pan - aber ich habe – ähnlich wie Michael Ende auch – für den Jungen geschrieben, der ich geblieben bin. Die Schwierigkeit war dabei eine ganz besondere: Mein Verleger rief mich damals an und sagte, wenn du mit Ende arbeitest, dann musst du dir ein Pseudonym zulegen. Ich fragte ihn, ja warum denn? Und er sagte: Wenn du für Kinder schreibst, wirst du in der sogenannten „klassischen Musikszene“, bei den Symphonikern, Philharmonikern und so fort, nicht mehr ernst genommen. Aber im nachhinein bin ich sehr froh darüber. Inzwischen habe ich eine Reihe von Magister- und Doktorarbeiten vorliegen, die belegen, dass junge Menschen durch meine Schallplatten von damals überhaupt zur Musik gekommen sind. Und das ist die Bestätigung für mich, dass das mit dem Michael hundertprozentig richtig war.“ 
Michael Ende sei damals aus der geistigen Enge Deutschlands geflohen und habe in Italien, wo er fünfzehn Jahre lang am Gardasee, in Rom und Genzano di Roma lebte, die lang ersehnte künstlerische Toleranz und Inspiration gefunden, berichtet sein Freund. Und schließlich habe Ende dadurch auch seinen Durchbruch als Kinderbuchautor erfahren:

„Inzwischen gibt es ja eine ganze Reihe von Büchern über ihn - unter anderem eine Doktorarbeit, die sich mit der Interpunktion in der „Unendlichen Geschichte“ beschäftigt. Die wirft die Frage auf, warum im ganzen Buch nicht ein Semikolon, also ein Strichpunkt, verwendet worden ist. Und Michael Ende sagte mir dazu nur: Also weißt du, wenn sie mich angerufen hätte, wäre es sehr schnell klar gewesen. Meine Schreibmaschine (die Sie übrigens hier ausgestellt sehen) hatte ganz einfach keine solche Taste! Das fand er selbst dann sehr komisch.“ 
Die Ausstellung in der Casa di Goethe, die noch bis Mitte Februar zu sehen ist, werde seinem Freund und Weggefährten gerecht, findet der Komponist.

„Ich finde, man kann die Liebe Michael Endes zu Italien hier sehr gut verstehen lernen und bekommt ganz besondere Einblicke in sein Werk und in das, was für ihn von Italien ausging. Er hat ja hier die „Momo“ geschrieben und „Die Unendliche Geschichte“ – zwei seiner erfolgreichsten Bücher. Er selbst hat das ja immer ironisch dargestellt und gesagt, er sei wegen seines Nachnamens stets gehänselt worden. Als er auf die Welt kam, habe der Arzt schon gesagt: Das ist der Anfang vom Ende! Und als er in Stuttgart eine Klasse wiederholen musste, habe der Lehrer bei der Zeugnisausgabe gesagt: Ende gut, alles gut. So wurde er gehänselt! Und dann, so sagte er, habe er eine Frau kennengelernt, die an seinem Namen nichts komisch fand - die habe er dann geheiratet. Und schließlich sei er mit ihr nach Italien gegangen, wo die Menschen nicht wüssten, was „Ende“ bedeutet.“ 
Aber auch für ihn selbst habe Rom und ganz besonders die Arbeit mit Michel Ende ein kreatives Ventil geöffnet, beschreibt Hiller:

„Für mich war es eine wunderbare Zeit; sie hat mich richtiggehend geöffnet. Die Stücke, die ich damals mit Michael geschrieben habe, „Das Traumfresserchen“ und „Der Goggolori“, sind immer noch die erfolgreichsten deutschsprachigen Opern nach dem Zweiten Weltkrieg. Das zeigt ja, dass es harmoniert hat! Manchmal habe ich ihn einfach angerufen, weil mir zwei Textzeilen gefehlt haben – er war noch in Rom und ich schon wieder in München. Und er sagte dann aus der holen Hand heraus: Schreib so und so! Und dabei blieb es dann. Andere grübeln da über Wochen und kommen zu keinem Ergebnis. Bei uns lief das hingegen ganz unkompliziert und spontan, drum war das wirklich schön mit ihm.“ 
(rv 03.02.2010 vp)







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