Wyrwoll: „Wir gehören im Grunde zur gleichen catholica“
Kaum noch Spielraum sieht das Moskauer Patriarchat im Kontakt mit der Evangelischen
Kirche in Deutschland. „Die Tatsache, dass jetzt eine Frau an der Spitze der evangelischen
Kirche Deutschlands steht, wirft prinzipiell die Frage auf, ob der Dialog noch in
derselben Form weitergehen kann.“ So kommentierte Erzbischof Hilarion, Außenamtschef
des Moskauer Patriarchats, zuletzt den EKD-Ratsvorsitz der Hannoverschen Landesbischöfin
Margot Käßmann. Mit den Katholiken vertiefen die Russisch-Orthodoxen dagegen das Gespräch.
Zum sechsten Mal trafen sich in der vergangenen Woche Vertreter der russisch-orthodoxen
Kirche und der deutschen Bischöfe – und zwar im Benediktinerkloster Weltenburg in
Oberbayern. Im Mittelpunkt der Debatte stand das christliche Menschenbild.
Bei
solchen Gesprächen gehe es nicht um einen Dialog, bei dem man „um theologische Wahrheiten
ringen“ müsse. Das stellt Nikolaus Wyrwoll, Direktor des Ostkirchlichen Instituts
in Regensburg, im Gespräch mit dem Domradio Köln klar. Für den Ostkirchenexperten
stehen die Gespräche auf einer soliden gemeinsamen Basis. Wyrwoll:
„Es geht
darum, dass man ja im Grunde genommen zur gleichen „catholica“ gehört und einfach
die unterschiedlichen Auffassungen und Möglichkeiten der Seelsorge mal bespricht und
sich so gegenseitig hilft.“ Katholiken und Orthodoxe sind sich
nämlich viel näher, als viele gemeinhin denken. 97 Prozent Kircheneinheit sind laut
Ökumene-Bischof Gerhard Ludwig Müller zwischen ihnen schon erreicht. Letzter Streitpunkt
– und der macht die letzten drei Prozent aus – sei vor allem die Frage des Primats.
Wyrwoll:
„Die Russen sind uns ja von allen orthodoxen Kirchen theologisch
am nächsten, aber sie erkennen nicht den Primat in seiner modernen Ausübungsform an.
Und da ist es interessant, dass Kardinal Joseph Ratzinger vor neun Jahren in diesem
umstrittenen Dekret „Dominus Jesus“ gesagt hat: Die Anerkennung des Primats in seiner
modernen Auffassung und Ausübung gehört nicht zu den Kriterien einer echten Teilkirche!
Und in Nummer 17 dieses Dekretes steht: Die Russen sind echte Teilkirchen wie jedes
katholische Bistum auch, obwohl sie den Primat in dieser neuen Form nicht anerkennen.“ Zur
Frage des päpstlichen Primats wird das orthodoxe Patriarchat von Moskau bald ein Dokument
veröffentlichen; der Text wird gerade von der Bibel- und Theologenkommission ausgearbeitet,
ist aus Moskau zu hören. Unsere Nähe gerade zur russischen Spielart der Orthodoxie
erklärt Wyrwoll so:
„Die Griechen und die griechischen Patriarchen von Konstantinopel,
Alexandrien, Jerusalem und Antiochien haben 1755 erklärt, dass wir Westler alle Häretiker
und Heiden sind, und wenn einer von uns zu ihnen kommt, dann muss er wieder getauft
werden. Die Russen haben das zwei Jahre später erfahren – und sich dagegen ausgesprochen:
Nein, wer katholisch ist und zu uns kommen will, der muss einfach nur laut das Glaubensbekenntnis
aufsagen und wer evangelisch ist, der muss die Firmung, die noch einmal empfangen.
Dass die Russen so reagieren, hängt damit zusammen, dass sie über den polnischen Staat
sehr viele Kontakte mit dem Westen hatten und auch viele Formulierungen der Theologie
des Westens übernommen haben – gerade auch in der Auseinandersetzung mit dem Calvinismus.“ (domradio/rv/ansa/spiegel
14.12.2009 sk/pr)