2.700 Jahre alt, unübersehbar und doch fast vergessen
Sie sind in Rom eigentlich unübersehbar – und dennoch fast vergessene Monumente. Die
römischen Stadtmauern, an die 20 Kilometer lang, sind Gegenstand eines neuen Buches
der Historikerin Silvia Koci Montanari.
Dass eine Stadt so viele Stadtmauern
hat, die teilweise noch sichtbar sind, ist für eine Großstadt vom Format von Rom außergewöhnlich,
wenn man bedenkt, dass andere Städte im 19. Jahrhundert wie Wien, Paris oder andere
in Italien ihre Stadtmauern geschliffen haben aus Gründen eines Modernismus. Dass
die aurelianischen Mauern in ihrer ganzen Länge da sind und noch das Stück Passetto
und die Mauern um den Vatikan, ist eine großartige Geschichte!“
2.700 Jahre
Gesamtzeit umfasst die Geschichte der römischen Stadtmauern bis heute. Die erste Stadtmauer
entstand wohl tatsächlich rund um die mythische Gründung des Imperiums durch Romulus
und Remus…
„Am 21. April 753 – kroch Rom aus dem Ei… Und von dieser
Stadtmauer hat auch vor einigen Jahren ein Archäologe Reste entdeckt, Reste der Porta
Mogonia. Es ist also wahrscheinlich, dass es unter Romulus schon Mauern gegeben hat,
von denen aber heute eben nichts mehr steht.“
Mehr als römisch waren diese
ersten Stadtmauern Roms freilich etruskisch. Das kulturell hoch stehende, heute noch
geheimnisvolle Volk der Etrusker unterlag den aufstrebenden Römern. Trotz seiner Mauer.
„Stadtmauern sind ja gebaut worden, um eine Stadt zu verteidigen bzw. nach
dem etruskischen Ritus ist ein Ort geschaffen worden, der getrennt ist vom äußeren
Bereich, in dem Geister und Krieg und Widrigkeiten herrschten, um einen Ort des zivilen
Rechts zu schaffen.“
Als Hauptstadt des römischen Imperiums wuchs Rom bald
über diese Mauern hinaus. Eine neue entstand, rund um die sieben Hügel.
„Dann
hat Rom keine Stadtmauern mehr gebraucht, weil es Caput Mundi geworden ist, keine
Feinde fürchten musste, mitten im Reich lag und Hauptstadt war.“
Zum Ende
des 3. Jahrhunderts begann langsam die Völkerwanderung, Rom wurde erstmals seit Jahrhunderten
bedroht.
„Aus diesem Grund hat Kaiser Aurelian Ende des 3. Jahrhunderts
die aurelianischen Stadtmauern gebaut, von denen wir heute fast noch die ganze Umwallung
haben.“
Alles in allem stolze 19 Kilometer dieses spätantiken Schutzwalles.
Doch auch der Vatikan kann sich seiner Stadtmauern rühmen. Genauer gesagt, sind es
sogar zwei verschiedene Mauern aus zwei verschiedenen Epochen – Mittelalter und Renaissance.
Zunächst die leoninische.
„Die leoninische Mauer ist gebaut worden gegen
die Attacken von Sarazenen. Ab dem 5., 6. Jahrhundert, als die Machtverhältnisse sich
nach Osten verschoben haben, nach Konstantinopel, war Rom der Barbaren- und Sarazenengefahr
ausgesetzt. Und Leo IV. hat beschlossen, den Vatikan mit einer Mauer zu umgeben. Und
das waren die leoninischen Mauern Mitte des 9. Jahrhunderts.“
Die Gräber
der Apostelfürsten Petrus und Paulus lagen zu jener Zeit ja außerhalb der eigentlichen
Stadt in der Einöde. Und sie waren das wichtigste, was die Päpste zu schützen hatten.
„Rund um den Vatikan war unbewohntes Gebiet. Die Siedlung davor muss man
sich so vorstellen, dass ei begannen, wo man über die Engelsbrücke Richtung Sankt
Peter ging. Entlang dieser Straße gab es diese Siedlungen ab dem 4., 5. Jahrhundert,
und die galt es durch die leoninischen Mauern zu schützen.“
Der berühmteste
Teil der leoninischen Mauer liegt freilich außerhalb des Vatikans: der so genannte
Passetto zwischen Apostolischem Palast und Engelsburg. Über diesen Hoch-Gang konnte
der Papst bei Gefahr flüchten. So geschehen 1527 bei der Plünderung Roms. Bedeutend
jünger als die leoninische Mauer ist der Wall, der den heutigen Vatikanstaat umgibt:
Er stammt aus der Renaissance. Dabei handelt es sich um die jüngste Stadtmauer Roms.
Frage: Warum stehen all diese riesigen Steinwälle heute noch? Warum wurden sie nicht
geschliffen wie in Paris oder Wien, im Zug einer urbanen Umgestaltung des 19. Jahrhunderts?
Antwort: die römischen Mauern des Aurelian waren einfach zu weit.
„Als
sie gebaut wurden, ist eine Stadt eingeschlossen worden mit einer bis zwei Millionen
Einwohner. Durch die Verlegung der Hauptstadt nach Konstiantinopel hat dann ein großer
Bevölkerungsschwund stattgefunden durch das Mittelalter hindurch. Im Avignon-Exil
lebten nur mehr ca. 20.000 Einwohner in Rom. Die Bevölkerung hat sich in die Tiberschleife
zurückgezogen, und die Reste des Areals bis zu den aurelianischen Stadtmauern waren
nur mehr Wiesen, Weingärten, Äcker, Weideland und sind nicht mehr bebaut worden. Die
Bebauung hat dann erst wieder angefangen in den 20er, 30er Jahren, und die aurelianischen
Stadtmauern waren dann wieder erst um 1950 wieder ausgefüllt. Diese Mauern sind also
davon gekommen, weil Rom in der Stadtentwicklung etwas zurück war im Vergleich zu
anderen Städten.“
Buchtipp: Silvia Koci Montanari: Die Stadtmauern
von Rom. Verlag Schnell und Steiner. 12.90 Euro. (rv 30.12.2009 gs)