„Die Iraner sind aufgewacht.“
So beschreibt der in Berlin lebende Filmemacher Ayat Najafi die erstarkende Oppositionsbewegung
in seinem Land. Die so genannte „grüne Bewegung“ rund um den Reformer Mir Hossein
Mussawi, den Gegner von Präsident Mahmud Ahmadinedschad, ist seit dem umstrittenen
Ausgang der Präsidentschaftswahlen im Juni 2009 nicht verstummt. Viele der wütenden
jungen Frauen und Männer, die in den letzten Monaten immer wieder auf die Straße gingen,
sind die Kinder der Revolutionäre von 1979. Najafi:
„Alle Leute sind jetzt
aufgewachsen mit dieser Bewegung. Ich habe das Gefühl, dass die Gesellschaft im Iran
aufgewacht ist. Die Leute wissen viel mehr über Menschenrechte und Demokratie. Jetzt
ist der Diskurs im Land viel interessanter als vorher. Als ich noch im Iran war, hatten
die Leute keine Lust, über Politik und solche Sachen zu reden. Alle sagten, wir machen
nur unser Privatleben. Aber jetzt sind sie in der Öffentlichkeit und wollen die Grundrechte
erhalten.“
Als das Regime brutal gegen die Demonstrationen vorging, fieberte
Najafi über das Internet mit. Er beschreibt diese Zeit als „bisher schwerste“ in seinem
ganzen Leben. Viele seiner Freunde, darunter auch manche Christen, landeten im Gefängnis
oder wurden verschleppt. Verhaftungen, Folter und Tote konnten den Widerstand der
Opposition aber nicht brechen. Doch ist die grüne Bewegung stark genug, um real etwas
zu verändern? Najafi ist da vorsichtig.
„Die grüne Bewegung ist mehr eine
soziale, alltägliche Bewegung als eine politische. Eine Bewegung für Menschenrechte
und Demokratie. Sie ist in der Ideologie und von der Menge der Menschen her stark
genug, aber nicht wirtschaftlich gesehen. Die Regierung ist so brutal, die Menschen
haben keine Waffen gegen sie.“
Radikale Reformen oder offene Diktatur –
im Iran geht es jetzt ums Ganze, denn zur Halbdemokratie der islamischen Republik
gibt es kein Zurück mehr. Gewaltanwendung von Seiten der Oppositionellen wäre aber
kontraproduktiv, warnt Najafi.
„Es ist wichtig, dass diese Bewegung nicht
gewalttätig wird. Die Regierung will, dass die Leute brutal werden. Aber es ist wichtig,
dass diese Bewegung friedlich bleibt.“
Die Opposition speist sich vor allem
aus der jungen Bevölkerung des Landes – rund 70 Prozent der Iraner sind unter 30.
Vor allem sei Universität zur Zielscheibe der Revolutionswächter geworden, gibt Najafi
an. In diesem Zusammenhang sieht er auch den jüngsten Mord am Teheraner Wissenschaftler
Massud Ali-Mohammadi. Dieser wurde am vergangenen Dienstag auf dem Weg zur Arbeit
bei einem Bombenanschlag getötet. Die iranische Regierung gab an, er sei „ausländischen
Terroristen“ zum Opfer gefallen.
„Die Regierung hat das selber gemacht.
Er war kein Atomwissenschaftler, sondern ein Physiker. Er hat nichts mit Nukleartechnik
zu tun, das ist eine Lüge des Regimes. Außerdem war er ein Unterstützer von Mussawi,
er hat sehr die grüne Bewegung unterstützt und viel mit den Studenten geredet. Die
Regierung hat dagegen behauptet, er sei ein Atomwissenschaftler und die USA oder Israel
hätten dieses Attentat begangen. Eine absolute Lüge!“
Nach Najafis Kenntnis
hatte der Ermordete nichts mit dem Teheraner Atomprogramm zu tun. Er hatte vor den
letzten Präsidentenwahlen einen Aufruf der Opposition mitunterschrieben und nach der
Wahl an Protestdemonstrationen teilgenommen. Deshalb sei er ins Visier des Regimes
geraten.
„Vor 10 Tagen oder einer Woche gab es einen Brief von ein Paar
Uniprofessoren an Chamenei. Sie fragten dort: Warum gibt es Gewalt gegen die Universität?
Deswegen vermute ich, dass die Revolutionswächter, die jetzt die Macht haben, ihn
umbringen wollten - als Signal für andere oppositionelle Bewegungen. Vielleicht auch
als Signal an andere Professoren. Denn inzwischen ist die Universitätsbewegung die
stärkste.. Seine Stimme war in dieser Woche im Internet zu hören - da konnte man hören,
was er meinte. Dieses Video wurde aber direkt zensiert...“
Aufgrund der
schweren Menschenrechtsverletzungen und der Fortführung des Atomprogramms droht dem
Iran die internationale Isolation. Die Menschen dürften in ihrem Kampf für echte Demokratie
aber nicht alleine gelassen werden, betont Ayat Najafi. Von der internationalen Gemeinschaft
wünscht Najafi sich Zeichen der Solidarität und Besuche vor Ort. Zum Beispiel auch
vom Papst:
„Es muss Sanktionen gegen die Regierung geben, nicht im Bereich
Atomenergie, sondern bezogen auf die Menschenrechtsfragen. Zum Beispiel sollten die
Vereinten Nationen jemanden in den Iran schicken. Es gibt so viel Folter in den iranischen
Gefängnissen, manche Leute sind da gestorben. Darüber müssen internationale Organisationen
recherchieren, sie müssen mit den Leuten und der Opposition sprechen. Ban Ki Moon
kann zum Beispiel selber in das Land reisen. Niemand kann ihn verhaften. Shirin Ebadi
hat ihn oft gebeten, dass er kommen soll. Auch der neue EU-Präsident sollte kommen.
Und auch der Papst! Es wäre toll, wenn Benedikt selber in den Iran reisen und mit
den Leuten sprechen würde.“