2010-01-15 13:44:17

Kardinal Vlk - das exklusive Interview


In Prag schaut man gespannt nach Rom. Dort soll Papst Benedikt XVI. in diesen Tagen einen Nachfolger von Kardinal Miloslav Vlk ernennen. Seit 1991 ist der 77-jährige Erzbischof des größten tschechischen Bistums. Wie wenige andere war er dabei eine treibende und auch mahnende Stimme in der tschechischen Kirche, gerade in der Zeit nach dem Ende des Kommunismus. Im Gespräch mit Dominik Skala zieht er eine Bilanz seiner Amtszeit und spricht über die Herausforderungen, vor denen sein Nachfolger steht.

Die Situation der Kirche in Tschechien bleibt auch zwanzig Jahre nach der politischen Wende schwierig, sagt uns Kardinal Vlk. Der Erzbischof selbst hatte unter der kommunistischen Herrschaft zu leiden. Weil es ihm verboten war, als Priester zu wirken, musste er unter anderem acht Jahre lang als Fensterputzer arbeiten. Nach hoffnungsvollen Jahren der Zusammenarbeit zwischen Staat und Kirche in den Wendejahren scheint er heute aber fast ein wenig ernüchtert. Aber nicht nur Entwicklungen im Verhältnis von Kirche und Staat bleiben für Kardinal Vlk eine Herausforderung. Sorge bereitet ihm auch die Situation der Kirche selbst. Auch sie habe vor großen Umbrüchen gestanden, die noch immer nicht abgeschlossen seien.
 
„Was aber das Schwierigste war, war die alte Mentalität der Glaubenden, die im Kommunismus sehr stagnierte, in eine neue Mentalität des aktiven Glaubens zu verwandeln. Der Prozess der Erneuerung läuft immer noch. Wir haben einen großen Mangel an Priestern. In der ganzen Republik sind ca. neunzig polnische Priester tätig. Es gibt sehr wenige Priesterberufungen, aber mehrere verheiratete Diakone. Und in den Pfarreien helfen viele pastorale Assistentinnen und Assistenten.
Das größte Problem ist es aber, die Mentalität der Glaubenden, ihr traditionelles Selbstbild zu ändern, damit sie mehr den neuen Aufgaben der Evangelisierung in der säkularisierten Welt gerecht werden. Also sich nicht nur um sich selbst zu kümmern, sich selbst zu retten. Die Öffnung nach außen, die fehlt noch.“

 
Diese Öffnung, so Kardinal Vlk, sei die einzige Möglichkeit, ins Gespräch zu kommen und die Kirche und ihre Anliegen dialogfähig zu machen.

„Die Leute haben gegenüber uns Vorurteile und wir müssen sie durch diese Öffnung, das Gespräch, den Dialog entfernen und so auch das politische Klima zu verbessern. Und wenn diese Öffnung, also das Vertrauen kommt, kann man auch über die geistlichen Themen sprechen.“

Hoffnungsvoll stimmen den Kardinal die Reaktionen auf den Besuch Papst Benedikts im letzten Herbst. Nach den Besuchen von Papst Johannes Paul sei bereits zum dritten Mal ein Papst zu Gast in Tschechien gewesen. Die Reaktionen seien auch für ihn so nicht absehbar gewesen.

„Der Besuch des Papstes war fast wie ein Wunder, das haben alle gesagt. Der Papst wurde vom Klima unserer Gesellschaft überrascht. In einer Republik, die für sehr säkularisiert gehalten wird. Der Papst wurde überall sehr positiv empfangen. Nicht nur von den Gläubigen, sondern auch von der Gesellschaft, von den Politikern. Die Medien hatten einen überraschend großen Dienst der Kirche geleistet. Der Papst hat sehr positive Spuren hinterlassen und der Besuch hat sicherlich das Image der Kirche verbessert. Für uns als Kirche war es also ein großes Geschenk. Ich spüre, dass die Gesellschaft in einer anderen Weise annimmt.“

Mit seiner Ablösung durch einen Nachfolger rechnet der Prager Kardinal in diesen Tagen. Genaueres wisse aber auch er noch nicht.

„Ich bereite mich vor, das Palais zu leeren, weil ich spüre, dass es nicht gut ist, hinter dem Rücken des Nachfolgers noch zu räumen. Und man bereitet mir schon eine Wohnung vor nicht weit von hier, in einem Haus der Kanoniker. Schritt für Schritt ziehe ich um.“

 
(rv 14.01.2010 ds)
 







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