Provinzial: „Aufklären, aber Rechte der Opfer akzeptieren“
An diesem Dienstag haben sich neue Missbrauchsopfer bei der Provinz der Deutschen
Jesuiten gemeldet und einen weiteren Täter benannt. Es handelt sich um einen noch
im Orden befindlichen Jesuiten, der Religionslehrer in Berlin war und auch in Hannover
und Hamburg als Jugendseelsorger gewirkt hat. Danach war er über 20 Jahre lang Projektleiter
eines anerkannten Hilfswerkes. Der Provinzial der Deutschen Jesuiten, Stefan Dartmann,
ist mit diesen jüngsten Kenntnissen am Dienstag Abend an die Öffentlichkeit getreten
und hat gegenüber dem Kölner Domradio seine große Betroffenheit zum Ausdruck gebracht:
„Es
ist eine sehr sehr große Tragödie, die jetzt sichtbar wird. In dem Augenblick, wo
sich die Opfer gemeldet haben, an uns herangetreten sind und das Schweigen gebrochen
haben, sehe ich es als meine Pflicht an, hier einzuschreiten. Ich habe den Täter,
der sich zumindest in einem Fall zu der Tat bekannt hat, gebeten, sich anzuzeigen.
Das hat er getan. Und ich habe ihn auch von der Ausübung des Priesteramtes suspendiert.“ Schweigen
und Wegschauen seien die falschen Antworten, wenn es um die Frage nach dem richtigen
Umgang mit den Missbrauchsfällen gehe, betont der Jesuit. Und dennoch müsse man mit
großem Feingefühl an die Aufklärung der Fälle gehen:
„Ich glaube, dass es
in den letzten Tagen einen deutlichen Lernprozess gibt, auch im Orden. Ich möchte
behaupten, wir sind noch dabei, zu lernen. Wir betreten in gewisser Weise Neuland.
Mit solchen Fällen umzugehen, fühle ich mich selber manchmal unsicher. Denn es geht
ja darum, die berechtigten Interessen und den Schutz des Opfers einerseits zu sehen,
und auf der anderen Seite nichts zu verdunkeln. Es ist manchmal nicht leicht, über
die Täter zu sprechen, ohne auch die Opfer damit in die Öffentlichkeit zu zwingen.
Deswegen ist es mir immer wichtig zu fragen, ob mir die Opfer das Recht geben, über
alles zu reden. Und wir müssen die Rechte der Opfer akzeptieren.“ Aus
diesem Grund sei der Jesuitenorden erst jetzt mit den Vorfällen im Berliner Canisius-Kolleg
an die Öffentlichkeit getreten, betont Dartmann. Obwohl Informationen über die dortigen
Missbrauchsfälle bereits 2006 vorgelegen hätten:
„Im Jahre 2006 lagen nur
Hinweise vor, und es gab keine Erlaubnis eines Opfers, über diese Dinge zu reden.
Diese strikte Vertraulichkeit hat auch bedeutet, dass sich die Opfer nicht geoutet
haben.“ Die weitere Verfahrensweise seines Ordens knüpft Dartmann
eng an die Arbeit der Beauftragten für Missbrauchsfälle der Jesuiten, Rechtsanwältin
Ursula Raue:
„Zunächst mal liegt der Fall bei Frau Raue. Für mich ist es
wichtig, noch einmal zu betonen, dass wir selbst keine eigenen Ermittlungen in eigener
Sache machen können und wollen. Das muss Frau Raue machen. Deswegen werde ich mich
hierzu auch in Zukunft mit jedem Kommentar zurückhalten, bis Frau Raue ein Ergebnis
vorlegt. Und dann wird zu entscheiden sein, was noch weitere Konsequenzen sein werden.“ (domradio
03.02.2010 vp)