Die Pauluskirche in
Tarsus soll als Gotteshaus wiedereröffnet werden - dafür hat sich zumindest das türkische
Religionsamt an diesem Montag ausgesprochen. Die Kirche war während des vergangenen
Paulusjahres vorübergehend für Gottesdienste geöffnet worden, dient seitdem aber wieder
als Museum wie zuvor. Die katholischen Bischöfe hatten die Regierung in der Vergangenheit
mehrmals eindringlich dazu aufgerufen, die Kirche im Geburtsort des Apostels Paulus
für Gottesdienste freizugeben. Ob die Ankündigung des Religionsamts einen Fortschritt
in diese Richtung bedeutet? Das fragte das Kölner Domradio den Türkei- und Menschenrechts-Experten
Otmar Oehring vom katholischen Hilfswerk Missio. Oehring geht auf die Aussage des
Religionsamts-Direktors ein, dass die Türkei die Religionsfreiheit achten müsse:
„Das
hat mich ehrlich gesagt überrascht, nachdem in den letzten Tagen der Präsident des
Präsidiums für religiöse Angelegenheiten, Professor Ali Bardakoglu, mit Äußerungen
zitiert wurde, dass er sich wundere, dass die Türkei immer wieder hinsichtlich der
mangelnden Religionsfreiheit angegriffen werde - diese Schwierigkeiten gebe es nicht.
Das heißt, dass das jetzt ein Schwenk in eine ganz andere Richtung ist. Unter Umständen
muss man das in Zusammenhang damit sehen, dass sich die türkische Regierung bei der
EU im Hinblick auf die Beitrittsverhandlungen in Erinnerung bringen will. Deshalb
könnte das Thema Religionsfreiheit in den Vordergrund gerückt sein. Vielleicht hat
Herr Bardakoglu sogar vom Ministerpräsidenten den zarten Hinweis erhalten, er solle
sich freundlich in dieser Sache äußern.“
Das staatliche Religionsamt sei
dafür zuständig, den sunnitischen Islam in der Türkei in einer staatskonformen Weise
zu organisieren, so Oehring. Damit habe es zur kirchlichen Nutzung eines Gebäudes
eigentlich nichts zu sagen. Das Amt habe allerdings eine grundsätzliche Zunahme religiöser
Intoleranz auch in der Türkei festgestellt:
„Prinzipiell muss man das als
ein Eingeständnis von Fehlern verstehen - schlicht und ergreifend deswegen, weil es
den entsprechenden Fehler in der Türkei gibt. Gerade in den letzten Jahren ist die
Türkei recht massiv wegen Intoleranz gegenüber den nicht-muslimischen Religionsgemeinschaften
aufgefallen. Man denke nur an den Mord an einem italienischen katholischen Geistlichen,
man denke an die Ermordung von drei evangelikalen Geistlichen vor drei Jahren, die
darauf hinweisen, dass es diese Intoleranz in der Türkei gibt.“
Natürlich
wünschten sich die Christen eine Kirche in der Pilgerstadt Tarsus. Problematisch sei
dabei allerdings, dass es in der Stadt selbst keine dort ansässigen Christen gebe.
Nach türkischem Gesetz bestehe damit keine Notwendigkeit für eine Kirche in Tarsus.
„Das, worüber jetzt gesprochen wird, wäre eine „türkische Lösung“. Das
heißt, der Staat würde einfach ein Kirchengebäude, das er einer anderen Kirche, in
diesem Fall der griechisch-orthodoxen Kirche, rechtswidrig weggenommen hat, der katholischen
Kirche oder den christlichen Kirchen allgemein zur Nutzung zur Verfügung stellen.
Es wäre aber insgesamt, wenn wir die Demokratisierung der Türkei und die Umsetzung
der Religionsfreiheit als Ziel ansehen, nicht die allerbeste Lösung.“