Warum „Die Unendliche Geschichte" nur in Rom geschrieben werden konnte
Michael Ende steht
für kindgerechte, kreative Literatur – und hat sich dabei von Rom inspirieren lassen.
So dienten ihm etwa die barocken Statuen in Berninis Vier-Ströme-Brunnen auf der Piazza
Navona oder die maniristischen Ausschmückungen an vielen römischen Palazzi als Vorlage
für die Figuren seiner „Unendlichen Geschichte“. „Michael Ende in Italien“ - so lautet
der Titel einer Ausstellung in der Casa die Goethe in der Via del Corso in Rom, die
diesem Phänomen auf den Grund gehen möchte. Für die Dokumentation, die neben vielen
Textinformationen auch persönliche Gegenstände des Autors bereithält, ist auch Wilfried
Hiller nach Rom gereist: Der Komponist hat hier mit Ende über Jahre hinweg zusammengearbeitet.
Dabei sind Werke wie die Kinderopern „Das Traumfresserchen“ oder „Tranquilla Trampeltreu“
entstanden. An die Zusammenarbeit mit Ende erinnert sich Hiller so:
„Als
ich in Rom war - zwei Jahre war ich insgesamt hier -, waren wir entweder bei ihm draußen
in Genzano di Roma oder in der Villa Massimo. Vielleicht bin ich da etwas zu sehr
Peter Pan - aber ich habe – ähnlich wie Michael Ende auch – für den Jungen geschrieben,
der ich geblieben bin. Die Schwierigkeit war dabei eine ganz besondere: Mein Verleger
rief mich damals an und sagte, wenn du mit Ende arbeitest, dann musst du dir ein Pseudonym
zulegen. Ich fragte ihn, ja warum denn? Und er sagte: Wenn du für Kinder schreibst,
wirst du in der sogenannten „klassischen Musikszene“, bei den Symphonikern, Philharmonikern
und so fort, nicht mehr ernst genommen. Aber im nachhinein bin ich sehr froh darüber.
Inzwischen habe ich eine Reihe von Magister- und Doktorarbeiten vorliegen, die belegen,
dass junge Menschen durch meine Schallplatten von damals überhaupt zur Musik gekommen
sind. Und das ist die Bestätigung für mich, dass das mit dem Michael hundertprozentig
richtig war.“ Michael Ende sei damals aus der geistigen Enge Deutschlands
geflohen und habe in Italien, wo er fünfzehn Jahre lang am Gardasee, in Rom und Genzano
di Roma lebte, die lang ersehnte künstlerische Toleranz und Inspiration gefunden,
berichtet sein Freund. Und schließlich habe Ende dadurch auch seinen Durchbruch als
Kinderbuchautor erfahren:
„Inzwischen gibt es ja eine ganze Reihe von Büchern
über ihn - unter anderem eine Doktorarbeit, die sich mit der Interpunktion in der
„Unendlichen Geschichte“ beschäftigt. Die wirft die Frage auf, warum im ganzen Buch
nicht ein Semikolon, also ein Strichpunkt, verwendet worden ist. Und Michael Ende
sagte mir dazu nur: Also weißt du, wenn sie mich angerufen hätte, wäre es sehr schnell
klar gewesen. Meine Schreibmaschine (die Sie übrigens hier ausgestellt sehen) hatte
ganz einfach keine solche Taste! Das fand er selbst dann sehr komisch.“ Die
Ausstellung in der Casa di Goethe, die noch bis Mitte Februar zu sehen ist, werde
seinem Freund und Weggefährten gerecht, findet der Komponist.
„Ich finde,
man kann die Liebe Michael Endes zu Italien hier sehr gut verstehen lernen und bekommt
ganz besondere Einblicke in sein Werk und in das, was für ihn von Italien ausging.
Er hat ja hier die „Momo“ geschrieben und „Die Unendliche Geschichte“ – zwei seiner
erfolgreichsten Bücher. Er selbst hat das ja immer ironisch dargestellt und gesagt,
er sei wegen seines Nachnamens stets gehänselt worden. Als er auf die Welt kam, habe
der Arzt schon gesagt: Das ist der Anfang vom Ende! Und als er in Stuttgart eine Klasse
wiederholen musste, habe der Lehrer bei der Zeugnisausgabe gesagt: Ende gut, alles
gut. So wurde er gehänselt! Und dann, so sagte er, habe er eine Frau kennengelernt,
die an seinem Namen nichts komisch fand - die habe er dann geheiratet. Und schließlich
sei er mit ihr nach Italien gegangen, wo die Menschen nicht wüssten, was „Ende“ bedeutet.“ Aber
auch für ihn selbst habe Rom und ganz besonders die Arbeit mit Michel Ende ein kreatives
Ventil geöffnet, beschreibt Hiller:
„Für mich war es eine wunderbare Zeit;
sie hat mich richtiggehend geöffnet. Die Stücke, die ich damals mit Michael geschrieben
habe, „Das Traumfresserchen“ und „Der Goggolori“, sind immer noch die erfolgreichsten
deutschsprachigen Opern nach dem Zweiten Weltkrieg. Das zeigt ja, dass es harmoniert
hat! Manchmal habe ich ihn einfach angerufen, weil mir zwei Textzeilen gefehlt haben
– er war noch in Rom und ich schon wieder in München. Und er sagte dann aus der holen
Hand heraus: Schreib so und so! Und dabei blieb es dann. Andere grübeln da über Wochen
und kommen zu keinem Ergebnis. Bei uns lief das hingegen ganz unkompliziert und spontan,
drum war das wirklich schön mit ihm.“ (rv 03.02.2010 vp)