Deutschen Bischöfe: Mehr Solidarität - weniger Leistungsdruck
Mehr Solidarität und
weniger Leistungsorientierung – dieser Aufruf stand im Mittelpunkt vieler Weihnachtspredigten
der deutschen Bischöfe. Weihnachten solle nach Ansicht der Bischöfe Ansporn sein,
sich für Benachteiligte einzusetzen und darüber nachzudenken, was wirklich wichtig
ist im Leben. Ein weiteres Thema vieler Predigten: der gesellschaftliche Stimmungswandel
und Mutlosigkeit in der aktuellen Wirtschafts- und Klimakrise.
Für mehr Integration
der Schwachen in die Gesellschaft hat sich der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz,
Erzbischof Robert Zollitsch, ausgesprochen. „Wir leben in einer Gesellschaft
die schon für Kinder ungeheuren Druck aufbaut“, sagte Zollitsch in seiner Weihnachtspredigt
im Freiburger Münster. Von diesem allgegenwärtigen Leistungsdruck befreie das Weihnachtsfest.
Es mache sichtbar, dass der Wert eines Menschen nicht aus seiner Leistung resultiere,
sondern in seiner Existenz begründet sei. Gott werde Mensch und zeige so, was „unsere
allererste und ureigenste Aufgabe ist“. Wörtlich sagte Zollitsch: „Zu lieben, füreinander
da zu sein! Ohne Hintergedanken und Vorbedingung – ohne Profit und Vorteil.“ Der Erzbischof
warnte vor den Konsequenzen einer allein an der Leistung orientierten Wertschätzung
des Menschen. „Wir hätten dann keinen Platz mehr für alte und schwache Menschen, die
nicht mehr produktiv werden können; wir hätten keinen Blick mehr für Kranke und Behinderte,
sie blieben links liegen.“ In einer Videobotschaft auf der Homepage der Erzdiözese
erinnerte Zollitsch an die eigentliche Botschaft von Weihnachten: Der Kölner Kardinal
Joachim Meisner hat die Menschen aufgerufen, wieder mit kindlichem Staunen zu
glauben. Die Botschaft von der Geburt Jesu in eine verleumderische, gottfeindliche,
überhebliche Welt biete dazu allen Anlass, sagte er in seiner Predigt am Ersten Weihnachtstag
im Kölner Dom. Die Weihnachtsfreude beziehe sich nicht auf Vergangenes. „Heute ist
uns der Heiland geboren“, so Meisner. Der Erzbischof von München und Freising,
Reinhard Marx, hat an die Gläubigen appelliert, trotz aller aktuellen weltweiten
Ängste, Krisen und Katastrophen nicht aufzugeben und in Hoffnungslosigkeit zu versinken.
Krisen seien Herausforderungen zum Handeln, zur Veränderung und zum Lernen, sagte
Marx an Heiligabend in der Christmette im Münchner Liebfrauendom. Das gelte auch für
die Wirtschafts- und Finanzkrise. „Man gewinnt den Eindruck, dass auch diese Krise
nicht als Auftrag einen neuen Weg zu gehen verstanden wurde, sondern dass vielmehr
die alten Verhaltensweisen und Zielvorstellungen weiter vorherrschend sind“, kritisierte
der Erzbischof. Die Christen seien in dieser Welt Träger der Hoffnung, der Zuversicht,
des Mutes, sagte Marx: „Wir haben die weihnachtliche Botschaft verraten, wenn wir
die Angst in der Welt verstärken. Das gilt für alle Bereiche unseres Lebens, auch
in der großen Politik.“ Im Blick auf das Kind von Bethlehem dürften Christen nie aufgeben,
an das Gute zu glauben und sich mit den ihnen geschenkten Mitteln und Möglichkeiten
dafür einzusetzen. „Den Grund dieser unzerstörbaren Hoffnung gibt uns Gott selbst
in seinem Sohn.“ Nach Überzeugung des Limburger Bischofs Franz-Peter Tebartz-van
Elst gibt Weihnachten den Menschen Wurzeln. Das Fest der Geburt Jesu Christi mache
deutlich, dass der Mensch von Gott komme und bei ihm wahre Heimat finde. „Wo Gott
aus dem Blick gerät, werden Menschen entwurzelt. Wo Gott nicht mehr vorkommt, ist
der Mensch heimatlos. Diese Einsamkeit ist die größte Wunde unserer Zeit“, sagte der
Bischof von Limburg in seiner Weihnachtspredigt. Hunderttausende Zuschauer feierten
das Pontifikalamt aus dem Hohen Dom zu Limburg live im ZDF mit. Der
neue Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck rief dazu auf, Arbeit zu sichern, für
Gerechtigkeit zu sorgen und denen eine Stimme zu geben, die keine haben. „In den Gesichtern
der Armut, die uns heute begegnen, begegnen wir Gott“, sagte Overbeck am Heiligabend
im Essener Dom. Er verwies beispielhaft auf Arbeitslose und Menschen, „die in die
