2010-01-20 14:22:28

Jüdisches Museum Rom: Neuer Akzent in der Beziehung zum Papsttum


RealAudioMP3 Mit dem viel beachteten Besuch Papst Benedikts in der römischen Synagoge ist an diesem Sonntag auch eine neue Ausstellung im Museum der Gemeinde eröffnet worden. Unter dem Titel „Et Ecce Gaudium“ sind 14 Pergamentblätter aus dem 16. und 17. Jahrhundert zu sehen, die eine alte Tradition dieser Zeit dokumentieren: Mit den prächtig geschmückten Schrift- und Bildtafeln hat die jüdische Gemeinde den Festzug der Päpste ausgekleidet, wenn diese, frisch ins Amt gewählt, vom Vatikan in den Lateran zogen. Bis vor wenigen Monaten war dieses Brauchtum nur aus Sekundärquellen bekannt. Die Dokumente, die im hauseigenen Archiv der jüdischen Gemeinde verschollen waren, belegen diese Zeremonie nun erstmalig, betont der Botschafter Israels beim Heiligen Stuhl, Mordechai Lewy:

„Die Ausstellung ist im Grunde eine kleine historische Sensation. Auch die besten Kenner der Materie haben sich nicht vorstellen können, dass vierzehn Papiere von jeweils unterschiedlichen Prozessionen wieder aufgefunden wurden und auf Karton geklebt werden konnten. Denn es handelt sich um ein äußerst empfindliches Papier. Und dennoch hat man sie, völlig unscheinbar und zusammen gefaltet, im Archiv der jüdischen Gemeinde von Rom wiederentdeckt. Ich glaube, das ist schon deshalb eine Sensation, da Experten schon immer über die Papiere geschrieben haben, aber ohne sie jemals gesehen zu haben. Man kannte sie aus der Literatur, von Archivalien und Beschreibungen. Nur zu Gesicht hat sie noch niemand bekommen.“

Kirchen, Palazzi und offene Straßenzüge sind mit den Pergamenten geschmückt worden. Die Auskleidung der Straßenabschnitte rund um den Titusbogen in Kolosseumsnähe lag im Aufgabenbereich der jüdischen Bürger Roms. Einerseits sei es eine Ehre gewesen, den neu gewählten Papst auf diese Weise empfangen zu dürfen, betont der heutige Gemeindevorsteher, Riccardo Pacifici. Andererseits sei die Unterstützung des päpstlichen Festzugs nicht freiwillig erfolgt. Die Juden, die zu dieser Zeit im römischen Ghetto leben mussten, seien dazu verpflichtet worden, so Pacifici:

„Die Ausstellung hilft uns, besser zu verstehen, unter welchen Bedingungen die jüdische Gemeinde zu dieser Zeit lebte. Die psychischen Belastungen, denen sie ausgesetzt war, stehen uns nun deutlicher vor Augen. Das ist eine schwierige Phase unserer Geschichte. Die Tatsache, dass wir heute den Besuch eines Papstes feiern dürfen, der gekommen ist, um zu verstehen, wer wir sind und was uns heute bewegt, ist von wirklich großer Bedeutung. Und zwar nicht an erster Stelle für den Papst oder diejenigen, die in den Palästen wohnen. Sonder vielmehr für die breite Mehrheit, für jedermann. Und wir hoffen sehr, dass die Initiative, die Benedikt XVI. mit seinem Papstbesuch gezeigt hat, vor allem auch das Gespräch unter den Menschen anregt. Denn der Dialog braucht die Verständigung auf Augenhöhe. Unter den Menschen, die die Verständigung bisher ignorieren oder zu wenig voneinander wissen. Ob sie nun gläubig sind, oder nicht. Und an diesem Punkt setzt auch diese Ausstellung an. Sie will eine Verständigungshilfe geben auf kultureller und religiöser Ebene. Und das ist für unsere Gesellschaft, die mit verschiedenen Problemen zu kämpfen hat, besonders wichtig.“

 
Diesen Bezug zum Papstbesuch sieht auch Botschafter Lewy. Mit Papst Benedikt habe schließlich zum ersten Mal ein Papst ein jüdisches Museum besucht. Für ihn ist die Ausstellungseröffnung in diesem Rahmen die gelungene Abrundung der Papstvisite. An den Besuch Benedikts erinnert er sich folgendermaßen:

„Ich habe vorher gesagt, dass es ein historisches Ereignis ist, und ich sage es auch nachher. Ich bin nicht an der Medienmache beteiligt gewesen, die hier überdramatisiert hat. Es kam nicht zu der Krise, die manche im Vorfeld des Papstbesuchs angekündigt hatten. Und jetzt sollte man auch nicht enttäuscht sein, dass es keine Krise gab.“

Vielmehr müsse man den Besuch als bedeutsamen Schritt im jüdisch-katholischen Dialog anerkennen. Trotz des Gesprächbedarfs, der noch bestehe, fügt der Botschafter hinzu:

„Es gibt ein Problem, dass sicherlich noch weiterhin offen bleiben wird. Das ist die historische Person Pius XII. Das ist eine Ebene, auf der noch weiter diskutiert werden wird. Und ich glaube, das wird nicht zu Ruhe kommen, bis man die Archive öffnet.“

Die Archive der jüdischen Gemeinde noch einmal auf den Kopf zu stellen, das hat sich jedenfalls schon einmal gelohnt. Die Museumsdirektorin und Kuratorin der Ausstellung, Daniela di Castro, betont, dass die Arbeiten an den zarten Papieren, die nur für ihren kurzlebigen Einsatz als Festschmuck angefertigt worden waren, mühsam waren:

„Die Arbeiten im Vorfeld der Ausstellung waren nicht wirklich einfach. Allein die Tatsache, dass wir nur drei Monate hatten, um alles vorzubereiten, hat uns vor große Herausforderungen gestellt. Wir sind froh, dass sie nun ein neues Licht auf die Geschichte wirft. Nicht nur auf die Entwicklungen im Verhältnis zwischen dem Papsttum und der jüdischen Gemeinde, sondern auch auf die Traditionen der jüdischen Gemeinde selbst. Jetzt wissen wir viel besser, was ihr Engagement für die gesamte Bürgerschaft Roms bedeutete und welche Aufmerksamkeit die jüdische Gemeinde dem Papst beigebracht hat.“

Demnach hat sich der Einsatz gelohnt. Die Pergamente, die kunstvoll ausgestaltete biblische Motive über hebräischen und lateinischen Lettern zeigen, sind nicht nur schön anzusehen, sondern wichtig für das Selbstverständnis der römischen Juden, vor allem in Rückschau auf die eigene Geschichte. Ganz aktuell beschreibt Botschafter Lewy das Selbstbild der römischen Juden so:

„Ich glaube das Selbstverständnis der jüdischen Gemeinde ist heute ein ganz anderes als zu der Zeit, als die Gemeinde noch im Ghetto eingeschlossen war zur Zeit des päpstlichen Staates. Ihr Stolz heute liegt bestimmt in der Tatsache begründet, dass sie mit Israel ihren eigenen Staat haben. Darauf können sie auch wirklich stolz sein und diesen Stolz auch nach Außen tragen.“

(rv 20.01.2010 vp)








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