"Opfergang": Erste italienische Uraufführung des Komponisten Hans Werner Henze
Das jüngste Werk Hans
Werner Henzes, des „größten deutschen Komponisten der Gegenwart“, wie ihn die Musikszene
beschreibt, ist Anfang Januar in Rom zur Uraufführung gekommen. „Opfergang“ heißt
die Dramatische Sinfonie, die der Maestro nach der gleichnamigen Textvorlage Franz
Werfels komponiert hat. Seinen Bezug zum Autor beschreibt der Komponist folgendermaßen:
„Ich
habe eine Ausgabe der ersten Gedichte Werfels, die 1913 erschienen ist. Das sind expressionistische
Gedichte. Diese Technik hat alles bisher in der Poesie Bekannte gesprengt. Im speziellen
Fall des „Opfergangs“ hat mich vor allem der Wiener und Prager Slang, in dem die Verse
verfasst sind, fasziniert. Werfel ist ja in Prag geboren und aufgewachsen. Er war
ein Schulkamerad Franz Kafkas. Er hat das Theater und die Musik sehr geliebt. Und
aus diesem Kontext heraus, finden sich im „Opfergang“ zahlreiche Anspielungen. Allein
deswegen hat es sich angeboten, den Text in eine Oper einzubetten. Inhaltlich finden
sich viele unterschiedliche Motive. Schon die literarische Vorlage nimmt den Menschen
als solchen in all seinen Regungen in den Blick. Und diese Blickrichtung ist heute
genauso aktuell wie zu Werfels Zeiten.“
Seit Jahrzehnten habe er an eine
Vertonung des Textes gedacht, unterstreicht der Komponist. Das Motto des anspruchsvollen
Stücks, das im römischen Auditorium durch das Orcheser der Accademia Nazionale di
Santa Cecilia vor einem stark konzentrierten und sehr anerkennenden Publikum uraufgeführt
wurde, sei bereits mit dem Titel vorgegeben, so Henze:
„Ich selbst bin nicht
katholisch. Aber für mich, und ich glaube, so sieht das auch die Religion, bedeutet
ein Opfergang, zu bezahlen für das, was man unrechtmäßig getan hat.“
Die
Hauptrollen, Tenor und Bass, die im Verlauf der Oper als Hund und Mensch um die Bedeutung
von Schuld und Sühne, Straftat und Bestrafung, ringen, hat Henze den beiden Sängern
Ian Bostridge und John Tomlinson auf den Leib geschrieben. Darin, und auch in der
Tatsache, dass mit dem „Opfergang“ erstmalig ein Stück des Maestros eine italienische
Uraufführung erfahren hat, liegen weitere Besonderheiten der Weltpremiere:
„Die
beiden Sänger sind genau diejenigen, die ich mir für die Hauptrollen der Uraufführung
dieses Werks, wenn man so sagen möchte, vorgestellt hatte. Und Maestro Pappano hat
mich mit seinem großen Einfühlungsvermögen in das Stück überwältigt. Die Intensität,
mit der er sich der Musik am Klavier und als Dirigent hingibt, ist einmalig. Überaus
glücklich bin ich auch darüber, dass das erste Mal eine Komposition von mir in Italien
uraufgeführt wird. In dem Land, das ich liebe und in dem ich nun schon seit fünfzig
Jahren lebe.“
Der 83-jährige Henze, der das Premierenpublikum mit seiner
Anwesenheit aus den hinteren Reihen des Konzertsaals überraschte, nahm den ausdauernden
Applaus der stehenden Konzertbesucher gerührt und ersichtlich mit großer Freude entgegen:
„Sicherlich
ist es für Sie alle verständlich, dass ich in der Tat sehr bewegt bin und aufgewühlt.
Es hat sich gezeigt, dass ein außerordentliches Musikstück entstanden ist. Ich darf
sagen, dass ich auch ein bisschen stolz bin und zufrieden mit mir selbst.“