Papst Benedikt XVI.
hat in seiner Rede in der römischen Synagoge deutlich gemacht, wie wichtig ihm die
Beziehungen zum Judentum sind. Eine ausgewogene, sehr diplomatisch klingende Ansprache
– hier sind die Kernsätze daraus.
„Ich bin voller lebhafter Herzlichkeit hier
unter euch, um euch die Wertschätzung und die Zuneigung des Bischofs und der Kirche
von Rom wie überhaupt der ganzen katholischen Kirche allen jüdischen Gemeinden weltweit
zu bezeugen.
Die Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils war für die Katholiken
ein fester Bezugspunkt, auf den man sich in der Haltung und den Beziehungen zum jüdischen
Volk ständig orientieren kann. Es bedeutete eine neue, wichtige Etappe. Das Konzil
hat entscheidend zu dem Entschluss beigetragen, einen unwiderruflichen Weg des Dialogs,
der Brüderlichkeit und der Freundschaft einzuschlagen – einen Weg, der sich in diesen
vierzig Jahren vertieft und entwickelt hat.
Die Kirche hat es auch nicht versäumt,
die Versäumnisse ihrer Mitglieder zu beklagen und für alles um Verzeihung zu bitten,
was in irgendeiner Weise den Wunden des Antisemitismus und des Antijudaismus hat Vorschub
leisten können. Mögen diese Wunden für immer heilen!
Das einzigartige und erschütternde
Drama der Shoah bedeutet gewissermaßen den Höhepunkt eines Weges des Hasses, der entsteht,
wenn der Mensch seinen Schöpfer vergißt und sich selbst in den Mittelpunkt des Universums
stellt... Die Machthaber des Dritten Reiches wollten das jüdische Volk in seiner Gesamtheit
ausrotten und damit letztlich auch diesen Gott töten, der einst Abraham berufen hatte...
Wie
könnte ich hier nicht an die römischen Juden erinnern, die aus diesen Häusern gerissen
und grausam in Auschwitz ermordet wurden? Wie könnte man ihre Gesichter, ihre Namen,
die Tränen, all die Verzweiflung vergessen? Die Vernichtung des Volkes des mosaischen
Bundes ... erreichte in diesen Tagen tragischerweise auch Rom. Leider blieben viele
gleichgültig – aber viele, auch unter Italiens Katholiken..., haben doch mutig reagiert
und die Arme geöffnet, um Juden zu helfen, wobei sie oft ihr eigenes Leben riskiert
haben. Sie verdienen ein ewiges Gedächtnis! Auch der Heilige Stuhl leistete damals
ein Werk der Hilfe, oft verborgen und diskret.
Unsere Nähe und geistliche Bruderschaft
finden in der Heiligen Schrift ihr solidestes, ewiges Fundament. Wir teilen gemeinsame
Wurzeln ... und ein reiches geistliches Erbe. Die Kirche, Gottesvolk des Neuen Bundes,
entdeckt ihr enges Band zu den Juden, wenn sie ihr eigenes Geheimnis betrachtet...
Im Unterschied zu den anderen nicht-christlichen Religionen stellt der jüdische Glaube
schon eine Antwort dar auf die Offenbarung Gottes im Alten Bund... Die Gaben und der
Ruf Gottes sind unwiderruflich!
Aus unserem gemeinsamen Erbe von Gesetz und
Propheten ergeben sich zahlreiche Implikationen. Ich will einige hervorheben: vor
allem die Solidarität, die die Kirche und das jüdische Volk in ihrer eigenen geistlichen
Identität aneinanderbindet. Sie drängt die Christen dazu, neuen Respekt für die jüdische
Interpretation des Alten Testaments zu zeigen. Dann die zentrale Bedeutung der Zehn
Gebote, des „Zehnworts“ als gemeinsame ethische Botschaft von ewiger Gültigkeit für
Israel, die Kirche, die Nichtglaubenden und die ganze Menschheit. Und schließlich
der Einsatz für das Reich des Höchsten in der Sorge für die Schöpfung, die Gott dem
Menschen anvertraut hat, damit er sie verantwortlich hüte und pflege.
Mose
und Jesus lehren übereinstimmend, dass alle Gebote zusammengefaßt werden in der Liebe
zu Gott und der Barmherzigkeit dem Nächsten gegenüber... Christen und Juden kennen
sich oft nicht gut genug. Wir sollten ... dafür eintreten, dass der Raum des Dialogs,
des Respekts, der Freundschaft ... zwischen uns immer offen bleibt.
Ich erbitte
vom Herrn das wertvolle Geschenk des Friedens in der ganzen Welt, vor allem im Heiligen
Land. Möge er unsere Freundschaft stärken und unsere Eintracht noch enger machen!“