Fachmann zum Synagogenbesuch: „Ein wichtiges Zeichen“
„Mögen die Wunden
des Antisemitismus für immer heilen“. Mit diesen Worten erinnerte Papst Benedikt XVI.
bei seinem Besuch in der römischen Synagoge an die Judenverfolgung während der deutschen
Besatzung. Zum Gedenken an die Holocaustopfer der jüdischen Gemeinde Roms legte das
katholische Kirchenoberhaupt vor Betreten der Synagoge einen Kranz nieder. Während
der Präsident der jüdischen Gemeinde in seiner Rede an die noch offenen Fragen bei
der römischen Judenverfolgung erinnerte, betonte der Papst seinerseits auch den „verborgenen
und diskreten“ Einsatz des Heiligen Stuhls für die Rettung vieler Juden. Auf die Polemik
um Pius XII. ging der deutsche Papst nicht weiter ein – das war für einige seiner
Zuhörer, darunter auch viele jüdische Holocaust-Überlebende, eine Enttäuschung. Das
meint der Jesuitenpater Christian Rutishauser von der Päpstlichen Hochschule Gregoriana
in Rom. Im Gespräch mit dem Kölner Domradio beschreibt er die Reaktionen der jüdischen
Gemeinde.
„Da es von Papstseite in diesem Sinne keine Selbstkritik und
keine Problematisierung der Situation gab, hat das doch sehr viele Leute enttäuscht.
Heute morgen ist in verschiedenen Zeitungen immer wieder dieser Punkt herausgehoben
worden, dass es gerade in der Angelegenheit Pius XII. wirklich erwartet worden wäre,
dass ein Wort gesagt wurde – es geht nicht um eine große Entschuldigung, aber um eine
Problematisierung. Gestern in der Synagoge war dies der einzige Augenblick während
der ganzen Veranstaltung, bei dem einige Leute den Kopf schüttelten, als der Papst
dies gesagt hat. Sonst bekam er Applaus für die ganze Rede, aber an dieser Stelle
war eindeutig auch ein Unbehagen zu spüren bei den Anwesenden.“
Die Kritik
von jüdischer Seite richtete sich vor allem auf die noch teilweise verschlossenen
Archive zu Papst Pius XII. Auch hier hätten sich manche Juden von Benedikt klarere
Worte versprochen. Rutishauser:
„Ich denke, das ist Benedikts Interpretation
der Shoah: Dass sie eine große Verblendung der säkularen Gesellschaft war, bei der
die katholische Kirche auch Opfer gewesen ist, so wie die Juden. Von daher hat sich
Papst Pius XII. wohl sehr zurückgehalten. Das hat der Papst auch während der Rede
gestern wieder verteidigt. Und da ist natürlich schade, dass er da nicht einfach sagt:
Die Frage ist noch strittig, die Archive sind noch nicht alle zugänglich geworden
für die ganze Gesellschaft. Und da hätte er sehr gut auch ein selbstkritisches Wort
sagen können. Und das wäre auch sehr gut aufgenommen worden. Das ist ein schwieriger
Punkt gewesen gestern während der Rede.“
Im interreligiösen Dialog zwischen
katholischer Kirche und dem Judentum sei Benedikts Besuch in der römischen Synagoge
aber ohne Zweifel ein „wichtiges Zeichen“, betont Rutishauser. Nach der „Pionierarbeit“
Johannes Pauls II. sei Benedikts Aufgabe, solide Dialogarbeit zu leisten. Rutishauser:
„Der Besuch an sich ist ganz, ganz wichtig, damit klar wird, dass das,
was Johannes Paul II. begonnen hat, nicht nur das persönliche Anliegen dieses Papstes
war. Sondern dass Benedikt das aufnimmt. Er hat in seiner Rede ja auch die Theologie
seines Vorgängers bestätigt. Somit ist das ein ganz wichtiges Zeichen des Vatikans
und der Päpste gegenüber dem jüdischen Volk. Johannes Paul II. hat Pionierarbeit geleistet,
jetzt ist die Aufgabe von Benedikt, zu konsolidieren. Das hat er in großen Teilen
getan, er hat aber auch nichts Neues gesagt im theologischen Bereich bei dieser historischen
Frage von Pius XII. Das ist die aktuell strittige Frage – in diesem Punkt hat er sicher
enttäuscht.“