Die internationale
Gemeinschaft hat in Afghanistan weder ihre militärischen noch ihre politischen Ziele
erreicht. Das beklagen die deutschen Hilfswerke. Sie appellieren an die Politik, in
Zukunft das zivile Engagement auszubauen. Das gelte besonders für Afghanistan, wo
die Bilanz zum Einsatz deutscher Truppen für den Aufbau des Landes dementsprechend
mager ausfalle. Der neue deutsche Entwicklungsminister Dirk Niebel will den Etat
für Hilfe in Afghanistan um 52 Millionen Euro aufstocken. Gleichzeitig setzt er aber
auf eine engere Kooperation zwischen Hilfswerken und Bundeswehr. Genau diese verstärkte
Zusammenarbeit lehnen die Hilfswerke allerdings ab. Das Kölner Domradio hat mit dem
„Cap Anamur“-Gründer und Vorsitzenden der „Grünhelme“, Rupert Neudeck gesprochen -
der betont, dass die Probleme in Afghanistan nicht auf militärischem Wege lösbar sind:
„Das
ist die verstärkte Konsequenz dessen, was unsere Regierungen schon seit einigen Jahren
falsch machen. Wir wissen seit zwei, drei Jahren, dass der Weg, den wir in der Afghanistanpolitik
gegangen sind, in die Irre führt. Wir müssen mit Afghanistan und den Afghanen zusammen
das Land wieder aufbauen und weniger über Militär reden, sondern Taten folgen lassen.
Und die Forderung des Entwicklungsministers, die Hilfswerke möglichst in der Nähe
der Kasernen aufzubauen, ist ein Versuch, das zu verhindern.“
Die Vermischung
von humanitärer Hilfe und dem Einsatz militärischer Mittel stellt nach Ansicht Neudecks
ein Kernproblem für den Aufbau des Landes dar:
„Das ist der Sündenfall,
in den wir uns ja schon hinein begeben haben, um es katholisch zu sagen. Wir dürfen
uns als Humanitäre nicht von den Genfer Rot-Kreuz-Konventionen entfernen. Das ist
unsere gemeinsame Basis, ja geradezu unser Neues Testament. Und deswegen halte ich
die Äußerungen vielleicht auch für heilsam, weil sie vielleicht endlich uns humanitäre
Organisationen dazu bringen, aus dieser babylonischen Gefangenschaft des Militärs
wieder herauszukommen.“
Wenn es darum gehe, die zivilen Strukturen im Land
wieder aufzubauen und die Herzen der Bevölkerung zu gewinnen, müssten zivile Helfer,
nicht aber Soldaten zu den Menschen geschickt werden. Das liege in der Natur der Sache,
betont Neudeck.
„Wir müssen endlich begreifen: Militärs sind Militärs, die
haben ein eigenes Vorgehen. Und zivile Helfer, Humanitäre, folgen ihren eigenen Gesetzen
und Regelungen.“
Die Bundeswehr solle sich ausschließlich auf die Einrichtung
eines eigenen afghanischen Militärs und einer afghanischen Polizeieinheit konzentrieren,
so Neudeck. Dennoch wolle er den Wert der Aufbauhilfe durch den Bund neben der nicht-staatlichen
Hilfe nicht herabwürdigen.
„Das sind zwei ganz unterschiedliche und wichtige,
wertvolle Teile und Pfeiler ein und derselben Anstrengung, mit den Afghanen zusammen
das Land wieder aufzubauen.“