2010-01-30 13:23:54

Vietnam: Welle der Unterdrückung


RealAudioMP3 Reist Papst Benedikt XVI. nächstes Jahr nach Vietnam? Schon die Frage ist heikel, schließlich sind die Beziehungen Staat-Kirche in dem kommunistischen Land von einem ständigen Auf und Ab gekennzeichnet. Zwar waren in den letzten Monaten Spitzenpolitiker aus Vietnam im Vatikan zu Besuch, doch gibt es seit Jahrzehnten keine diplomatischen Beziehungen zwischen beiden Staaten. Zur Lage in Vietnam ein Beitrag von Mario Galgano.

Vietnams Bischöfe hätten Papst Benedikt schon sehr gerne zu Besuch in ihrem Land – und zwar im Januar 2011, wenn dort ein kirchliches Jubiläumsjahr zu Ende geht. Und doch haben sie vor ein paar Monaten bei einem Besuch in Rom von einer formellen Einladung an den Papst abgesehen: Zu kompliziert ist das Staat-Kirche-Verhältnis im Land, zu verwickelt auch die innenpolitische Lage.

„Die Stimmung zwischen Kirche und Regierung ist ziemlich angespannt“, berichtet ein aus Frankreich stammender Missonar am Mekong. „Die Kirche entwickelt sich auf absolut außergewöhnliche Weise – die religiöse Praxis wird immer stärker, und das Regime drosselt nicht mehr ganz so stark wie früher den Ansturm auf die Priesterseminare. Aber die Regierung geht doch sehr aggressiv gegen den Erzbischof von Hanoi vor, der sich unter Druck fühlt und um seinen Rücktritt aus Gesundheitsgründen gebeten hat. Die Kirche Vietnams steht insgesamt doch ziemlich unter Druck… schon seit langer Zeit, und sie würde sich ein bißchen mehr Öffnung wünschen.“

Doch zur Öffnung sehen die Herren an der Macht gar keinen Anlaß, sagt Benoit de Tréglodé, Vietnam-Experte vom Pariser „Zentrum für ostasiatische Studien“ (Irasec):

„Seit seiner wirtschaftlichen Öffnung vor mittlerweile schon einem Vierteljahrhundert haben die Verantwortlichen des Landes auch nicht einmal eine politische Öffnung ins Auge gefasst. Es gibt keine Ankündigung in dieser Richtung, auch nicht eine einzige – was wir heute sehen, ist also nicht überraschend. Schauen wir außerdem auf das Umfeld Vietnams: Es ist von klassisch asiatischen, autoritären Regimes mit Einheitsparteien umgeben.“

Mehr noch: Das Jahr 2010 wird für Vietnams Innenpolitik vorhersehbar turbulent. Denn, so der Experte:

„Vietnam bereitet sich dieses Jahr auf seinen elften Parteikongress vor, der Anfang 2011 stattfinden wird; traditionell ist das Jahr vor einem solchen Kongress von Gewichtverschiebungen geprägt – dann gibt es immer Kämpfe zwischen Interessengruppen und persönliche Rivalitäten. All das führt zu Erschütterungen und Spannungen.“

In den letzten Wochen hat sich das an einer Welle von Prozessen gegen Dutzende von (echten oder angeblichen) Regimegegnern gezeigt: Dissidenten standen vor dem Kadi, unabhängige Blogger, Menschenrechtsaktivisten – und auch Angehörige von religiösen Gruppen, die sich der staatlichen Kontrolle entziehen. „Human Rights Watch“ spricht in diesem Januar von einem „immer härteren Klima der Unterdrückung“ im Land. Erst vor ein paar Tagen wurden in Ho-Chi-Minh-Stadt Gefängnisstrafen von bis zu sechzehn Jahren gegen einige Aktivisten verhängt. Und zwei Christen, denen die Bildung eines „reaktionären Untergrundnetzes“ vorgeworfen wurde, schickte ein Gia-Lai-Provinzgericht Mitte Januar für neun bzw. zwölf Jahre hinter Gitter. Ihr Vergehen: Sie hatten nicht-angemeldete Hauskirchen besucht.

„Es gibt eine traditionelle Spannung zwischen dem Verteidigungsministerium und dem Ministerium für öffentliche Sicherheit“, so Vietnam-Experte de Tréglodé. „An der Welle von Verhaftungen in den letzten Wochen läßt sich deutlich eine wachsende Rivalität zwischen diesen beiden Behörden ablesen. Hinzu kommen, zweitens, Rivalitäten zwischen einzelnen Regionen: Dazu muss man wissen, dass es in Vietnam seit dem letzten Parteikongress von 2006 keinen Spitzenvertreter von Mittelvietnam unter den drei wichtigsten Staatsämtern gibt. Früher waren der Präsident, der Premier und der Parteichef Vietnams – das sind die drei wichtigsten Ämter – gleichzeitig auch Vertreter von Nord-, Mittel- und Südvietnam, doch seit 2006 sind nur noch Norden und Süden an der Staatsspitze repräsentiert. Das hat zu einem Ungleichgewicht geführt, das sich jetzt deutlich bemerkbar macht.“

In seinem Menschenrechtsbericht von diesem Januar weist „Human Rights Watch“ darauf hin, dass vor allem die Religionsfreiheit in Vietnam im letzten Jahr besonders drastisch eingeschränkt worden ist. Das Regime gehe immer mehr gegen Religionsführer und ihre Anhänger vor, wenn die für Bürgerrechte einträten, für Religionsfreiheit und für gerechte Lösungen bei Landkonflikten. Das treffe auch Katholiken, etwa die Tausenden von Mitgliedern einer Pfarrei in Quang Binh, die gegen die Konfiszierung von Kircheneigentum durch die Behörden protestierten. Vietnam weitert sich, UNO-Menschenrechtsexperten ins Land zu lassen, die u.a. Berichten über Verstöße gegen die Religionsfreiheit vor Ort nachgehen wollen. Politische Öffnung in Vietnam – das sei „sowas wie ein Aktienindex, der immer wieder steigt und fällt“, sinniert der „Economist“. Immerhin sei der zugrundeliegende Trend doch „bescheiden aufwärtszeigend“...

(rv 30.01.2010)







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