2010-01-18 12:02:53

„Das Schweigen von Pius XII. schmerzt noch heute“ – Auszüge aus Reden in der Synagoge


RealAudioMP3 Vor dem Papst ergriffen am Sonntagabend in der römischen Synagoge mehrere jüdische Vertreter das Wort. Wir dokumentieren hier die wichtigsten Auszüge aus ihren Ansprachen an Benedikt XVI. in einer eigenen Übersetzung.
    Riccardo Pacifici, Präsident der jüdischen Gemeinde von Rom


„Herzlich willkommen! Das heutige Ereignis wird eine tiefe Spur in den Beziehungen zwischen Juden und Christen hinterlassen – nicht nur in religiöser Hinsicht, sondern hoffentlich auch für die Zivilgesellschaft.

Für uns Juden ist der Staat Israel Frucht einer gemeinsamen Geschichte und eines unauflöslichen Bandes, das zu unserer Kultur und Tradition gehört. Ein Recht, das – wie jeder Bibelkenner weiß – dem Volk Israel zugesprochen worden ist!

Wir wollen Ihnen unsere ganze Solidarität ausdrücken für die Gewalt, der sich immer häufiger Christen in einigen Ländern Asiens und Afrikas ausgesetzt sehen und auf die der Westen nach unserer Einschätzung nicht genug reagiert. Man müsste energischer Druck ausüben auf Länder, in denen es verboten ist, eine Kirche oder eine Synagoge zu bauen.

Wir sind alle besorgt über den islamischen Fundamentalismus. Männer und Frauen voller Hass, die von Terrorgruppen gelenkt und finanziert werden, wollen uns kulturell und physisch auslöschen. Dieser religiöse Fanatismus wird auch von Staaten unterstützt... Darum müssen wir solidarisch sein mit den Kräften im Islam, die den Koran als Quelle der Solidarität und Brüderlichkeit sehen – im Respekt vor der Heiligkeit des Lebens. Ich grüße sehr herzlich die islamischen Vertreter, die in dieser Synagoge präsent sind.

Die Last der Geschichte ruht auch auf dem Ereignis von heute – mit noch offenen Wunden, die wir nicht ignorieren dürfen. Darum respektieren wir auch all die, die entschieden haben, nicht zu kommen!

Wenn ich heute an diesem heiligen Ort das Wort ergreifen kann, dann, weil mein Vater und mein Onkel in der Nazizeit in einem Kloster in Florenz versteckt worden sind. Die Dankbarkeit diesem Kloster gegenüber ist immens; der Staat Israel hat ihm die „Medaille der Gerechten unter den Völkern“ verliehen. Das war kein Einzelfall, weder für Italien noch für andere Teile Europas. Viele Ordensleute haben ihr Leben riskiert, um Tausende von Juden vor dem sicheren Tod zu retten! Darum schmerzt das Schweigen von Pius XII. zur Shoah noch wie ein Versagen. Vielleicht hätte er die Todeszüge nicht stoppen können – aber er hätte ein Signal, ein Wort der Tröstung, der menschlichen Solidarität geben können für unsere Brüder, die nach Auschwitz transportiert wurden!“
 
    Renzo Gattegna, Präsident der Union der jüdischen Gemeinden Italiens


„In unserer Erinnerung bleibt Ihre noble Rede vom Februar letzten Jahres, als Sie die Worte von Johannes Paul II. aufgriffen und den Herrn um Verzeihung baten für alle Ungerechtigkeiten, die das jüdische Volk hat erleiden müssen. Sie haben sich auch für eine „echte Brüderlichkeit mit dem Volk des Bundes“ eingesetzt. Ich erlaube mir, an Ihre Worte zu erinnern, weil heute hier bei uns einige Personen in vorgerücktem Alter sind..., die 1943 und 1944 in die Nazi-Vernichtungslager deportiert wurden und zu den wenigen gehören, denen das Überleben gelang. Ich glaube, dass sie, die die Hölle der Lager erlebt haben, die wahren Adressaten dieser Worte sind, die Sie gesprochen haben...“
    Shemuel Riccardo Di Segni, römischer Oberrabbiner


„24 Jahre sind vergangen seit dem historischen und unvergesslichen Besuch von Papst Johannes Paul II. in dieser Synagoge. Damals wurde er dringend um Anerkennung des Staates Israel gebeten, was er wenige Jahre später auch vollzogen hat. Das war ein weiteres Zeichen für neue, reifere Zeiten...
Bei seinem Besuch in dieser Synagoge hat Papst Johannes Paul unsere Beziehung als die von Brüdern bezeichnet. Im Buch Genesis gibt es viele Brüdergeschichten; die erste ist die von Kain und Abel, sie geht übel aus... Wenn wir Brüder sind, dann müssen wir uns ehrlich fragen: An welchem Punkt stehen wir auf unserem Weg, und wie viel trennt uns noch von einem echten Verhältnis der Brüderlichkeit und des Verständnisses? Was müssen wir tun, um dahin zu kommen?
Trotz einer dramatischen Geschichte, trotz offener Probleme und Unverständnis sollten wir unsere Gemeinsamkeiten und unsere gemeinsamen Ziele herausstreichen! Das Bild des Respekts und der Freundschaft, das aus diesem Treffen hervorgeht, sollte ein Beispiel sein für alle, die uns beobachten... Juden, Christen und Moslems haben eine gemeinsame Verantwortung für den Frieden. Wir beten von dieser Synagoge aus um diesen universellen Frieden, von dem Jesaja für Jerusalem spricht.“
(rv 18.01.2010 sk)







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