Ägypten: Wie Kopten Weihnachten feiern - gemeinsam mit Moslems
Ägyptens uralte christliche Gemeinschaft, die Kopten, haben wie viele andere christlichen
Kirchen das Weihnachtsfest noch vor sich – sie feiern es nach dem julianischen Kalender.
Immer wieder dringen beunruhigende Nachrichten über zunehmende Spannungen zwischen
Christen und Moslems in Ägypten zu uns. Allerdings: Es wird auch am Land im Nil nicht
so heiß gegessen wir gekocht. Ich habe mich mit Joachim Schrödel, Pfarrer der deutschsprachigen
Gemeinde in Kairo und seit einiger Zeit Träger des päpstlichen Ehrentitels „Monsignore“,
über das koptische Weihnachten unterhalten.
Die Kopten feiern sehr traditionell
am Gottesdienst orientiert. Man ist zusammen in den Kirchen und um Mitternacht beginnt
ein dreistündiger Gottesdienst, angefangen bei den großen Würdenträgern, etwa dem
117. Nachfolger des Heiligen Markus, Papst Schenuda III., bis hin zu Pfarrern in den
Gemeinden. Am Ende des Gottesdienstes ist man zusammen bis in die frühen Morgenstunden
hinein. Man isst und trinkt, da gibt es ganz interessante Parallelen zu den muslimischen
Festbräuchen, denn auch vor Weihnachten ist bei den Kopten Fasten angesagt: 43 Tage
Fastenzeit, die nun gebrochen werden dürfen durch Essen von Tierischem, was die ganze
Zeit über verboten war. Es ist nicht so ein Familienfest wie bei uns, sondern wirklich
ein Kirchenfest. Man weiß, Christus ist geboren, und das ist in der Liturgie präsent.
Weihnachten ist seit einigen Jahren in Ägypten auch ein staatlicher Feiertag.
Was machen denn die 90 Prozent Moslems an dem Tag? Ich sage einfach, sie feiern
mit! Am 17. Januar 2003 kam damals die überraschende Meldung, dass Präsident Hosni
Mubarak sowohl den Christen als auch den Muslimen eine Wohltat schenken wollte und
den 17 offiziellen Feiertagen in Ägypten noch einen 18. dazugetan hat, nämlich die
christliche Feier von Weihnachten. Damals gab es von muslimischer Seite hauptsächlich
Zustimmung, weil man sagte, nun, ein Feiertag ist nichts Schlechtes! Es gab aber auch
von ganz strengen Muslimen, die in Richtung der Muslimbrüder tendieren, die Anfrage,
müssen wir denn an diesem Tag frei machen. Aber das war wohl eher ironisch gemeint!
Die Muslime und die Christen feiern in der Tat gerne zusammen, so wie die muslimische
große Mehrheit hier die Christen zum Ramadan einlädt, so laden umgekehrt auch die
Christen die Muslime zu Weihnachten ein. Man sieht manchmal ganz berührende Szenen
unter dem Christbaum auch Muslime sitzen und miteinander als Ägypter diesen Tag begehen.
Ich glaube, man ist sich sehr bewusst hier, dass das Christentum die ältere Religion
ist, Ägypten ist ja das erste christianisierte Land der Welt, und viele Muslime, gerade
die ganz normal eingestellten, respektieren das und sagen, ja, 700 Jahre bevor wir
ankamen, gab es hier schon die Christen.
Das Kairoer Forum für Menschenrechte
veröffentlichte eine Dokumentation über die sich ständig verschlechternde Lage der
ägyptischen Christen in den letzten 50 Jahren. Sie hatten auch gerade die Muslimbrüder
angesprochen. Wie steht es aus Ihrer Sicht, als deutscher katholischer Pfarrer in
Kairo, mit der Lage der Christen in Ägypten: Geraten die Kopten tatsächlich immer
mehr ins Fadenkreuz? Ich würde formulieren, dass im gesamten Nahen Osten,
im arabischsprachigen Raum, die Menschenrechte in der Tat noch einzuklagen sind. Und
dass es immer wieder, aber gegenüber allen Religionen, zu Menschenrechtsverletzungen
kommt. Mir liegt der bericht des Cairo Institute für Human Rights vom Dezember 2008
vor, und darin wird neben anderen Ländern auch Ägypten genannt als Land, in dem sich
das noch nicht verbessert hat. Wir müssen natürlich klar sehen, dass hier in Ägypten
seit 21 Jahren Ausnahmezustand herrscht, seit der Präsidentschaftsübernahme von Hosni
Mubarak. Die eingeschränkte Versammlungsfreiheit etwa trifft nicht nur Christen, sondern
auch Muslime. Wir merken hier ein sich nicht verstärkendes Christen-Gegner-Potential,
es sei denn, wir schauen auf eine bestimmte Gruppe von Menschen – also die Muslimbrüder
etwa, aber die stehen zur Zeit auch vor einer starken Zerreißprobe. Die Muslimbrüder
möchten, dass Ägypten muslimisch bleibt bzw. muslimischer wird. Andere wiederum sehen
gerade in der Vielfalt der Möglichkeiten hier eine Chance. Hosni Mubarak hat, als
er den Feiertag für Christen verkündete, sicherlich im Blick gehabt, nicht zu unterscheiden
zwischen Christen und Muslimen, sondern den Zusammenhalt der Ägypter zu betonen. Ägypter
sind eben Christen und Muslime. Aber sie gehören zusammen und akzeptieren einander.
