2010-01-27 13:55:36

D/Vatikan: Auf den römischen Spuren Hamburger Katholiken


RealAudioMP3 Über Bürokratie wird selten ein gutes Wort verloren. Papiere, Ablagen, Aktenordner, lange Regale mit Berichten und Heftern. Das gilt auch – und vielleicht besonders – für die Bürokratie des Vatikan. Zwei Hobby-Forscher aus Hamburg finden dort aber genau das, was sie suchen. Pater Bernd Hagenkord hat die beiden getroffen.

Christoph Flucke ist eigentlich Geschichts- und Erdkundelehrer im Ruhestand, aber als Vorstand des Vereins für für katholische Kirchengeschichte in Hamburg und Schleswig Holstein schon lange mit der Erforschung des katholischen Lebens in der Freien und Hansestadt beschäftigt. Gemeinsam mit Hans-Werner Schicke erkundet er hier in Rom, ob sich nicht Quellen für sein Thema finden lassen. Hamburg als lutherische Stadt hat Katholiken nach der Reformation eigentlich nicht zugelassen, es waren Kapläne vor allem an Handelsvertretungen oder Botschaften, etwa des Kaisers oder anderer Städte, die Stück für Stück ab 1580 eine katholische Kirche wieder ins Leben riefen. Die Geistlichen gehörten dem Jesuitenorden an, und hier kommt die Bürokratie ins Spiel. Christoph Flucke:

„Die Jesuiten waren verpflichtet, jedes Jahr an ihre Zentrale einen Bericht über ihre Tätigkeit in Latein zu schreiben. Diese Berichte, die zum Teil nur noch in Rom erhalten sind, harren darauf, dass sie ins Deutsche übersetzt werden - und wir haben keine oder nur selten andere Quellen über die Geschichte der Katholiken in Hamburg .“

Römische Archive als wichtiger Ort für die Geschichte Hamburgs. Für Uneingeweihte mögen diese römischen Archive etwas Verschlossenes, Geheimnisvolles sein. Hans-Werner Schicke war hingegen überrascht, wie hilfreich die Archive für ihre Arbeit waren.
 
„Es ist also so: Da kommen zwei Unbekannte aus Hamburg, klopfen an die Tür, es wird einem aufgetan, man geht durch mehrere Sicherheitsschleusen über enge Gänge und ist mitten im Archiv. Es ist für einen, der noch nie im Archiv gearbeitet hat, erfrischend zu sehen, dass es sich keinesfalls um verstaubte langweilige Dinge handelt, sondern dass einem dann die Tage, die Jahre, das Leben der Leute vor 300 Jahren sehr anschaulich vor Augen stehen.“

Reichlich Material für die Forschungsreise nach Rom. Aber vor der Erkenntniss musste erst einmal das Material gesichtet werden. Noch einmal Hans-Werner Schicke:

„Wir haben etwa 20 große Folianten Seite für Seite durchgeblättert, es handelt sich dabei um etwa 5.000 bis 6.000 Seiten, allesamt natürlich in Latein verfasst, lebensechte Beschreibungen auch von Einzelheiten. Es wird, ganz drastisch gesagt, auch von Begleitungen zu Hinrichtungen berichtet, so dass also ein sehr weites Spektrum über das Leben der damaligen Bevölkerung aus diesen Berichten zu entnehmen ist.“

Es geht um Taufen und Hochzeiten, um Abfall vom Glauben und um die Wiederaufnahme in die Kirche, es geht um Erfolge und um Scheitern, alles in den Aktenordnern im Jesuitenarchiv in Rom. Christoph Flucke:

„Diese Geschichten geben gut Auskunft über die Mentalität der Menschen damals, sei es der Katholiken, sei es der Lutheraner, was ja in Hamburg die Staatskirche war. Das sind für uns eigentlich die Forschungen, die wir herausbringen wollen: Wie haben die Menschen damals gedacht? Das findet man in den Akten und besonders in den Aktenbeständen Roms.“

(rv 26.01.2010 ord)








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