D: „Heil kannte ich nur aus der Kirche" - Prälat Scheipers überlebte das KZ
Beihilfe zum Mord
an 27.900 Menschen. So lautet die Anklage gegen den mutmaßlichen NS-Verbrecher John
Demjanjuk, der im Vernichtungslager Sobibor im Zeitraum März bis September 1943 am
Mord von tausenden Juden beteiligt gewesen sein soll. Kurz vor Weihnachten ist der
Strafprozess gegen den heute bettlägerigen 89-Jährigen mit der Anhörung von Holocaust-Überlebenden
in München fortgesetzt worden. Dass dem NS-Regime Menschen auch wegen ihres Glaubens
zum Opfer fielen, wissen heute nur wenige. Der römisch-katholische Priester Hermann
Scheipers war aus diesem Grund im Konzentrationslager Dachau interniert. Er überlebte
die NS-Zeit und die SED-Diktatur in der ehemaligen DDR. Im Gespräch mit Radio Vatikan
blickt er zurück. Scheipers:
„Das waren zwei Diktaturen, die unvereinbar
waren mit dem christlichen Glauben. Sie haben es beide verstanden zu täuschen. Hitler
war Meister im Taktieren und Täuschen, zeigte sich nach außen hin als gottgläubig.
Das Hauptziel war aber die Ausrottung des Glaubens überhaupt. 1934 hat Hitler bereits
bei Tischgesprächen gesagt: Man ist entweder ein Christ oder ein Deutscher. Ebenso
dann später die Kommunisten in der SED-Diktatur. Sie haben zum Atheismus und Kommunismus
erzogen. Im Endziel waren beide Diktaturen gleich! Es fiel mir als Schüler schon auf,
dass es unter den vielen Parteien in der Weimarer Zeit nur zwei gab, die das Heil
versprachen: Heil Hitler und die Kommunisten mit geballter Faust Heil Moskau. Das
Wort Heil hatte ich bisher nur in der Kirche gehört.“
Als „fanatischer
Verfechter der Kirche“ sei Scheipers „geeignet, Unruhe in die Bevölkerung zu tragen“,
so das Todesurteil der Nationalsozialisten für den standhaften Seelsorger. Acht Mal
schwebte der Geistliche in Dachau in Lebensgefahr, doch überlebte – so Scheipers selbst
– „wie ein Wunder“. Nachdem ihm am 27. April 1945, zwei Tage vor der Befreiung Dachaus
durch amerikanische Streitkräfte, auf einem „Todesmarsch“ die Flucht gelang, setzte
sich Scheipers in der ehemaligen DDR für Menschen- und Glaubensrechte ein.
„Ich
hatte immer die Idee: Je mehr du die Jugend und die Gemeinde im Glauben befestigst,
desto mehr werden die immun gegen das Gift des Nationalsozialismus. Das war also meine
Aufgabe. Und es war in der DDR dieselbe Aufgabe. Die Kirche hat ja nicht die Aufgabe,
politisch gegen irgendein Regime zu kämpfen, aber sie muss den Glauben verkündigen
– gelegen oder ungelegen.“
Anders als etwa der italienische Faschismus
hätten Nationalsozialismus und Kommunismus den ganzen Menschen vereinnahmt. Scheipers:
„Den
ersten Diaktaturen, die ich als Schüler kennengelernt habe - Mussolini in Italien,
Franco in Spanien -, war es völlig egal, ob einer in die Kirche ging oder nicht, ob
einer Jude war oder nicht. Die wollten nur die äußere Macht: Finanzen und die Arbeitskraft
des Volkes. Die beiden Diktaturen Kommunismus und Nationalsozialismus wollten mehr
als die äußere Macht, sie wollten den ganzen Menschen, seine Seele, dass man an sie
glaubt. Sie haben das von uns verlangt, was nur Gott verlangen kann: Den Glauben an
ihre Ideologie und totale Hingabe."
Im KZ Dachau war Scheipers mit dem
evangelischen Dresdner Märtyrer Paul Richter und weiteren evangelischen und katholischen
Geistlichen in einer Baracke des Pfarrerblocks untergebracht. Scheipers Biographie
ist inzwischen in der sechsten Auflage erschienen. Das Interview mit Prälat Scheipers
in voller Länge hören Sie demnächst bei uns im Abendprogramm.