2010-01-11 11:54:10

„Kirche muss humanen Umgang mit Guantánamo-Häftlingen einfordern“


RealAudioMP3 An diesem Montag jährt sich zum achten Mal der Tag, an dem auf der US-Basis Guantánamo auf Kuba ein Gefangenenlager für Terrorismusverdächtige in Betrieb genommen wurde. Das Lager steht bis heute als Symbol schlechthin für eine problematische, ja teilweise menschenverachtende Form der Terrorismusbekämpfung. Wolfgang Heinz ist beim Deutschen Institut für Menschenrechte für internationale Sicherheitspolitik zuständig und beschreibt die menschenrechtliche Problematik gegenüber Radio Vatikan:
„Für den internationalen Menschenrechtsschutz ist es auffällig, dass seit acht Jahren eine westliche Demokratie außerhalb ihrer Jurisdiktion und ihrem Staatsgebiet einen Ort schafft, an dem 750 Personen ohne Anklage oder Gerichtsverhandlung festgehalten wurden. Kennzeichnend war die absolute Geheimhaltung. Das heißt, viele Militärs und Geheimdienstleute haben über die Häftlinge in Guantánamo gesprochen, aber niemand von den Gefangenen selbst hat darüber gesprochen, was er erlebt hat oder wie seine Situation ist.“
Er bedauere die Dämonisierung der Gefangenen in den Medien weltweit, betont Heinz. Das verzerrte Bild der Guantánamo-Häftlinge habe auch den politischen Kurs Deutschlands in Sachen Guantánamo mitbestimmt und sorge nach wie vor für Vorbehalte. Aus „sicherheitstechnischen Gründen“ und auch, weil die Gefangenen keinen „Deutschlandbezug“ hätten, habe man ihre Aufnahme stets abgelehnt. Und das, obwohl unter den Insassen etwa 50 Häftlinge seien, gegen die nichts strafrechtlich Relevantes vorliege, die aber nicht in ihre Heimatländer zurück könnten, weil ihnen dort Verfolgung, Folter oder die Todesstrafe drohten, so der Menschenrechtler:
„Ich denke, dass es aus menschenrechtlicher Sicht zwar keine Rechtsverpflichtung gibt, Gefangene aufzunehmen. Aber dass es im humanitären Sinn sicherlich sehr sinnvoll wäre, möglichst viele Gefangene in unterschiedlichen Ländern aufzunehmen, damit Guantánamo endlich und bald geschlossen wird. Man muss dazu sagen, dass man am Anfang noch das Argument hatte: Wir nehmen selber keine Gefangenen auf, solange die USA selbst keine Gefangenen aufnimmt. Es sah ein bisschen danach aus, dass wir die Kastanien für die USA aus dem Feuer holen sollten. Das ist jetzt aber anders: Organisationen und Institutionen werden darauf vorbereitet, Guantánamo-Häftlinge aufzunehmen. Ich hoffe darum, dass es in Deutschland zu einem Politikwechsel kommt - der ist aber momentan nicht abzusehen.“
Aktuell habe sich die politische Lage um das Strafgefangenenlager weiter zugespitzt, erklärt Heinz:
„Der versuchte Bombenanschlag von Detroit stellt uns vor eine schwierige Situation. Die Planung wird auf Entwicklungen in Jemen zurückgeführt. Und als Konsequenz ist der Transfer von jemenitischen Gefangenen eingestellt worden. Das ist natürlich eine verquere Logik. Ich denke, hier sollte die Kirche sich dafür stark machen, diese beiden Dinge zu trennen. Natürlich muss man den Terrorismus bekämpfen. Aber trotzdem müssen die Gefangenen in Guantánamo aus ihrer rechtswidrigen und menschenrechtswidrigen Situation befreit werden!“
In einem solchen Engagement liege eine ganz grundsätzliche Aufgabe der Kirche, findet der Menschenrechtsexperte:
„Ich sehe die humanitäre Hilfe als einen wichtigen Geltungsbereich der Kirche, und zwar in einem ganz elementaren Sinn. Auch wenn diese Menschen Straftaten begangen haben, müssen sie human behandelt werden. Im Fall von Guantánamo haben wir es mit Personen zu tun, die niemals vor Gericht gestellt worden sind und kein faires Verfahren gesehen haben! Hier würde ich klar eine Rolle der Kirche sehen. Ich denke aber auch, dass es für die Kirche wichtig ist, an dieser Stelle nicht nur humanitär zu argumentieren, sondern auch völkerrechtlich und menschenrechtlich. Weil eben Regierungen in der Regel auf diese Argumente eher reagieren, als auf eine rein humanitäre Argumentation - deshalb sollte man diese Argumentationsstränge verbinden.“
(rv 11.01.2010 vp)








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