Gerade in der letzten Zeit sieht man stark den Versuch, Christen Freiräume zu geben.
Worin äußert sich das? Ganz in der Nähe meines Büros in der Stadtmitte
entsteht zum Beispiel gerade eine neue Kirche, auf dem Areal eines früheren Parkhauses,
innerhalb recht kurzer Zeit, aber mit allen staatlichen Genehmigungen. Und interessanterweise
sind die Muslime, die ringsherum wohnen, nicht unbedingt schockiert, sondern sagen,
ja, auch die Christen sollen hier einen Platz haben. Sie gehören zu uns und wir zeigen
das nach außen. Denn Ägypten möchte ein Land werden, das aus der Schwellensituation
in eine gut entwickelte Situation kommt. Ich lebe jetzt seit 15 Jahren in Ägypten,
und man kann wirtschaftlich einen großen Fortschritt feststellen. Dazu gehört dann
auch eine gegenseitige Akzeptanz. Wenn es heißt, der Islam ist aggressiv gegen das
Christentum, dann teile ich diesen Satz überhaupt nicht. Erstens, es gibt nicht „den“
Islam, sondern verschiedenste Gruppen, und zweitens ist hier in Ägypten der Islam
eine Religion, die sehr offen und tolerant ist und das immer schon war.
Wie
haben denn die Ägypter in dem Zusammenhang das Schweizer Minarett-Verbot von Ende
November aufgenommen? Wir waren als Ausländer schon etwas berührt und dachten,
was wird jetzt kommen? Große Demonstrationen wie damals bei den Mohammed-Karikaturen,
oder vielleicht noch schlimmer, es ist ja hier immerhin ein ganzes Land, das sich
gegen ein traditionell wichtiges Element beim Moscheebau entscheidet. Ich bin im Kontakt
mit dem Schweizer Botschafter in Kairo, Dominik Furgler, der ein guter Katholik ist,
und ich fragte wie sieht es jetzt bei euch aus, habt ihr Maßnahmen gegen Demonstrationen
getroffen, ist vor der Botschaft demonstriert worden? Er antwortete, nein wir haben
gar nichts zu registrieren. Die Presse äußerte sich natürlich sehr negativ über diese
Entscheidung, aber das Volk an sich hat das akzeptiert. Man spricht heute überhaupt
nicht mehr davon.
Es wurden ja auch Befürchtungen laut, jetzt hätten die
Christen in den Ländern mit muslimischer Mehrheit die Folgen zu tragen und würden
noch mehr unterdrückt. Wie haben die ägyptischen Christen das Schweizer Nein zum Minarett
kommentiert? Was ich sehr interessant fand, dass die Christen doch sagten,
es tut uns gut, dass endlich einmal ein europäisches Land ein Nein sagt. Wissen Sie,
wir sind in einem Land, in dem man schon klare Positionen braucht. Auch Muslime pointieren
manchmal ihre Aussagen gegenüber den Christen allzu stark. Neulich hat ein Scheich
sogar eine Fatwa, ein Rechtsgutachten, gegen Weihnachten erlassen. Aber Scheich Jusuf
Kardaui ist keiner, der in Ägypten den Ton angibt, er lebt in Doha in Katar und erzählt
als 83-Jähriger, wie er sich gerne vorstellt, dass der Islam wäre. Was man ringsherum
hörte, war: Lieber Scheich Kardaui, beherrsche dich doch. Das ist ein Unding. Wir
haben in den arabischsprachigen Ländern des Nahen Ostens etwa 20 Millionen Christen.
Denen kann man nicht Weihnachten verbieten.
In Europa hat sich ja an den
Schweizer Entscheid eine heftige Debatte angeschlossen – wie ist das in Ägypten wahrgenommen
worden, hatte es irgendwelche Auswirklungen? Es tut gut, wenn Christen auch
hier in der Region immer wieder ihre Stimme erheben und gegen Menschenrechtsverletzungen,
auch an Christen, vorgehen. Wir vermissen manchmal etwas die deutliche Stimme Deutschlands,
etwa der Deutschen Bischofskonferenz, bezüglich der hier vonstatten gehenden Dinge.
Ich war negativ berührt, als ich hören musste, dass quasi alle deutschen Bischöfe,
vor allem die, die für interreligiösen Dialog zuständig sind, Dinge sagten, die uns
eher in den Rücken gefallen sind. Es ist gut, dass die Schweiz eine Entscheidung fällt.
Ob diese Entscheidung gut ist, ist eine andere Frage! Aber man muss etwas in der Hand
haben, und ich denke schon, dass wir sagen können, wir brauchen Gebetsräume für Muslime,
wir brauchen die Möglichkeiten, wie wir sie hier in Ägypten auch als Christen geboten
bekommen, aber wir wollen deutlich sagen, wir haben auch unsere Ansprüche. Für die
Christen bedeutete die Minarett-Entscheidung in der Schweiz eher eine Stärkung als
eine Schwächung oder eine Frage, an der man ängstlich in die islamische Zukunft schauen
müsste. (rv 05.01.2010 gs)