Der frühere deutsche
Außenminister Hans-Dietrich Genscher ist an diesem Montag von Papst Benedikt XVI.
in Audienz empfangen worden. Anlass für Genschers Besuch ist ein Festakt an der deutschen
Botschaft beim Heiligen Stuhl. Vor 25 Jahren wurde das Residenzgebäude des Botschafters
im römischen Stadtteil Parioli fertig gestellt. Architekt war Alexander Freiherr von
Branca.
Im Gespräch mit Radio Vatikan würdigt der frühere Außenminister die
inhaltlichen Grundübereinstimmungen zwischen Deutschland und dem Heiligen Stuhl gerade
im Blick auf die Menschenwürde. Keine Selbstverständlichkeit nach Reformation, Drittem
Reich und deutsch-deutscher Teilung. Genscher:
„Für uns ist ja diese Beziehung
zum Heiligen Stuhl immer außerordentlich wichtig gewesen, aber nicht immer einfach,
und zwar haben wir von unserer Seite es dem Vatikan nicht immer einfach gemacht. Vor
allen Dingen ist für mich als Außenminister immer wichtig gewesen, dass der Vatikan
eine globale Betrachtung der Probleme hat, sehr viel früher, als das bei den Staaten
Europas der Fall war. Auch die Weisheit und die Erfahrung der katholischen Weltkirche
waren für den protestantischen deutschen Außenminister von einem großen Gewicht.“ Mit
Papst Johannes Paul II. verband den 82-Jährigen, gebürtig aus Halle, über die diplomatischen
Beziehungen im geteilten Europa hinaus eine enge persönliche Beziehung. Sie teilten
das Schicksal, so Genscher, „dass unsere Heimat im kommunistischen Machtbereich lag,
und wir von Herzen wünschten, dass unsere Heimat unter demokratischen Verhältnissen
leben kann“.
Der Fall der Mauer vor 20 Jahren habe den Kalten Krieg beendet
und damit die Welt verändert, betonte der damalige Außenminister auch im Gespräch
mit uns. Die Kirchen würdigte Genscher erneut als „Ort des friedlichen Protestes“.
Diese entscheidende Rolle hätten sie heute nicht mehr – ein Fakt, den sie nicht hinnehmen
dürften:
„Jetzt stehen wir ja in einer Situation, in der wir sagen müssen,
dass die Bedeutung der Kirchen auch für das gesellschaftliche Leben nicht die ist,
die wir eigentlich hätten erwarten dürfen nach der entscheidenden Rolle, die die Kirchen
gespielt haben. Ich glaube, dass wir heute vor einer Situation stehen, wo viele Menschen
im Osten auch suchen und hier müssen beide Kirchen ihre Antwort geben können, um Menschen
wieder zu gewinnen für den christlichen Glauben.“ (rv 14.12.2009 ord/bp)