Jüdisches Museum Rom: Neuer Akzent in der Beziehung zum Papsttum
Mit dem viel beachteten
Besuch Papst Benedikts in der römischen Synagoge ist an diesem Sonntag auch eine neue
Ausstellung im Museum der Gemeinde eröffnet worden. Unter dem Titel „Et Ecce Gaudium“
sind 14 Pergamentblätter aus dem 16. und 17. Jahrhundert zu sehen, die eine alte Tradition
dieser Zeit dokumentieren: Mit den prächtig geschmückten Schrift- und Bildtafeln hat
die jüdische Gemeinde den Festzug der Päpste ausgekleidet, wenn diese, frisch ins
Amt gewählt, vom Vatikan in den Lateran zogen. Bis vor wenigen Monaten war dieses
Brauchtum nur aus Sekundärquellen bekannt. Die Dokumente, die im hauseigenen Archiv
der jüdischen Gemeinde verschollen waren, belegen diese Zeremonie nun erstmalig, betont
der Botschafter Israels beim Heiligen Stuhl, Mordechai Lewy:
„Die Ausstellung
ist im Grunde eine kleine historische Sensation. Auch die besten Kenner der Materie
haben sich nicht vorstellen können, dass vierzehn Papiere von jeweils unterschiedlichen
Prozessionen wieder aufgefunden wurden und auf Karton geklebt werden konnten. Denn
es handelt sich um ein äußerst empfindliches Papier. Und dennoch hat man sie, völlig
unscheinbar und zusammen gefaltet, im Archiv der jüdischen Gemeinde von Rom wiederentdeckt.
Ich glaube, das ist schon deshalb eine Sensation, da Experten schon immer über die
Papiere geschrieben haben, aber ohne sie jemals gesehen zu haben. Man kannte sie aus
der Literatur, von Archivalien und Beschreibungen. Nur zu Gesicht hat sie noch niemand
bekommen.“
Kirchen, Palazzi und offene Straßenzüge sind mit den Pergamenten
geschmückt worden. Die Auskleidung der Straßenabschnitte rund um den Titusbogen in
Kolosseumsnähe lag im Aufgabenbereich der jüdischen Bürger Roms. Einerseits sei es
eine Ehre gewesen, den neu gewählten Papst auf diese Weise empfangen zu dürfen, betont
der heutige Gemeindevorsteher, Riccardo Pacifici. Andererseits sei die Unterstützung
des päpstlichen Festzugs nicht freiwillig erfolgt. Die Juden, die zu dieser Zeit im
römischen Ghetto leben mussten, seien dazu verpflichtet worden, so Pacifici:
„Die
Ausstellung hilft uns, besser zu verstehen, unter welchen Bedingungen die jüdische
Gemeinde zu dieser Zeit lebte. Die psychischen Belastungen, denen sie ausgesetzt war,
stehen uns nun deutlicher vor Augen. Das ist eine schwierige Phase unserer Geschichte.
Die Tatsache, dass wir heute den Besuch eines Papstes feiern dürfen, der gekommen
ist, um zu verstehen, wer wir sind und was uns heute bewegt, ist von wirklich großer
Bedeutung. Und zwar nicht an erster Stelle für den Papst oder diejenigen, die in den
Palästen wohnen. Sonder vielmehr für die breite Mehrheit, für jedermann. Und wir hoffen
sehr, dass die Initiative, die Benedikt XVI. mit seinem Papstbesuch gezeigt hat, vor
allem auch das Gespräch unter den Menschen anregt. Denn der Dialog braucht die Verständigung
auf Augenhöhe. Unter den Menschen, die die Verständigung bisher ignorieren oder zu
wenig voneinander wissen. Ob sie nun gläubig sind, oder nicht. Und an diesem Punkt
setzt auch diese Ausstellung an. Sie will eine Verständigungshilfe geben auf kultureller
und religiöser Ebene. Und das ist für unsere Gesellschaft, die mit verschiedenen Problemen
zu kämpfen hat, besonders wichtig.“
Diesen Bezug zum
Papstbesuch sieht auch Botschafter Lewy. Mit Papst Benedikt habe schließlich zum ersten
Mal ein Papst ein jüdisches Museum besucht. Für ihn ist die Ausstellungseröffnung
in diesem Rahmen die gelungene Abrundung der Papstvisite. An den Besuch Benedikts
erinnert er sich folgendermaßen:
„Ich habe vorher gesagt, dass es ein historisches
Ereignis ist, und ich sage es auch nachher. Ich bin nicht an der Medienmache beteiligt
gewesen, die hier überdramatisiert hat. Es kam nicht zu der Krise, die manche im Vorfeld
des Papstbesuchs angekündigt hatten. Und jetzt sollte man auch nicht enttäuscht sein,
dass es keine Krise gab.“
Vielmehr müsse man den Besuch als bedeutsamen
Schritt im jüdisch-katholischen Dialog anerkennen. Trotz des Gesprächbedarfs, der
noch bestehe, fügt der Botschafter hinzu:
„Es gibt ein Problem, dass sicherlich
noch weiterhin offen bleiben wird. Das ist die historische Person Pius XII. Das ist
eine Ebene, auf der noch weiter diskutiert werden wird. Und ich glaube, das wird nicht
zu Ruhe kommen, bis man die Archive öffnet.“
Die Archive der jüdischen
Gemeinde noch einmal auf den Kopf zu stellen, das hat sich jedenfalls schon einmal
gelohnt. Die Museumsdirektorin und Kuratorin der Ausstellung, Daniela di Castro, betont,
dass die Arbeiten an den zarten Papieren, die nur für ihren kurzlebigen Einsatz als
Festschmuck angefertigt worden waren, mühsam waren:
„Die Arbeiten im Vorfeld
der Ausstellung waren nicht wirklich einfach. Allein die Tatsache, dass wir nur drei
Monate hatten, um alles vorzubereiten, hat uns vor große Herausforderungen gestellt.
Wir sind froh, dass sie nun ein neues Licht auf die Geschichte wirft. Nicht nur auf
die Entwicklungen im Verhältnis zwischen dem Papsttum und der jüdischen Gemeinde,
sondern auch auf die Traditionen der jüdischen Gemeinde selbst. Jetzt wissen wir viel
besser, was ihr Engagement für die gesamte Bürgerschaft Roms bedeutete und welche
Aufmerksamkeit die jüdische Gemeinde dem Papst beigebracht hat.“
Demnach
hat sich der Einsatz gelohnt. Die Pergamente, die kunstvoll ausgestaltete biblische
Motive über hebräischen und lateinischen Lettern zeigen, sind nicht nur schön anzusehen,
sondern wichtig für das Selbstverständnis der römischen Juden, vor allem in Rückschau
auf die eigene Geschichte. Ganz aktuell beschreibt Botschafter Lewy das Selbstbild
der römischen Juden so:
„Ich glaube das Selbstverständnis der jüdischen
Gemeinde ist heute ein ganz anderes als zu der Zeit, als die Gemeinde noch im Ghetto
eingeschlossen war zur Zeit des päpstlichen Staates. Ihr Stolz heute liegt bestimmt
in der Tatsache begründet, dass sie mit Israel ihren eigenen Staat haben. Darauf können
sie auch wirklich stolz sein und diesen Stolz auch nach Außen tragen.“