2010-01-23 13:42:27

Unser Kommentar zu Woche von Klaus Töpfer


Wer kennt schon Bhutan? Ein kleines Königreich – weniger als 1 Million Einwohner.
hoch oben in den Hochtälern des Himalaja – benachbart zu Indien und Nepal, ein armes Land.
Nur schwer erreichbar – noch nicht überschwemmt von Touristen – hoch oben in den Bergen, kaum auszumachen mit dem bloßen Augen, kleine Punkte – Klöster des Buddhismus – Orte der Meditation. Nahezu aus jeder Familie stammt ein Mönch.

Die Natur in phantastischer Pracht – auf den Hochebenen der Nachbarschaft zu Tibet:
Dort habe ich den Schwarzhalskranich beobachten können – ein herrlicher Vogel, nahezu überall vom Aussterben bedroht.

In der Hauptstadt habe ich eine Audienz bei dem König. Der noch recht junge Monarch hat abgedankt, hat für seine Bevölkerung den Weg zur Demokratie geöffnet. Das Gespräch konzentriert sich schnell auf Entwicklung – auf wirtschaftliche Entwicklung, auf Steigerung des Wohlstandes, auf Überwindung von Armut. Ich verweise darauf, dass das Bruttosozialprodukt pro Kopf bei nur rund 2.000 Dollar liegt – bei uns in den ach so hoch entwickelten Ländern sind es fast 30.000 Euro.

Dann die Überraschung in diesem Gespräch: Nicht um das Bruttosozialprodukt, im Englischen GNP (Gross National Product), ginge es ihm, argumentiert der König, sondern um die GNH (Gross National Happiness), also die Steigerung des Glücks der Bürger dieses Landes. Das Glück, eben nicht nur abhängig von der Menge der erzeugten Güter und Dienstleistungen, bewertet jeweils über ihren Marktpreis. Das Glück vielmehr: abhängig von vielen immateriellen Größen – von der Intaktheit der Gesellschaft, dem Zusammenhalt in den Familien und der Nachbarschaft, der Intaktheit der Natur, des Bewusstseins religiöser Werte und deren Bedeutung für das tägliche Leben.

Eine lächerliche, verschrobene Idee – halt nur denkbar oben weitab von dem pulsierenden Leben der Weltwirtschaft? Die Steigerung des Bruttosozialprodukts – mindestens 2% brauchen wir in Deutschland jährlich, um rechnerisch die massive Verschuldung abzutragen, die nicht zuletzt dadurch entstanden ist, dass der Staat, dass wir alle als Steuerzahler die Schulden in Zukunft abtragen müssen, die durch Bankenchaos und Wirtschaftskrise entstanden sind. Ganz zu schweigen von den Verschuldungen, die wir in der Übernutzung des Naturkapitals, der Schöpfung angehäuft haben – die Rote Liste der vom Aussterben bedrohten Tiere und Pflanzen wird weiterhin länger und länger – weggeworfene Natur, missachtete Schöpfung. Dieses Jahr ist das Jahr der Artenvielfalt. Wer weiß schon, was der Verlust von Vielfalt wirklich bedeutet, was Rücksichtslosigkeit gegen Schöpfung in unseren Köpfen anrichtet? Das Grundgesetz kennt neuerdings auch ein Verschuldungsverbot. Eine Überschuldung gegenüber der Natur ist dort nicht erfasst. Die Ausbeutung der Leistungen der Natur schreitet voran – die Atmosphäre, die Ozeane, die großen Waldgebiete der Welt: überlastete, übernutzte Zeugen für einen Wohlstandes, der bestenfalls das Bruttosozialprodukt steigert, keineswegs aber gleichzeitig das Glück der Menschen, die Verantwortung für Zukunft.

Nachdenken über die richtigen Stellgrößen für den Wohlstand der Menschen – keineswegs also nur eine verschrobene Idee fernab bei den Himalaja-Gipfeln. Vor kurzem hat Präsident Sarkozy das Ergebnis einer von ihm eingesetzten Expertenkommission vorgestellt. Geleitet von Nobelpreisträgern für Wirtschaft – Professor Stieglitz etwa, früherer Chefvolkswirt der Weltbank und der Inder Amartai Sen. Ihr Auftrag: zu ergründen, ob dieses Bruttosozialprodukt wirklich Wohlstand widerspiegelt. Die Wirtschaftswissenschaftler sind da ebenfalls mehr und mehr skeptisch. Wohl bekannte Argumente aus den vergangenen Jahrzehnten werden wieder aktuell – die Qualität des Wachstums etwa. Die Frage, inwieweit wir nur an der Beseitigung der negativen Folgen bisherigen Wachstums das Bruttosozialprodukt steigern. Die Frage auch, wie dieses wirtschaftliche Wachstum in unserer Gesellschaft verteilt wird – ob dadurch die Kluft zwischen arm und reich weiter gesteigert wird. Vor allem aber führt nicht diese Fixierung auf diesen Wohlstandsindikator zu einer laufenden Prämie auf die Kurzfristigkeit unserer Entscheidungen?
Die Wirtschaftskrise, unter deren Folgen wir nach wie vor massiv leiden – und die Ärmsten der Armen der Welt am meisten:
Ist sie nicht ein Offenbarungseid der Kurzfristigkeit, wurden und werden die vollen Kosten des Wohlstandes verdrängt, abgeschoben auf die Zukunft, auf Menschen in anderen Regionen – auf die Natur?
 Das kleine Ländchen Bhutan – nicht schlicht zu belächeln, wenn nach dem Glück der Menschen gefragt und gesucht wird, wenn darauf hin gearbeitet wird. Sicherlich auch eine Rückfrage an einen jeden von uns, sich der wirklichen Kosten des Wohlstandes bewusst zu werden. Keine Aufgabe von jetzt auf gleich – aber wie lautet die alte chinesische Spruchweisheit:
Der längste Weg beginnt mit dem ersten Schritt.









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