2010-01-05 11:27:12

Türkei: Augenwischerei


RealAudioMP3 Die Pauluskirche in Tarsus soll als Gotteshaus wiedereröffnet werden - dafür hat sich zumindest das türkische Religionsamt an diesem Montag ausgesprochen. Die Kirche war während des vergangenen Paulusjahres vorübergehend für Gottesdienste geöffnet worden, dient seitdem aber wieder als Museum wie zuvor. Die katholischen Bischöfe hatten die Regierung in der Vergangenheit mehrmals eindringlich dazu aufgerufen, die Kirche im Geburtsort des Apostels Paulus für Gottesdienste freizugeben. Ob die Ankündigung des Religionsamts einen Fortschritt in diese Richtung bedeutet? Das fragte das Kölner Domradio den Türkei- und Menschenrechts-Experten Otmar Oehring vom katholischen Hilfswerk Missio. Oehring geht auf die Aussage des Religionsamts-Direktors ein, dass die Türkei die Religionsfreiheit achten müsse:

„Das hat mich ehrlich gesagt überrascht, nachdem in den letzten Tagen der Präsident des Präsidiums für religiöse Angelegenheiten, Professor Ali Bardakoglu, mit Äußerungen zitiert wurde, dass er sich wundere, dass die Türkei immer wieder hinsichtlich der mangelnden Religionsfreiheit angegriffen werde - diese Schwierigkeiten gebe es nicht. Das heißt, dass das jetzt ein Schwenk in eine ganz andere Richtung ist. Unter Umständen muss man das in Zusammenhang damit sehen, dass sich die türkische Regierung bei der EU im Hinblick auf die Beitrittsverhandlungen in Erinnerung bringen will. Deshalb könnte das Thema Religionsfreiheit in den Vordergrund gerückt sein. Vielleicht hat Herr Bardakoglu sogar vom Ministerpräsidenten den zarten Hinweis erhalten, er solle sich freundlich in dieser Sache äußern.“

Das staatliche Religionsamt sei dafür zuständig, den sunnitischen Islam in der Türkei in einer staatskonformen Weise zu organisieren, so Oehring. Damit habe es zur kirchlichen Nutzung eines Gebäudes eigentlich nichts zu sagen. Das Amt habe allerdings eine grundsätzliche Zunahme religiöser Intoleranz auch in der Türkei festgestellt:

„Prinzipiell muss man das als ein Eingeständnis von Fehlern verstehen - schlicht und ergreifend deswegen, weil es den entsprechenden Fehler in der Türkei gibt. Gerade in den letzten Jahren ist die Türkei recht massiv wegen Intoleranz gegenüber den nicht-muslimischen Religionsgemeinschaften aufgefallen. Man denke nur an den Mord an einem italienischen katholischen Geistlichen, man denke an die Ermordung von drei evangelikalen Geistlichen vor drei Jahren, die darauf hinweisen, dass es diese Intoleranz in der Türkei gibt.“

Natürlich wünschten sich die Christen eine Kirche in der Pilgerstadt Tarsus. Problematisch sei dabei allerdings, dass es in der Stadt selbst keine dort ansässigen Christen gebe. Nach türkischem Gesetz bestehe damit keine Notwendigkeit für eine Kirche in Tarsus.

„Das, worüber jetzt gesprochen wird, wäre eine „türkische Lösung“. Das heißt, der Staat würde einfach ein Kirchengebäude, das er einer anderen Kirche, in diesem Fall der griechisch-orthodoxen Kirche, rechtswidrig weggenommen hat, der katholischen Kirche oder den christlichen Kirchen allgemein zur Nutzung zur Verfügung stellen. Es wäre aber insgesamt, wenn wir die Demokratisierung der Türkei und die Umsetzung der Religionsfreiheit als Ziel ansehen, nicht die allerbeste Lösung.“

(domradio 05.01.2010 vp)








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