30 Jahre ist es jetzt
her, da gründeten sich in Karlsruhe die „Grünen“. Für viele waren die teils unkonventionell
auftretenden, oft jungen Menschen so ziemlich das genaue Gegenteil von dem, was man
sich unter seriösen Politikern vorstellte. Auch innerhalb der Kirche tat man sich
am Anfang durchaus schwer mit der neuen Bewegung. Inzwischen hat sich das etwas geändert.
Josef Winkler, kirchenpolitischer Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, hat sich
mit Dominik Skala unterhalten und über eine kämpferische Vergangenheit und erfreuliche
Annäherungen gesprochen.
Die Grünen und die katholische Kirche: Das sah am
Anfang nach einer fast lebenslangen Feindschaft aus. Auf allen Ebenen nahm die Kirche
die neue Partei unter Beschuss. Kardinal Höffner bezeichnete im Jahr 1986 das Tischtuch
zwischen Grünen und Katholischer Kirche als „zerschnitten“ und erklärte die Partei
für „nicht wählbar“. Und auch das Zentralkommitee der deutschen Katholiken zögerte
nicht, die Grünen von Katholikentagen auszuladen. Mittlerweile hat sich einiges getan.
Das habe aber viel Arbeit gekostet, erzählt uns Josef Winkler, kirchenpolitischer
Sprecher der Bundestagsfraktion. „Dazu beigetragen hat natürlich einerseits
die programmatische Weiterentwicklung der Grünen, zum anderen aber auch, dass die
katholische Kirche festgestellt hat: So schlimm, wie man vielleicht anfänglich gedacht
hat, sind die Grünen dann doch nicht. Denn in vielen bioethischen Fragen ist man ja
durchaus einer Meinung. Und es bleiben eben auch in bestimmten inhaltlichen Fragen
wie zum Beispiel der Rechte von Homosexuellen oder der Frage des Abtreibungsrechts
Differenzen bestehen, die man kritisch miteinander diskutiert. Ich denke aber, es
ist ein konstruktives Miteinander geworden und das freut mich.“ Schon seit
einigen Jahren gebe es regelmäßige Treffen zwischen dem Parteivorstand der Grünen
und Vertretern der deutschen Bischofskonferenz. Auch außerhalb dieser Gespräche sei
es heute glücklicherweise kein Problem mehr, einen Termin bei einem Bischof zu bekommen,
sagt Winkler, der auch seit 2008 im Zentralkommitee der deutschen Katholiken sitzt.
Man sei sich bleibender Differenzen bewusst. Beispielsweise habe man in der Abtreibungsfrage
sicherlich viele Katholiken verletzt. Aber vieles Programmatische verbinde eben auch.
„Wir haben im Bereich der Stammzellforschung, der Frage nach dem Umgang mit
dem Beginn des menschlichen Lebens eine tiefe Übereinstimmung, die wir zum Beispiel
in der protestantischen Kirchenleitung vermissen. Sei es im Bereich der Ausländerpolitik
oder im Bezug auf die Rechte von illegal in Deutschland lebenden Menschen. Sei es
die Entwicklungszusammenarbeit, die Bewahrung der Schöpfung, die für mich zum Beispiel
der Grund war, zu den Grünen zu gehen als Umweltpartei. Das sind Übereinstimmungen,
die wir feststellen können und wo wir auch punktuell immer mit den entsprechenden
Ausschüssen der Bischofskonferenz oder des ZdK den Dialog suchen.“ Die Grüne
stehen, an ihren Wahlergebnissen gemessen, am Beginn des Jubiläums in der öffentlichen
Popularität gut da wie nie. Das kann man von der Kirche leider nicht immer behaupten.
Er wolle da keine Ratschläge erteilen, sagt Josef Winkler. Manchmal falle es aber
auch ihm schwer, kirchliche Positionen zu verstehen. „Es ist aber natürlich
so, dass ich persönlich es für ein Problem halte, dass der Papst die Lebenswirklichkeit
der Menschen zuweilen nicht ganz im Blick hat. Wenn es um die Empfängnisverhütung
geht, müssen wir doch ehrlich konstatieren, dass sich kaum ein Katholik in Deutschland
an das hält, was der Papst da als Dogma verkündet hat. Das ist natürlich eine Art
Dialogverweigerung, zu sagen: ‚Das ist Sünde’, aber es begeht sie eigentlich fast
jeder statistisch gesehen. Dass ist dann auch ein Problem, das Menschen dazu bringt,
sich von der Kirche zu entfernen.“ Auch die Debatte um die Piusbrüder im vergangenen
Jahr habe sicherlich einige Menschen zum Kirchenaustritt gebracht. Man müsse sich
schon überlegen, so Josef Winkler, ob man die Einheit der Kirche dadurch riskieren
wolle, dass man die Befindlichkeiten von vielen Katholiken außer Acht lasse. „Das
schmerzt natürlich auch, dass man, um solche verirrte Geister zurückzuholen, auf andere
Mitglieder der Kirche keine Rücksicht nimmt. Aber das ist ja sicherlich vom Papst
auch nicht gemeint gewesen. Aber es ist eben jetzt eingetreten und da sollte man dringend
drüber nachdenken, ob es nicht wirklich wichtiger ist, die Einheit der Kirche zu wahren
ohne die Piusbrüder – so viele sind es nun auch wieder nicht.“ Das Jubiläum
der Grünen wird in diesen Tagen groß begangen. Da freut man sich natürlich über Glückwünsche.
Aus dem Vatikan erwarte er zwar keine Grußworte, sagte uns Josef Winkler. Aber
in der deutschen Bischofskonferenz gibt es genügend Bischöfe – auch der Vorsitzende,
mit dem ich gerade letzte Woche erst gesprochen habe – die genau wissen, dass sie
mit uns in vielen Punkten einen Verbündeten haben und die deshalb uns sicherlich auch
gratulieren werden. Es wird auch Trennendes zwischen uns geben und es wird auch dabei
bleiben, wir werden unsere Haltung in bestimmten Punkten sicher nicht ändern, da sie
in unserem Grundsatzprogramm stehen. Aber, ich bin gespannt, welche Glückwünsche eintreffen
werden. (rv 15.01.2010 ds)