Konflikte zwischen Kapital und Arbeit geraten sind, wie wir sie zuletzt in den schwierigen
Entwicklungen bei Opel drohend auf uns zukommen sahen“. Wichtig seien auch Hilfen
für Kinder aus schwierigen familiären Verhältnissen sowie für Kranke, Alte und Alleingelassene. Auch
der Aachener Bischof Heinrich Mussinghoff mahnte ein nicht nachlassendes Engagement
für Gerechtigkeit an. Auch wenn die Botschaft von Christi Geburt Freude bringe, so
bleibe die Sorge um die Kranken, Armen und Bedrängten, sagte der Theologe an Heiligabend
im Aachener Dom. „Die Vorsorge gegen eine kommende Wirtschaftskrise ist Pflicht, die
Notlage von Migranten muss beherzt aufgegriffen werden.“ Auch Bildungsgerechtigkeit
und Frieden nannte der Bischof als bleibende Herausforderungen sowie den Schutz des
ungeborenen Lebens. Als Chance für einen Neubeginn für den einzelnen und die Gesellschaft
bezeichnete der Trierer Bischof Stephan Ackermann Weihnachten. Weihnachten
sei „das Wunder eines neuen Anfangs mitten im Alten“, sagte Ackermann am Heiligen
Abend in der Christmette im Trierer Dom. Er appellierte an die Gläubigen, zu einer
„positiven Erschütterung zurückzufinden“. Diese Erschütterung sei „die einzige wirkliche
Chance, die wir haben, damit sich unsere Welt zum Positiven verändert“. Das weltweite
Erschrecken über Finanzmarktkrise und Klimawandel habe bisher offensichtlich nicht
zu einem Umdenken oder einer wirklichen Neuorientierung geführt. „Die Botschaft
des Weihnachtsfestes ist die Antwort auf unsere menschliche Not, auf unser innerstes
Verlangen.“ Unter diese zentrale Aussage hatte Bischof Gebhard Fürst seine
Predigt bei der Christmette am Heiligen Abendgestellt. Im Rottenburger St.-Martinus-Dom
sagte er, Gott sei Mensch geworden, um den Menschen einen Raum zu erschließen, wo
sie Mensch sein dürfen „und nicht nur Arbeitstiere oder Leistungsträger“, so Bischof
Fürst. Die Menschwerdung Gottes verwandle die Zwänge des Lebens in Freiheit. Sie lasse
Menschen, von denen keiner etwas wissen wolle, erfahren, dass sie geliebt seien. „Gott
will das Leben mit uns teilen.“ Das sagte Erzbischof Hans-Josef Becker in seiner
Predigt im Pontifikalamt am ersten Weihnachtstag im Hohen Dom zu Paderborn. „Die Prinzipien
der Menschlichkeit, der Gerechtigkeit, ja der Moral insgesamt sind Bestandteil unserer
politischen und gesellschaftlichen Kultur geworden, auch wenn viele das heute vergessen
zu haben scheinen.“ Weiter betonte er die Bedeutung des Wortes Gottes als Lebensmaßstab.
So notwendig Menschen von Politikern und Machthabern richtige Maßnahmen verlangen
dürften, so sehr sehnten sie sich auch nach „einem alles entscheidenden Wort“, das
selbst im Scheitern noch Halt gebe, so Becker in seiner Predigt. Die „Kirche als
Gestalt des Christuskindes in der Welt“ ist nach den Worten des Augsburger Bischofs
Walter Mixa zu jeder Zeit die „Anwältin des Lebens“. „Weil Gott selbst sich mit
der Geburt seines Sohnes unwiderruflich auf die Seite unseres Lebens gestellt“ habe,
kämpfe die Kirche „für das Lebensrecht der ungeborenen Kinder, für das Lebensrecht
und die Würde alter und kranker Menschen, für Freiheit, Frieden und soziale Gerechtigkeit“,
sagte Mixa in seiner Weihnachtspredigt in der Augsburger Marienkathedrale. „Bleibt
Weihnachten heute immer mehr auf der Strecke?“ Das fragte der Hildesheimer Bischof
Norbert Trelle in seiner diesjährigen Weihnachtspredigt. Weihnachten könne äußerlich
zur Last werden, beklagt Trelle. Doch in seiner eigentlichen Bedeutung sei es ein
stilles Fest, bei dem Gott leise auf den Menschen zugehe. Weihnachten halte die wichtigste
Botschaft für die ganze Menschheit bereit. Durch die unerwartete Nähe des gottgesandten
Retters erhalte alles Geschaffene eine neue Würde. Die Armseligkeit der Geburtsszene
in Bethlehem mache Mut, einen anderen Weg zu wählen. Das sagte der Eichstätter
Gregor Maria Hanke bei seiner Weihnachtspredigt im Eichstätter Dom. Der Mensch
brauche nicht nach den Sternen zu greifen, um Glück und wahren Frieden zu finden.
Die Geburt Jesu im Stall Bethlehem zeige vielmehr: „Die Einfachheit unseres Lebens
reicht aus, um Gottes Gegenwart zu erfahren“.