Johannes Paul II. in der römischen Synagoge - Ein historisches Ereignis
1986 – Rückblick auf
einen historischen Moment: Der erste Papstbesuch in einer Synagoge, Johannes Paul
II. zu Gast in der jüdischen Gemeinde von Rom. In seiner Ansprache hat das Kirchenoberhaupt
eindeutige Worte gefunden: Für die große Bedeutung des jüdisch-christlichen Dialogs,
für die Sensibilität, die der Dialog beiden Seiten abverlangt – und auch für die Schoa:
„Ein
Wort tiefer Verabscheuung möchte ich noch einmal zum Ausdruck bringen für den während
des letzten Krieges gegen das jüdische Volk beschlossenen Genozid, der zum Holocaust
von Millionen unschuldiger Opfer geführt hat. Als ich am 7. Juni 1979 das Lager von
Auschwitz besucht und mich zum Gebet für so viele Opfer verschiedener Nationen gesammelt
hatte, verweilte ich besonders vor der Gedenktafel mit der hebräischen Inschrift,
um damit meine inneren Gefühle auszudrücken: „Sie weckt das Andenken an das Volk,
dessen Söhne und Töchter zur totalen Ausrottung bestimmt waren. Dieses Volk führt
seinen Ursprung auf Abraham zurück, der der „Vater unseres Glaubens“ ist, wie Paulus
von Tarsus sich ausdrückte. Gerade dieses Volk, das von Gott das Gebot empfing: „Du
sollst nicht töten!“, hat an sich selbst in besonderem Ausmaß erfahren müssen, was
töten bedeutet. An diesem Gedenkstein darf niemand gleichgültig vorbeigehen“.“ Im
Zuge der nationalsozialistischen Rassenideologie habe auch die jüdische Gemeinde von
Rom einen „hohen Blutzoll“ zahlen müssen, so der Papst: „Und es ist sicher eine
bedeutungsvolle Geste gewesen, als sich in den dunklen Jahren der Rassenverfolgung
die Pforten unserer Ordenshäuser, unserer Kirchen, des Römischen Seminars, Gebäude
des Heiligen Stuhles und des Vatikanstaates selbst weit geöffnet haben, um so vielen
von ihren Verfolgern gehetzten Juden in Rom Zuflucht und Rettung zu bieten.“ Die
guten Beziehungen zwischen den beiden Religionsgemeinschaften müssten durch den jüdisch-katholischen
Dialog beständig gefestigt werden. In diesem Licht sei, wie der Papst betonte, sein
Synagogenbesuch zu sehen. Die Basis für den Dialog stelle die Konzilserklärung „Nostra
aetate“ zum Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen dar: „Auf
diesen Überzeugungen ruhen unsere gegenwärtigen Beziehungen. Anlässlich dieses Besuches
in eurer Synagoge möchte ich sie in ihrem bleibenden Wert neu bekräftigen und herausstellen.
Das ist in der Tat die Bedeutung, die man meinem Besuch bei euch, den Juden von Rom,
beimessen muss. Natürlich bin ich nicht deswegen zu euch gekommen, weil die Unterschiede
zwischen uns schon überwunden wären. Wir wissen gut, dass es nicht so ist. Jede unserer
Religionen will im vollen Bewusstsein der vielen Bande, die die eine mit der anderen
verbinden, und an erster Stelle jenes „Bandes“, von dem das Konzil spricht, vor allem
in der eigenen Identität anerkannt und geachtet sein, ohne jeden Synkretismus und
jede zweideutige Vereinnahmung.“ Und Johannes Paul II. verdeutlichte weiter: „Niemandem
entgeht, dass der anfängliche grundsätzliche Unterschied in der Zustimmung der Katholiken
zur Person und zur Lehre Jesu von Nazaret besteht, der ein Sohn eures Volkes ist,
aus dem auch die Jungfrau Maria, die Apostel — Fundament und Säulen der Kirche — und
die Mehrzahl der Gläubigen der ersten christlichen Gemeinde stammen. Aber diese Zustimmung
gehört dem Bereich des Glaubens an, das heißt der freien Zustimmung der Vernunft und
des Herzens, die vom Geist geleitet werden. Sie darf niemals in dem einen oder anderen
Sinn zum Gegenstand von äußerem Druck werden. Das ist der Grund dafür, worum wir bereit
sind, den Dialog unter uns in Loyalität und Freundschaft sowie in der Achtung vor
den inneren Überzeugungen der einen und der anderen zu vertiefen, indem wir die Elemente
der Offenbarung, die wir als „großes geistiges Erbe“ gemeinsam haben, als wesentliche
Grundlage nehmen.“ Diese große Gemeinsamkeit müsse auch in eine fruchtbare
Zusammenarbeit für gesellschaftliche Belange münden, so der Papst: „Es gibt
noch allgemeiner das moralische Problem, das große Feld der individuellen und sozialen
Ethik. Wir sind uns alle dessen bewusst, wie groß in diesem Punkt die Krise in unserer
heutigen Zeit ist. In einer Gesellschaft, die sich oft in Agnostizismus und Individualismus
verirrt hat und die bitteren Folgen von Egoismus und Gewalttätigkeit erleidet, sind
Juden und Christen Verwalter und Zeugen einer Ethik, die von den Zehn Geboten gekennzeichnet
ist, in deren Befolgung der Mensch seine Wahrheit und Freiheit findet. Eine gemeinsame
Besinnung und Zusammenarbeit in diesem Bereich zu fördern ist eines der großen Gebote
der Stunde.“ Und mit den Worten des Psalmisten, der Gott dafür dankt, dass
seine Huld ewig währt, schloss Papst Johannes Paul II. seine Ansprache in hebräischer
Sprache: „Hodû laAdonai ki tob ki le olam hasdo yomar-na Yisrael ki le olam
hasdo yomeru-na yir’è Adonai ki le olam hasdô.“ (rv 13.01.2010 vp)