2010-01-28 09:15:02

Mit dem Papst gegen Atomstrom?


RealAudioMP3 Die deutschen Atomkraftwerke müssen länger laufen - das wollen die großen Energieunternehmen. Und genau das versuchen sie in diesen Tagen mit der Bundesregierung auszuhandeln. Gerne wird in der Diskussion darauf verwiesen, dass bei einem Atomausstieg Deutschland vor einem Energieloch stünde. Doch ist die Sache wirklich so einfach? Dominik Skala hat sich umgehört und ist auf etwas komplexere Antworten gestoßen.

Im Jahr 2000 hatte die damals rot-grüne Bundesregierung einen Ausstieg aus der Atomenergie beschlossen. Den deutschen Kernkraftwerken wurden je nach Alter und Auslastung verschiedene Restlaufzeiten eingeräumt, und in einem Zeitraum von zwei Jahrzehnten sollten alle Anlagen vom Netz gehen. Verbunden war damit aber eine weiterführende Überlegung, vor allem in Hinblick auch auf die regenerativen Energien. Was genau hinter dem rot-grünen Konzept steckte, erklärt uns Mattias Kiefer, Umweltbeauftragter des Erzbistums München-Freising.

„Es war ja erklärtes Ziel der Regierung damals, eben nicht nur auf der einen Seite die Atomkraftwerke vom Netz zu nehmen, sondern gleichzeitig auch andere signifikante Schritte zu unternehmen: Erstens hin in Richtung Energieeinsparung, zweitens hin zu einer massiven Effizienzsteigerung beim Energieverbrauch und drittens hin zu einem Ausbau erneuerbarer Energien. Beide Säulen dieses politischen Konzepts braucht es, um möglichst schnell eine möglichst breite Versorgung der deutschen Bevölkerung mittels der regenerativen Energieträger zu erreichen.“

 
Sollte es jetzt tatsächlich zu einer Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken kommen, käme es nicht nur zu einer Verzögerung der erneuerbaren Energien. Auch würde, so Kiefer, ein gesellschaftlicher Grundkonsens in Deutschland aufgekündigt werden - und damit würde ein Austieg vom Atomausstieg zu einer ethischen Frage.

„Es ist eine Frage der Gerechtigkeit - inwiefern der Staat, und damit letztendlich der Steuerzahler, weiter gewisse Oligopolstrukturen alimentiert und gleichzeitig damit verhindert, dass andere Akteure auf dem Energiemarkt Chancen erhalten.“

 
Gerechtigkeitsfragen gehen auch die Kirche an: Nach durchaus kontroversen Diskussionen zur Atomfrage in der katholischen Kirche in der Vergangenheit könne man in Grundfragen inzwischen doch einheitliche Argumentationsmuster heraushören. So hat sich nicht nur die deutsche Bischofskommisson „Gerechtigkeit und Frieden“ gegenüber der Kernkraft vorsichtig kritisch geäußert. Auch die Veröffentlichung der Botschaft Papst Benedikts XVI. zum Weltfriedenstag während der Kopenhagener Klimakonferenz sei durchaus kernenergie-kritisch zu lesen, meint Mattias Kiefer.

„Wenn er zum Beispiel sagt in dieser Botschaft zum Weltfriedenstag: ‚Der Gebrauch natürlicher Ressourcen müsste dergestalt sein, dass die unmittelbaren Vorteile nicht negative Folgen für die Menschen und andere Lebewesen in Gegenwart und Zukunft mit sich bringen.’ Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass weltweit keine einzige Endlagerstätte für hochradioaktiven Abfall besteht, gewinnt diese Aussage durchaus an Brisanz!“

 
Über die Endlagerfrage hinaus betont Kiefer, dass auch weitere Argumente die ethische Diskussion um die Kernenergie tragen müssten: Nicht ausgeschlossen sei weiterhin, dass Nuklearmaterial in die falschen Hände gerate. Auch die Sicherheitsfrage und vor allem, wer für die Folgen eines Unfalls aufkommen müsse, sei nicht abschließend geklärt. Gleichzeitig gibt Kiefer zu bedenken, dass es neben aller Kritik am Atomstrom das Verhalten der Energieverbraucher selbst sei, das sich ändern müsse.

„Dieses Festhalten am Herkömmlichen bewirkt letzten Endes eine Einstellung des ‚Weiter so’. Das ist eines der zentralen Argumente auch in der Diskussion um die Kernkraft. Da wird dem Kunden, dem Endverbraucher, dem Bürger suggeriert, er müsse an seinem Verhalten nichts ändern - und das ist einfach falsch.“

 
(rv 27.01.2010 ds)







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