In Prag schaut man gespannt nach Rom. Dort soll Papst Benedikt XVI. in diesen Tagen
einen Nachfolger von Kardinal Miloslav Vlk ernennen. Seit 1991 ist der 77-jährige
Erzbischof des größten tschechischen Bistums. Wie wenige andere war er dabei eine
treibende und auch mahnende Stimme in der tschechischen Kirche, gerade in der Zeit
nach dem Ende des Kommunismus. Im Gespräch mit Dominik Skala zieht er eine Bilanz
seiner Amtszeit und spricht über die Herausforderungen, vor denen sein Nachfolger
steht.
Die Situation der Kirche in Tschechien bleibt auch zwanzig Jahre nach
der politischen Wende schwierig, sagt uns Kardinal Vlk. Der Erzbischof selbst hatte
unter der kommunistischen Herrschaft zu leiden. Weil es ihm verboten war, als Priester
zu wirken, musste er unter anderem acht Jahre lang als Fensterputzer arbeiten. Nach
hoffnungsvollen Jahren der Zusammenarbeit zwischen Staat und Kirche in den Wendejahren
scheint er heute aber fast ein wenig ernüchtert. Aber nicht nur Entwicklungen im Verhältnis
von Kirche und Staat bleiben für Kardinal Vlk eine Herausforderung. Sorge bereitet
ihm auch die Situation der Kirche selbst. Auch sie habe vor großen Umbrüchen gestanden,
die noch immer nicht abgeschlossen seien. „Was aber das Schwierigste
war, war die alte Mentalität der Glaubenden, die im Kommunismus sehr stagnierte, in
eine neue Mentalität des aktiven Glaubens zu verwandeln. Der Prozess der Erneuerung
läuft immer noch. Wir haben einen großen Mangel an Priestern. In der ganzen Republik
sind ca. neunzig polnische Priester tätig. Es gibt sehr wenige Priesterberufungen,
aber mehrere verheiratete Diakone. Und in den Pfarreien helfen viele pastorale Assistentinnen
und Assistenten. Das größte Problem ist es aber, die Mentalität der Glaubenden,
ihr traditionelles Selbstbild zu ändern, damit sie mehr den neuen Aufgaben der Evangelisierung
in der säkularisierten Welt gerecht werden. Also sich nicht nur um sich selbst zu
kümmern, sich selbst zu retten. Die Öffnung nach außen, die fehlt noch.“
Diese
Öffnung, so Kardinal Vlk, sei die einzige Möglichkeit, ins Gespräch zu kommen und
die Kirche und ihre Anliegen dialogfähig zu machen.
„Die Leute haben gegenüber
uns Vorurteile und wir müssen sie durch diese Öffnung, das Gespräch, den Dialog entfernen
und so auch das politische Klima zu verbessern. Und wenn diese Öffnung, also das Vertrauen
kommt, kann man auch über die geistlichen Themen sprechen.“
Hoffnungsvoll
stimmen den Kardinal die Reaktionen auf den Besuch Papst Benedikts im letzten Herbst.
Nach den Besuchen von Papst Johannes Paul sei bereits zum dritten Mal ein Papst zu
Gast in Tschechien gewesen. Die Reaktionen seien auch für ihn so nicht absehbar gewesen.
„Der
Besuch des Papstes war fast wie ein Wunder, das haben alle gesagt. Der Papst wurde
vom Klima unserer Gesellschaft überrascht. In einer Republik, die für sehr säkularisiert
gehalten wird. Der Papst wurde überall sehr positiv empfangen. Nicht nur von den Gläubigen,
sondern auch von der Gesellschaft, von den Politikern. Die Medien hatten einen überraschend
großen Dienst der Kirche geleistet. Der Papst hat sehr positive Spuren hinterlassen
und der Besuch hat sicherlich das Image der Kirche verbessert. Für uns als Kirche
war es also ein großes Geschenk. Ich spüre, dass die Gesellschaft in einer anderen
Weise annimmt.“
Mit seiner Ablösung durch einen Nachfolger rechnet der
Prager Kardinal in diesen Tagen. Genaueres wisse aber auch er noch nicht.
„Ich
bereite mich vor, das Palais zu leeren, weil ich spüre, dass es nicht gut ist, hinter
dem Rücken des Nachfolgers noch zu räumen. Und man bereitet mir schon eine Wohnung
vor nicht weit von hier, in einem Haus der Kanoniker. Schritt für Schritt ziehe ich
um.“