2010-02-04 15:46:49

Vatikan: „Keine Bandenkriege“


Mit äußerstem Befremden reagiert Kurienkardinal Walter Kasper auf neueste italienische Presse-Spekulationen zum so genannten „Fall Boffo“: Die „These von einem Komplott“ sei „lächerlich“, und es seien vermutlich antiklerikale Kräfte, „die die Kirche angreifen, in dem sie Bandenkriege im Vatikan erfinden“. Das sagte Kasper, der den Päpstlichen Einheitsrat leitet, der Tageszeitung „La Stampa“. Der Direktor der katholischen Tageszeitung Italiens, Dino Boffo, war im letzten Herbst zurückgetreten, nachdem die Zeitung „Il Giornale“ eine heftige Kampagne gegen ihn begonnen hatte. Mittlerweile behaupten Medien, hinter dieser Kampagne habe letztlich niemand anderes als Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone gestanden: Bertone sei sich mit dem „Giornale“, das der Familie von Ministerpräsident Silvio Berlusconi gehört, einig gewesen, dass (der in Maßen Berlusconi-kritische) Boffo seinen Hut nehmen müsse. In das „Komplott“ sei auch der Direktor der Vatikanzeitung „L`Osservatore Romano“ Gianmaria Vian verwickelt, so die Spekulationen.

Kardinal Kasper nennt diese Theorien „böswillig zusammengebastelt“: „Wenn der Vatikan jemanden aus seinem Amt entfernen will, dann kann er das doch direkt tun“ – dazu brauche es kein Komplott. Darum würden diese Theorien im Innern des Vatikans „von niemandem ernstgenommen“. Das „Giornale“ hatte Vorwürfe gegen Boffo nach dessen Rücktritt wieder zurückgenommen; Informationen über Boffo, die die Zeitung veröffentlicht hatte, stammten nicht wie behauptet aus den Akten eines Prozesses, sondern waren eigens „fabriziert“ worden.

Der Fall Boffo ist nicht der erste Skandal in Italien, der zwar einen Anfang, aber kein Ende hat, weil sich ständig neue Verwicklungen und Verästelungen auftun. Tatsache ist, dass er die Kirche in Italien geschwächt und das Vertrauen vieler katholischer Wähler zur Regierung nachhaltig erschüttert hat. Die in Vermutungen geübten Medien des „bel paese“ sehen hinter dem Fall Boffo u.a. eine Art Machtkampf zwischen Kardinal Bertone – Vatikan – und Kardinal Angelo Bagnasco, dem Präsidenten der italienischen Bischofskonferenz. Dabei gehe es darum, wer die Haltung der italienischen Kirche zur Politik des Landes bestimme. Zugleich ließ die Affäre aber auch – und das gibt vielen Beobachtern zu denken – eine Reihe von Skandalen medial in den Hintergrund treten, bei denen es um Affären und Liebeleien des Regierungschefs geht. Aus dieser Perspektive wirkt der Fall Boffo wie ein Ablenkungsmanöver von den Skandalen Berlusconis.

Papst Benedikt hat sich von Anfang an aus dem „caso Boffo“ herausgehalten und öffentliche Stellungnahmen dazu vermieden. Seinem Kardinalstaatssekretär hat er unlängst sehr deutlich sein Vertrauen ausgedrückt. Auch der Präfekt der vatikanischen Bischofskongregation, Kardinal Giovanni Battista Re, wies gegenüber der Tageszeitung „La Repubblica“ alle Unterstellungen zurück, dass der Vatikan irgendetwas mit der Schmutzkampagne des „Giornale“ zu tun hätte. Wie auch immer – die neuen Spekulationen (denn mehr ist es ja nicht) über den Fall Boffo belegen einmal mehr, wieviel Interesse an Italiens Innenpolitik die Medien des Landes dem Vatikan (noch) zutrauen. Boffo ist mittlerweile Leiter des „kulturellen Projekts“ der italienischen Bischofskonferenz – so etwas wie der Bischofsbeauftragte für das Gespräch mit der Gesellschaft. Das sieht nicht gerade so aus, als habe man ihn kirchlicherseits für seine Kritik an Berlusconi bestrafen wollen...

„Für die Massenmedien ist Harmonie eine langweilige Sache“ – so erklärt sich Kardinal Kasper die neuesten Verschwörungstheorien. „Unter den christlichen Kirchen ist die katholische die gefestigste... darum hält man sie für besonders mächtig, und darum stört viele ihr bloßes Dasein und ihr Gewicht in der säkularisierten Gesellschaft. Aber diese Angriffe werden wohl auf längere Sicht zu einem Bumerang für den, der versucht, die Kirche zu diskreditieren, indem er sie als Intrigenzentrum darstellt.“ Ob dieser Bumerang – das ist jetzt unsere ganz private Verschwörungstheorie – vielleicht mal in Richtung Berlusconi zurückfliegt?

Einschätzungen von Stefan Kempis, Radio Vatikan

(rv 04.02.2010 sk)







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