Dänemark/Vatikan: Migliore, „Gipfel gebar eine Maus“
Buchstäblich fünf
vor Zwölf war es: In die zeitweise festgefahrenen Verhandlungen der Weltklimakonferenz
in Kopenhagen ist kurz vor Ende wieder Bewegung gekommen. Einer Gruppe von 30 Staats-
und Regierungschefs gelang es am Freitagmorgen in Kopenhagen, sich auf die Grundzüge
einer politischen Erklärung zum Kampf gegen den Klimawandel zu verständigen. Dennoch
wird der Gipfel am Freitagabend ohne ein präzises Abkommen zu Ende gehen. „Der Berg
kreiste und gebar eine Maus“, fasste der Leiter der Vatikan-Delegation, Erzbischof
Celestino Migliore, die knapp zweiwöchigen Beratungen und monatelangen Vorbereitungen
zusammen.
Einzelheiten zu dem seit Freitagvormittag zirkulierenden Dokument: Die
politische Erklärung soll den Überbau für die beiden Verhandlungsstränge zu Kyoto
und der Klimarahmenkonvention bilden. Zentrale Punkte blieben jedoch noch offen. Das
gut zweiseitige Papier enthält offenbar klare Finanzzusagen, ein Bekenntnis zum sogenannten
Zwei-Grad-Ziel, das verhindern soll, dass sich die Erde um mehr als zwei Grad gegenüber
vorindustriellem Niveau erwärmt, und nimmt auch die Schwellenländer in die Pflicht.
Innerhalb des nächsten halben Jahres sollten die Vereinbarungen in ein rechtsverbindliches
Abkommen überführt werden. „Ist das eine Frage des politischen Willens?“, hatte
der Vatikan-Vertreter in Kopenhagen, Erzbischof Celestino Migliore, in seiner Wortmeldung
am Donnerstag provokant gefragt. Sei die bislang fehlende Einigung in den für die
Menschheit so wichtigen Fragen den nationalen Interessen geschuldet? Oder wirtschaftlichen
Rechnungsschwierigkeiten? Oder der weiter bestehenden Dominanz der Energiewirtschaft
über die Entwicklungshilfe? „Zweifellos, in Wahrheit sei es von allem ein bisschen“,
so Migliore. Der Vatikan halte dagegen an der Forderung fest: Zwischen Klima- und
Umweltschutz, Bildung, Lebensstil und ethischer Ausrichtung der Wirtschaft müsse ein
enger Zusammenhang bestehen.
Im Gespräch mit Radio Vatikan sagte der Vatikan-Diplomat
am Freitagnachmittag: „Diese politische Übereinkunft, diese wenigen Resultate
ermöglichen es zumindest, mit einer präzisen Grundlage zur nächsten Konferenz nach
Mexiko zu gehen. Die großen Länder, wie die USA und China sind Teil des Problems und
ihre Anwesenheit bei so einem Gipfel ist natürlich unverzichtbar. Das gilt, egal,
was sie dann hier sagen. Das Versprechen der Vereinigten Staaten, gemeinsam mit anderen
Ländern innerhalb eines bestimmten Datums 100 Milliarden Dollar aufzubringen und Entwicklungsländern
zu helfen, dem Klimawandel zu begegnen, scheint mir positiv zu sein. Die Erklärungen,
das wissen wir, können Hoffnung wecken, aber ändern die Lage nicht grundsätzlich.“ In
Kopenhagen habe die „strategische Vision“ gefehlt, kritisierte die Vatikanzeitung
„Osservatore Romano“. Das Gipfeltreffen habe mehr Gegensätze als Lösungen zutage gefördert,
schreibt der neue Chef der Vatikanbank IOR, Ettore Gotti Tedeschi, in einem Beitrag
für die Donnerstagausgabe. Die Konflikte seien nicht nur zwischen den Demonstranten
und der Polizei, sondern auch zwischen reichen und armen Ländern, Wissenschaftlern
und Politikern sowie den verschiedenen Interessengruppen aufgetreten. – Die europäischen
Bischöfe riefen kurz vor Abschluss des Gipfels zu mutigem Handeln auf. In einem Brief
an EU-Institutionen und Staatschefs fordern sie die EU auf, die Höhe der Treibhausgas-Reduktion
um 30 Prozent bis 2020 festzulegen. Zudem müsse sichergestellt werden, dass finanzielle
Hilfen für die Folgen des Klimawandels zusätzlich zur bestehenden Entwicklungshilfe
geleistet werden. Nur so könne die EU echte Solidarität mit den Menschen zeigen, die
bereits unter den Folgen des Klimawandels litten. Unterzeichner des Briefes sind neben
dem Hamburger Erzbischof Werner Thissen Bischöfe aus Großbritannien, Österreich, Belgien
und Irland.