Papst Benedikt
XVI. hat die Synagoge von Rom besucht. An diesem Sonntagabend stellte er sich
in dem jüdischen Gebetshaus am Tiberufer deutlich hinter die Dialog-Initiativen seiner
Vorgänger. Als einen Höhepunkt für den jüdisch-katholischen Dialog bezeichnete er
den Besuch von Johannes Paul II. in der römischen Synagoge 1986. Papst Benedikt selbst
hatte seine Verbundenheit mit dem "Volk des Bundes" seit seinem Amtsbeginn immer wieder
bekundet. Ausdrücklich verwies er auf seine Besuche im Heiligen Land sowie in den
Synagogen von Köln und New York. Sein Appell, den Weg der Aussöhnung und des Dialogs
trotz aller Irritationen fortzusetzen, galt Christen und Juden gleichermaßen. „Es
liegt an uns, in Antwort auf den Ruf Gottes dafür zu arbeiten, dass immer Raum für
Dialog, für gegenseitigen Respekt, für wachsende Freundschaft und gemeinsames Zeugnis
gegenüber den Herausforderungen unserer Zeit bleibt“, so der Papst wörtlich. Die Lehren
des Zweiten Vatikanischen Konzils seien dafür „ein fester Bezugspunkt“, versicherte
er. Die Neuorientierung der katholischen Kirche im Konzil sei unwiderruflich. Mit
Nachdruck unterstrich er die Gemeinsamkeiten beider Religionen. Das ethische Grundgesetz
der „Zehn Gebote“ eine Juden und Christen und mache die Besonderheit ihrer Beziehungen
aus. Beide Religionen müssten sich daher miteinander für die Achtung und Bedeutung
Gottes in einer Welt einsetzen, die das Übernatürliche oft für überflüssig halte und
sich neue Götter schaffe. Der Dekalog verpflichte Juden und Christen außerdem zum
Schutz der Familie und zur tatkräftigen Solidarität mit Armen, Kranken, Fremden, Frauen,
Kindern, Schwachen und Bedürftigen.
Starke Sicherheitsvorkehrungen Der
Papstbesuch fand unter starken Sicherheitsvorkehrungen statt. Vor dem Betreten der
Synagoge legte Benedikt, der u.a. vom deutschen Kurienkardinal Walter Kasper
begleitet wurde, im römischen Ghetto einen Kranz nieder für die Menschen, die von
hier aus in die Nazi-Vernichtungslager abtransportiert wurden. Immer wieder kam es
während des Papstbesuchs bei der ältesten jüdischen Gemeinde des Westens zu spontanem
Beifall, zu Tränen und Emotionen. Beobachter sprachen schon im Vorfeld von einem „historischen
Besuch“, der allerdings auch von Polemiken begleitet war. Auch öffentlich wurde der
Papst in der Synagoge auf das jüdische Unbehagen angesprochen, das den Seligsprechungsprozess
für Papst Pius XII. betrifft.
Pacifici forderte Archiv-Öffnung Gemeinde-Präsident
Riccardo Pacifici forderte eine Öffnung der Vatikan-Archive zur Zeit des Zweiten
Weltkriegs und äußerte Respekt auch denen gegenüber, die diesem Papstbesuch ferngeblieben
waren. Das gilt etwa für den Präsidenten der Italienischen Rabbinerkonferenz, Giuseppe
Laras. Pacifici wörtlich: „Das Schweigen von Pius XII. zur Shoah schmerzt auch
heute als versäumte Tat. Vielleicht hätte er nicht die Todeszüge stoppen können, aber
er hätte diesen unseren Brüdern, die zu den Schornsteinen von Auschwitz transportiert
wurden, ein Signal, ein Wort der Bestärkung, der menschlichen Solidarität sagen sollen.“
Der Gemeinde-Präsident dankte aber auch den christlichen Konventen, die römische Juden
vor den Nazis versteckt gehalten hätten, und begrüßte anwesende Ordensschwestern.
Gemeinsam müssten Christen und Juden gegen Fremdenfeindlichkeit und gegen Vorurteile
vorgehen. Pacifici betonte, dass es heute bestimmte Staaten gebe, die die Zerstörung
des Staates Israel wollten, denen es um eine kulturelle und auch physische Auslöschung
gehe. Es gelte daher, sich mit den moderaten Kräften des Islam, die den Koran als
Buch der Brüderlichkeit verstünden und das Leben achteten, zu solidarisieren.
Di
Segni verwies auf Frucht des Zweiten Vatikanums Der römische Oberrabbiner
Riccardo Di Segni wies darauf hin, dass der neuere Dialog mit dem Judentum
eine Frucht des Zweiten Vatikanischen Konzils sei. Das Konzil dürfe nicht in Frage
gestellt werden, meinte er mit einer deutlichen Anspielung auf die Piusbruderschaft.
Allerdings hätten Juden und Christen trotz einer dramatischen Geschichte und Unverständnissen
gemeinsame Visionen. Konkret nannte er den Einsatz für die Umwelt sowie das gemeinsame
Engagement für Freiheit, Gerechtigkeit und die Menschenwürde als Betätigungsfeld.
Als grundlegend und unverzichtbar für das Judentum bezeichnete Di Segni den Staat
Israel, dessen Zusage sich auf die Bibel stütze. Es sei nicht nur das „Heilige Land“,
sondern "das Land dessen, der heilig ist". Aus Jerusalem waren der Lateinische Patriarch
Fouad Twal und Israels Vize-Regierungschef Silvan Shalom zum Synagogenbesuch
des Papstes angereist.
Auch islamische Vertreter und Holocaust-Überlebende
dabei An dem Ereignis in der Synagoge nahmen aber auch islamische Gäste
und viele Überlebende des Holocaust teil. Papst Benedikt hob in seiner Ansprache die
Einzigartigkeit des Holocaust hervor. Die Shoah sei ein „einzigartiges Drama gewesen,
ein Gipfelpunkt des Hasses“, so der Papst wörtlich. Die geplante Ausrottung des jüdischen
Volkes durch die Nazis habe damals auf tragische Weise auch Rom erreicht. Jeder Antisemitismus
sei scharf zu verurteilen. „Christen und Juden haben einen großen Teil ihres geistigen
Erbes gemeinsam, sie beten zum gleichen Gott, haben dieselben Wurzeln und bleiben
sich trotzdem gegenseitig fremd." Papst Benedikt entschuldigte sich für das Fehlverhalten
von Christen gegenüber jüdischen Mitbürgern. „Leider blieben viele gleichgültig.“
Aber viele, darunter auch italienische Katholiken, hätten mutig reagiert und unter
Einsatz des eigenen Lebens Juden versteckt und gerettet. Weiter lobte der Papst auch
die Initiativen des Vatikans zur Judenrettung in Zeiten des Holocaust. „Auch der Heilige
Stuhl entfaltete eine Hilfsaktion, oft im Verborgenen und diskret“, erinnerte der
Papst. Auf die Polemik um Pius XII. ging der Papst aus Deutschland nicht ein. Wie
sein Vorgänger Johannes Paul II., der 1986 als erster Papst der Neuzeit die römische
Synagoge besucht hatte, schloss auch Benedikt seine Ansprache mit einem Psalm-Zitat
in hebräischer Sprache.