Religionsmonitor: Jugendliche in Deutschland gläubiger, als man denkt?
Zwei Drittel der Jugendlichen
in Deutschland glaubt an Gott. Das belegt die jüngste Online-Umfrage des Religionsmonitors
zur Religiosität. Antje Dechert zum Thema.
Religiöse Themen bewegen doch mehr
Jugendliche, als man denkt. Das sagt der Leiter des Bereichs „Geistige Orientierung“
der Bertelsmannstiftung Martin Rieger. Für die Studie der Bertelsmannstiftung wurden
7000 Datensätze untersucht. Befragt wurden junge Erwachsene zwischen 14 und 21 Jahren.
Rieger:
„Interessant ist, dass ein großer Teil der jungen Menschen in Deutschland
an Gott glaubt. Nämlich zwei Drittel. Und wenn man das dann kombiniert mit der Frage
nach dem Leben nach dem Tod, dann kommt man damit noch einmal auf die Hälfte der Jungen
Menschen, die an ein Leben nach dem Tod glauben. Das sind sozusagen die beiden ursprünglichen
religiösen Fragen, die die Menschheit immer wieder bewegt haben.“ Doch decken
sich diese Angaben mit der Wirklichkeit? Hans Hobelsberger ist Referent für Jugendpastorale
Bildung bei der Arbeitsstelle für Jugendseelsorge der Deutschen Bischofskonferenz.
Er beschreibt seinen Eindruck und differenziert:
„Also man spürt schon,
dass das Thema Glaube und Religion bei den jungen Menschen präsent ist. Allerdings
gibt die Studie keinen Aufschluss darüber, wie dieser Glaube gefüllt ist. Ob es ein
Glaube an eine höhere Macht ist oder ob es ein undefinierbares Gefühl ist. In der
Praxis stellen wir aber schon fest, dass das Thema Gott die jungen Menschen bewegt.“ Genauer
ablesen lasse sich das konkret an den Gottesdienstfeiern, so Hobelsberger: „Ich
erlebe da, wo es Aufbrüche gibt, wo Jugendliche in den Gottesdiensten vorkommen und
nicht nur erwachsenenkulturelle Sonntagsgottesdienste gehalten werden, wo auf ästhetische
Vorstellungen und Vorstellungen von Gemeinschaft eingegangen wird, wo andere Musik
eine Rolle spielt, eine sehr starke Bindung von Jugendlichen an Liturgie. Aber es
ist nicht unbedingt der Sonntagsgottesdienst. Beim Sonntagsgottesdienst der normalen
Gemeinde hat man ja eher den gegenteiligen Eindruck.“ Martin Rieger von der
Bertelsmannstiftung betont dem entgegen, dass immerhin ein großer Teil der Jugendlichen
in Gott eine personale Existenzform sehe - nicht bloß eine nebulöse höhere Macht.
Das belege der Religionsmonitor.
„Das sind allerdings lediglich Werte zwischen
50 und 60 Prozent bei den katholischen Jugendlichen. Und da fragt man sich schon,
was eigentlich an Weihnachten dann noch gefeiert wird. Schließlich gehen viele an
Weihnachten zur Kirche oder haben zu Hause eine Weihnachtstradition, wie das aufstellen
von Krippen. Und wenn dann ein nicht geringer Teil in Gott kein Gegenüber sieht, muss
man fragen, ob die religiöse Bildung an dieser stelle erfolgreich war, oder ob da
noch etwas nachjustiert werden sollte.“ Vieles befinde sich aber auch im Aufbruch,
so Martin Rieger. Er spricht sich dafür aus, noch einmal genauer hinzuschauen, wenn
es um die Religiosität Jugendlicher und junger Erwachsener in Deutschland geht:
„Manches
Mal wurde artikuliert, die Religiosität nehme immer mehr ab und habe immer weniger
Bedeutung. Und das kann der Religionsmonitor eindeutig widerlegen. Gleichermaßen müssen
wir aber auch darauf hinweisen, dass die Kirchen offensichtlich von dieser Renaissance
der Wahrnehmung der religiösen Fragen noch nicht profitiert haben.“ Die katholische
Kirche müsse die vielschichtige religiöse Suche Jugendlicher genauer wahrnehmen, meint
Rieger. Am heutigen Welttag der Migranten richtet der Fachmann der Bertelsmann-Stiftung
dabei den Blick besonders auf die jungen Erwachsenen, die als Zuwanderer nach Deutschland
kommen.
„Aber wenn wir auf die demographische Entwicklung in Deutschland
schauen, dann stellen wir fest, dass ein großer Teil der jungen Menschen Migrationshintergrund
hat. Und das trifft nicht zuerst auf die Muslime zu. Darunter befinden sich auch viele
Christen, die eine etwas traditionellere religiöse Prägung und auch Praxis erfahren
haben, so dass sicher eine neue Sprache hinsichtlich der Bedeutung der Religiosität
in den jüngeren Bevölkerungsgruppen schon längst eingetreten ist.“ Es
müsse Anliegen der Kirche sein, diese Sprache zu hören und zu verstehen. (rv 18.12.2009
vp)