2010-02-02 17:17:09

Missbrauch in D.: „Professionelle Prävention“


Nach den Missbrauchsfällen am Berliner Canisius-Kolleg hat sich der deutsche Chef des Jesuitenordens bei Opfern, Lehrern und Eltern entschuldigt. „Ich bitte um Entschuldigung für das, was von Verantwortlichen des Ordens damals am notwendigen und genauen Hinschauen und angemessenen Reagieren unterlassen wurde“, sagte Provinzial Stefan Dartmann am Montag in einer Pressekonferenz. Pädophile Neigungen könne man zwar nicht aberziehen, aber kontrollieren. Darauf verweist Prof. Dr. Klaus M. Beier von der Berliner Charité. Er ist Sexualmediziner und leitet das Hilfsprojekt „Kein Täter werden“ für pädophile Männer. Privatpersonen wie Institutionen könnten sich durch professionelle Prävention vor Pädophilie und Missbrauchsfällen schützen. Beier:
„Das muss man sich so vorstellen: Betroffene haben eine speziell qualifizierte Gruppe von Diagnostikern und Therapeuten zur Verfügung, die in adäquater Weise mit diesen Präferenzstörungen umzugehen verstehen und auch in der Lage sind, gegebenenfalls Medikamente einzusetzen, um in Gefahrensituationen die sexuellen Impulse noch zu dämpfen. Das geht und ist sehr hilfreich. Vor allem in einem Milieu, wo diese Form der Auseinandersetzung gefördert und gewünscht wird. Manche Menschen ereilt eben dieses Schicksal, aber wir haben dafür einen speziellen Ansatz, um ihnen zu helfen. Es ist das Interesse aller, dass es nicht zu Übergriffen kommt, die aus dieser Neigung resultieren.“
 Die pädophile Neigung komme in allen Berufsschichten vor, hält der Arzt fest. Nach Daten der Charité zeigt etwa ein Prozent der männlichen Bevölkerung in Deutschland pädophile Neigungen. Das sind rund 250.000 Menschen. Pädophälie zeige sich ab dem frühen Erwachsenenalter und bleibe bis zum Lebensende bestehen. Beier:„Es würde nichts nützen, wenn man sich einredet, dass eine solche Neigung – ich überspitze es jetzt ein bisschen – zum Beipiel durch besonders starken Glauben oder durch besonders starke Auseinandersetzung mit diesem Wunsch aufzulösen wäre. Von dieser Möglichkeit muss man sich trennen.“
 
Pädophile Neigungen führen nicht automatisch zu sexuellem Missbrauch, unterstreicht der Experte. Wichtig sei, den Tatsachen ins Auge zu sehen. Beier: „Das ist die Voraussetzung Nummer eins, dass man sich dem stellt und dass man anerkennt, dass menschliche Sexualität diese Besonderheiten aufweist. Punkt zwei: Man darf niemanden verurteilen dafür, dass es eine besondere Neigung aufweist, sondern – drittens – man muss ihm die Hilfen anbieten, die uns zur Verfügung stehen, um sicherzustellen, dass aus einer solchen Neigung keine Taten werden.“
Ein tabuloser Umgang ohne Vorurteile könne zu einer größeren Offenheit Betroffener führen, so der Arzt. Auch das sei ein Form der Prävention.


(rv 02.02.2010 pr)







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