„Islamische Religionslehrer in Deutschland ausbilden!"
Der Wissenschaftsrat
hat die Ausbildung von islamischen Religionslehrern und Imamen an deutschen Hochschulen
gefordert und damit großes öffentliches Interesse geweckt. Auf Zustimmung ist der
Vorschlag des Rates bei christlichen und islamischen Religionsvertretern gleichermaßen
gestoßen. Peter Strohschneider ist Vorsitzender des Wissenschaftsrates und erläutert
die Forderungen seines Gremiums im Gespräch mit Radio Vatikan:
„Was der
Wissenschaftsrat dem Bund und den Ländern, aber auch den Universitäten, Kirchen und
Religionsgemeinschaften vorschlägt, ist ein Institutionalisierungsmodell, das die
Mitwirkung der muslimischen Gemeinschaften an der Ausgestaltung der Studiengänge und
an der Berufung des professoralen Personals beschreibt. Die Zeithorizonte kann ich
schwer einschätzen. Es gibt sicher zwei oder drei Universitäten in der Bundesrepublik,
die schon relativ weit sind bei der universitätsseitigen Vorbereitung dieses Prozesses.
Ich glaube, dass es im Grunde – bezogen auf die Eigenzeiten des Wissenschaftssystems
– sehr schnell gehen wird.“
Und Strohschneider erklärt die Absichten des
Rates weiter:
„Er hat sich vor allem dafür ausgesprochen, eine islamische
Theologie im Rahmen des staatlichen Hochschulsystems in Deutschland zu entwickeln
– gewissermaßen das, was für eine tragfähige Religionspädagogik die intellektuelle
Voraussetzung ist. Leitend ist dabei die Tradition des Verhältnisses von Staat und
Kirche in der Bundesrepublik, die eben auch anders ist als in Nachbarstaaten der Bundesrepublik:
Dass nämlich die rationale Selbstreflexion von Glaubenformen selbst als Teil auch
des staatlichen Wissenschaftssystems in Deutschland verstanden wird. Und das ist auch
richtig so, wie es der Wissenschaftsrat sieht. Auf der anderen Seite denken wir, dass
das ein Beitrag ist zur Integrationsdebatte in der Bundesrepublik.“
Auch
der Bundesvorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, begrüßt
den Vorschlag des Wissenschaftsrates:
„Da geht es um Anerkennung, und es
geht um Gleichberechtigung der Religionen in Deutschland. Ich denke, es ist gut, wenn
die Religionslehrer, die Imame und die Vorbeter in der Bundesrepublik ausgebildet
werden. Diese kennen dann das Umfeld besser als jene aus den Herkunftsländern. Natürlich
wird man über eine gewisse Zeit noch Imame aus den Herkunftsländern brauchen – wir
haben 2.500 Moscheen in der Bundesrepublik. Natürlich wird man diesen Bedarf so schnell
nicht decken können, aber wir hoffen, dass dann an den Universitäten ausgebildete
Imame die Aufgaben übernehmen können.“
Bei der Umsetzung der Forderungen
müsste der säkulare Islam als zeitgemäße Strömung besondere Berücksichtigung finden,
meint Kolat:
„Wir haben gesagt, dass es um diese Religionsinstitute herum
einen Beirat geben soll, in dem muslimische Organisationen vertreten sind. In der
türkischen Öffentlichkeit hängt eine überwältigende Mehrheit einem offenen, liberalen
Islam an. Diese Richtung, diese zeitgenössische Kommentierung des Islam, gehört auch
in dieses Gremium hinein. Diese Sichtweise muss auch im Beirat berücksichtigt werden.
Das heißt, der säkulare Islam muss sich auch in den Personen, die eingestellt werden,
wiederfinden.“
Das könne auch dabei beitragen, Vorbehalten zu entgegnen,
meint der Vorsitzende des Wissenschaftsrats:
„Der unmittelbare Problemdruck
in der Bundesrepublik ergibt sich einfach daraus, dass es über vier Millionen Muslime
deutscher und nichtdeutscher Staatsbürgerschaft gibt. Diese Muslime haben über 700.000
Kinder, und diese haben nach unserer Verfassung einen Anspruch auf bekenntnisgebundenen
Religionsunterricht – so wie katholische, evangelische und jüdische Kinder auch. Fragen
der Religion sind immer Existenzfragen, und sie werden dann als solche auch gesellschaftlich
umkämpft. Fragen der Theologie sind nicht schon identisch mit Fragen der Religion:
Theologie verstehe ich als rationale Selbstauslegung von Glaubensformen und als solche
im Wissenschaftssystem gut aufgehoben und dort auch erforderlich, wie wir zu beschreiben
versucht haben.“