D: Natürlich Religion. Zum 80. Geburtstag Willi Fährmanns
„Das Glück ist nicht
vorbeigegangen.“ So hat Willi Fährmann seine persönlichen Erinnerungen überschrieben.
Der renommierte Jugendbuchautor wurde an diesem Freitag 80 Jahre alt. Viele seiner
Bücher rund 50 Bücher haben einen christlichen Hintergrund. Für sein Gesamtwerk erhielt
Fährmann den „Großen Preis der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendliteratur“
und den „Deutschen Jugendbuchpreis“. Den katholischen Kinder und Jugendbuchpreis hat
er selbst initiiert. Ein Beitrag von Birgit Pottler.
„Der Lange Weg des Lukas
B.“, „Das Jahr der Wölfe“, „Es geschah im Nachbarhaus“. Mit seinen Familiensagen und
Geschichten erzählt Fährmann von Judenverfolgung, von Krieg, Vertreibung und Auswanderung.
Aus der Sicht von Kindern und Familien arbeitet er deutsche Geschichte auf.
Der
Direktor des Borromäusvereins, ein katholisches Netzwerk für Büchereiarbeit, hat sich
anlässlich des 80. Geburtstags von Willi Fährmann das Buch „Der überaus starke Willibald“
aus dem Regal genommen, eine Geschichte über ein kleines Mäusevolk, das sich mit dem
Thema Diktatur auseinandersetzt. Zu lesen sei es entweder wie ein Abenteuerroman oder
auf dem Hintergrund des Nationalsozialismus, meint Rolf Pitsch: „Wie organisiert
man Zusammenleben, in diesem Fall Zusammenleben unter Mäusen? Wie funktioniert das,
wie kann man sich verständigen und wie kann man sich gegen Versuche von Diktatur zur
Wehr setzen? Was passiert dabei, was passiert denen, die sich zur Wehr setzen und
in eine Minderheitenrolle kommen?“ Religion im Alltag Fährmann
wurde 1929 in Duisburg geboren und lebt heute in Xanten am Niederrhein. Sein Vater
stammt aus Ostpreußen. Er selbst ist bekennender Katholik und war aktiv in der katholischen
Jugendarbeit. Der Romanzyklus der Bienmann-Saga beschreibt den Weg einer Familie aus
Ostpreußen über die USA ins Ruhrgebiet. „Unter der Asche die Glut“ etwa aus der Fink-Saga
spricht von der katholischen Arbeiterjugend anfangs des Dritten Reichs. Fährmann verarbeitet
in seinen Werken auch seine eigene Biographie und die seiner Familie. Wer seine Bücher
liest, findet nicht christliche Erbauungsliteratur sondern erfährt Religion im Alltag. Pitsch
vom Borromäusverein: „Er hat in seinen literarischen Werken das Leben von Christen
völlig selbstverständlich mit hinein gewoben. Das findet nicht spektakulär statt.
Religiöse Handlungen, Gesten und Symbole werden nicht besonders herausgehoben. Sondern
die Menschen, die in seinen Geschichten vorkommen, sind selbstverständlich Glaubende,
oder sind selbstverständlich Zweifelnde, sind selbstverständlich den Glauben Suchende,
sind diejenigen, die im Gespräch miteinander über den Glauben sind.“ In dieser
Natürlichkeit, wie Pitsch es nennt, sei Fährmanns Werk auch prägend für junge Familien.
„Ich glaube schon, dass man als Vater oder Großvater Kindern und Jugendlichen Geschichten
von Willi Fährmann vorliest. Dann kann man hier auch etwas vermitteln, was Kinder
vielleicht heute so nicht mehr erleben.“ Gute Literatur für alle Buchverlage
bieten heute Bücher explizit für alle Altersstufen an und verfolgen Marketingstrategien
für so genannte All Age-Literatur. Willi Fährmann, auch wenn er als bedeutender Kinder-
und Jugendbuchautor gilt, habe das schon vor dreißig oder vierzig Jahren begriffen,
meint der Büchereiexperte: „Einer der Sätze, die ich von Willi Fährmann gelernt
habe ist: Gute Literatur ist dann gute Literatur, wenn sie von Menschen ganz unterschiedlichen
Alters gelesen werden kann. Bei Veranstaltungen von Willi Fährmann, wo er liest oder
über seine Arbeit berichtet, kommen die Menschen, die vor ihm sitzen aus ganz unterschiedlichen
Generationen, und das macht den besonderen Reiz aus.“ Katholischer Buchpreis Auf
die Bedeutung von Kinder- und Jugendliteratur aufmerksam machen wollte Fährmann aber
doch. 1974 gab er nach den gesellschaftlich bewegten Jahren der Deutschen Bischofskonferenz
den Anstoß zu einem katholischen Kinder- und Jugendbuchpreis. Pitsch, lange Jahre
Geschäftsführer des Preises, sagt: „Willi Fährmann formulierte die Frage: Warum
gibt es nicht gerade seitens der katholischen Kirche einen Preis der Ermutigung für
jene Autorinnen und Autoren, die sich auch den religiösen Gedanken in ihren Werken
widmen.“ Die Kriterien zur Preisverleihung nennt Pitsch„relativ unspektakulär“,
und es sei kompliziert, die richtigen Titel zu finden. Immer stünden sie aber in der
Tradition Willi Fährmanns. Er selbst erhielt den Preis 1981 für „Der lange Weg des
Lukas B.“, der Weg von einem ostpreußischen Dorf nach Amerika. Das Ziel laut Pitsch:
„Es sollen Bücher ausgezeichnet werden, die religiöse Erfahrungen vermitteln, die
das Glaubenswissen erschließen und die in der heutigen Zeit zeitgemäß auf christliche
Lebenshaltungen hinweisen und diese verdeutlichen.“ Der Borromäusverein bietet
auf der Internetseite www.medienprofile.de Rezensionen zu zahlreichen Büchern Willi
Fährmanns. Der Titel des Dossiers: „Bücher sind wie Flügel“. So beschreibt der Autor
und Jubilar, was ihm lesen bedeutet.