22.000 Steine hat
Gunter Demnig schon in ganz Europa verlegt. Allerdings nicht irgendwelche Steine,
sondern „Stolpersteine“. Die goldfarbenen quadratischen Pflastersteine tragen jeweils
den Namen eines Menschen, der im Holocaust von den Nazis zu einer Nummer degradiert
und deportiert worden ist. Mahnmal und Erinnerungsmoment wollen die Steine sein, beschreibt
der Künstler im Gespräch mit Radio Vatikan: „Eine kleine Definition vielleicht
zum Namen „Stolpersteine“: Ein Hauptschüler wurde nach einem Vortrag von mir gefragt,
ob ein Stolperstein nicht etwas Gefährliches sei. Nein, hat er gesagt, man fällt ja
nicht hin, sondern man stolpert mit dem Kopf und mit dem Herzen.“ Angefangen
hat alles vor 13 Jahren in Berlin – ursprünglich als illegale Aktion des Künstlers.
Heute laden Städte und Kommunen den Künstler ein, um vor ehemaligen Synagogen oder
Wohnungen von Deportierten seine Stolpersteine aus Metall zu verlegen. Zum Holocaust-Gedenktag
am vergangenen Mittwoch ist der Bildhauer nach Rom gekommen. Künftig werden hier 30
Stolpersteine an zentralen Orten an die Opfer des Nationalsozialismus erinnern: „Hier
werden die meisten Steine wie eigentlich überall in Europa für jüdische Opfer verlegt.
Fünf Steine gibt es außerdem für politisch Verfolgte. Und es gibt 12 Steine für Carabinieri,
die den Deutschen nicht helfen wollten und das mit ihrem Leben bezahlt haben. Und
das finde ich besonders bewundernswert.“ Die Stolpersteine bewegten die Menschen
deswegen so sehr, weil sie einzelne Schicksale wieder aufleben ließen, meint der Künstler.
Sogar aus Neuseeland seien schon Betroffene angereist, um bei der Verlegung seiner
Steine dabei zu sein. Oft sei es so auch schon zu Familienzusammenführungen gekommen.
Er selbst möchte mit der Aktion zur Aufarbeitung der deutschen Vergangenheit beitragen
- aus seiner ganz persönlichen Erfahrung als Sohn eines Soldaten heraus: „Ich
habe weder Täter noch Opfer in der Familie, aber mein Vater war nun mal Soldat, wie
ja eigentlich alle Männer zu dieser Zeit. Und mein Geschichtsunterricht – ich bin
Jahrgang `47. – hat mit der Weimarer Republik aufgehört. Und auch mit meinen Eltern
war kein wirkliches informatives Gespräch möglich.“ Viel zu wenige Orte des
Gedenkens und für eine Aufarbeitung der Geschichte gebe es. Das habe er schon immer
ungerecht gefunden, erzählt Demnig. Und schließlich sei er so zu den Stolpersteinen
inspiriert worden: „Im Grunde war es der Frust darüber, dass ich mitbekommen
habe, dass 90 Prozent der Hausbesitzer Gedenktafeln an ihren Häusern verweigern. Es
sei denn, jemand Berühmtes hat dort mal übernachtet, wie Albert Einstein zum Beispiel.
Dann kann die Tafel gar nicht groß genug sein! Aber wenn es Hinz und Kunz waren, dann
interessiert es sie nicht oder sie wollen es nicht. Deswegen kann die Überlegung,
es im Trottoir zu machen. Der gehört nämlich der Stadt. Und etwas ganz Wichtiges dabei
ist für mich, dass man, wenn man so einen Stein entdeckt und lesen will, stutzt und
beim Lesen eine Verbeugung vor dem Opfer machen muss.“ (rv 03.02.2010 vp)