2009-12-31 16:47:48

2.700 Jahre alt, unübersehbar und doch fast vergessen


Sie sind in Rom eigentlich unübersehbar – und dennoch fast vergessene Monumente. Die römischen Stadtmauern, an die 20 Kilometer lang, sind Gegenstand eines neuen Buches der Historikerin Silvia Koci Montanari.

Dass eine Stadt so viele Stadtmauern hat, die teilweise noch sichtbar sind, ist für eine Großstadt vom Format von Rom außergewöhnlich, wenn man bedenkt, dass andere Städte im 19. Jahrhundert wie Wien, Paris oder andere in Italien ihre Stadtmauern geschliffen haben aus Gründen eines Modernismus. Dass die aurelianischen Mauern in ihrer ganzen Länge da sind und noch das Stück Passetto und die Mauern um den Vatikan, ist eine großartige Geschichte!“

2.700 Jahre Gesamtzeit umfasst die Geschichte der römischen Stadtmauern bis heute. Die erste Stadtmauer entstand wohl tatsächlich rund um die mythische Gründung des Imperiums durch Romulus und Remus…


„Am 21. April 753 – kroch Rom aus dem Ei… Und von dieser Stadtmauer hat auch vor einigen Jahren ein Archäologe Reste entdeckt, Reste der Porta Mogonia. Es ist also wahrscheinlich, dass es unter Romulus schon Mauern gegeben hat, von denen aber heute eben nichts mehr steht.“

Mehr als römisch waren diese ersten Stadtmauern Roms freilich etruskisch. Das kulturell hoch stehende, heute noch geheimnisvolle Volk der Etrusker unterlag den aufstrebenden Römern. Trotz seiner Mauer.

„Stadtmauern sind ja gebaut worden, um eine Stadt zu verteidigen bzw. nach dem etruskischen Ritus ist ein Ort geschaffen worden, der getrennt ist vom äußeren Bereich, in dem Geister und Krieg und Widrigkeiten herrschten, um einen Ort des zivilen Rechts zu schaffen.“

Als Hauptstadt des römischen Imperiums wuchs Rom bald über diese Mauern hinaus. Eine neue entstand, rund um die sieben Hügel.

„Dann hat Rom keine Stadtmauern mehr gebraucht, weil es Caput Mundi geworden ist, keine Feinde fürchten musste, mitten im Reich lag und Hauptstadt war.“

Zum Ende des 3. Jahrhunderts begann langsam die Völkerwanderung, Rom wurde erstmals seit Jahrhunderten bedroht.

„Aus diesem Grund hat Kaiser Aurelian Ende des 3. Jahrhunderts die aurelianischen Stadtmauern gebaut, von denen wir heute fast noch die ganze Umwallung haben.“

Alles in allem stolze 19 Kilometer dieses spätantiken Schutzwalles. Doch auch der Vatikan kann sich seiner Stadtmauern rühmen. Genauer gesagt, sind es sogar zwei verschiedene Mauern aus zwei verschiedenen Epochen – Mittelalter und Renaissance. Zunächst die leoninische.

„Die leoninische Mauer ist gebaut worden gegen die Attacken von Sarazenen. Ab dem 5., 6. Jahrhundert, als die Machtverhältnisse sich nach Osten verschoben haben, nach Konstantinopel, war Rom der Barbaren- und Sarazenengefahr ausgesetzt. Und Leo IV. hat beschlossen, den Vatikan mit einer Mauer zu umgeben. Und das waren die leoninischen Mauern Mitte des 9. Jahrhunderts.“

Die Gräber der Apostelfürsten Petrus und Paulus lagen zu jener Zeit ja außerhalb der eigentlichen Stadt in der Einöde. Und sie waren das wichtigste, was die Päpste zu schützen hatten.

„Rund um den Vatikan war unbewohntes Gebiet. Die Siedlung davor muss man sich so vorstellen, dass ei begannen, wo man über die Engelsbrücke Richtung Sankt Peter ging. Entlang dieser Straße gab es diese Siedlungen ab dem 4., 5. Jahrhundert, und die galt es durch die leoninischen Mauern zu schützen.“

Der berühmteste Teil der leoninischen Mauer liegt freilich außerhalb des Vatikans: der so genannte Passetto zwischen Apostolischem Palast und Engelsburg. Über diesen Hoch-Gang konnte der Papst bei Gefahr flüchten. So geschehen 1527 bei der Plünderung Roms. Bedeutend jünger als die leoninische Mauer ist der Wall, der den heutigen Vatikanstaat umgibt: Er stammt aus der Renaissance. Dabei handelt es sich um die jüngste Stadtmauer Roms. Frage: Warum stehen all diese riesigen Steinwälle heute noch? Warum wurden sie nicht geschliffen wie in Paris oder Wien, im Zug einer urbanen Umgestaltung des 19. Jahrhunderts? Antwort: die römischen Mauern des Aurelian waren einfach zu weit.

„Als sie gebaut wurden, ist eine Stadt eingeschlossen worden mit einer bis zwei Millionen Einwohner. Durch die Verlegung der Hauptstadt nach Konstiantinopel hat dann ein großer Bevölkerungsschwund stattgefunden durch das Mittelalter hindurch. Im Avignon-Exil lebten nur mehr ca. 20.000 Einwohner in Rom. Die Bevölkerung hat sich in die Tiberschleife zurückgezogen, und die Reste des Areals bis zu den aurelianischen Stadtmauern waren nur mehr Wiesen, Weingärten, Äcker, Weideland und sind nicht mehr bebaut worden. Die Bebauung hat dann erst wieder angefangen in den 20er, 30er Jahren, und die aurelianischen Stadtmauern waren dann wieder erst um 1950 wieder ausgefüllt. Diese Mauern sind also davon gekommen, weil Rom in der Stadtentwicklung etwas zurück war im Vergleich zu anderen Städten.“


Buchtipp: Silvia Koci Montanari: Die Stadtmauern von Rom. Verlag Schnell und Steiner. 12.90 Euro.
(rv 30.12.2009 gs)








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