Klimagipfel: „Entwicklungshilfe und Klimaschutz nicht gegeneinander ausspielen“
Der Heilige Stuhl
unterstützt ein Umweltabkommen, bei dem alle Staaten zur Verantwortung gezogen werden.
Das sagte gegenüber Radio Vatikan der Leiter der vatikanischen Delegation beim Klimagipfel
in Kopenhagen, Erzbischof Celestino Migliore. Tief enttäuscht hat sich indes der
Hamburger Erzbischof Werner Thissen an diesem Donnerstag über die deutsche Klimapolitik
geäußert. Die Entscheidung des Bundestages, Finanzhilfen für ärmere Länder zur Anpassung
an den Klimawandel mit den bereits versprochenen Mitteln zur Armutsbekämpfung zu verrechnen,
sei ein „Skandal“ und ein „völlig falsches Signal“ an die Kopenhagener Klimakonferenz.
Das sagte der Misereor-Bischof anlässlich einer Kommissionssitzung des Hilfswerkes.
„Will die Regierungskoalition die Bewältigung von Klimakatastrophen gegen Gesundheit
und Bildung in den armen Ländern ausspielen? Das ist nicht gerecht, sondern ein Rückschlag!“
erklärte Thissen.
Was der Klimagipfel bis zum 18. Dezember letztlich bringen
wird, ist nicht abzusehen. Ein Scheitern könne sich die Welt nicht leisten. Das meint
gegenüber Radio Vatikan auch der Klimaexperte Johannes Wallacher von der Jesuiten-Hochschule
für Philosophie in München. Wallacher berät die Deutsche Bischofskonferenz in Fragen
der Sozialethik und Weltwirtschaft, Anne Preckel hat mit ihm gesprochen.
In
Bezug auf eine verbindliche Einigung der Länder zur Senkung des CO2-Ausstoßes und
zur Aufstockung der Entwicklungshilfe wagt Wallacher trotz aller Unwägbarkeiten eine
positive Prognose: „Auch wenn die Aussichten momentan nicht sehr
gut sind, sollte man trotzdem nicht die Hoffnung begraben, dass man in Kopenhagen
die Weichen in die richtige Richtung stellt. Auch wenn wir kein Abkommen bekommen
werden, wo alles ins letzte Detail ausgehandelt wird, ist es ganz wichtig, von Kopenhagen
aus Schubkraft zu bekommen, um im nächsten Jahr dann zu einem verbindlichen Abkommen
zu gelangen.“ Bei der Klimafrage sei eine „neue Qualität weltweiter
Partnerschaft“ notwendig. Die schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels wie Dürren,
Überschwemmungen und Stürme seien ja vor allem in den Entwicklungsländern zu spüren,
so Wallacher. Andererseits gefährde eine schnelle Emissionsreduzierung in diesen Ländern
das so notwendige Wirtschaftswachstum – ein Dilemma. Wallacher: „Das
Wirtschaftswachstum ist ja nach wie vor die notwendige, wenn auch nicht hinreichende
Voraussetzung für breitenwirksame Entwicklung. Wir müssen genau aus diesem Dilemma
Auswege finden und das können wir nur schaffen, indem wir eine Gesamtperspektive eröffnen,
die sich nicht auf technische Detaildebatten reduziert, sondern die Menschen und ihre
Lebenschancen ins Zentrum stellt. Damit sie den Klimawandel bekämpfen und gleichzeitig
an Entwicklung teilhaben können.“ Entwicklungshilfe und Klimaschutz
sollen also parallel verlaufen, so das Kredo des Experten. Zugleich geht es um Nachhaltigkeit.
Aufstrebende Länder wie China und Indien müssten vor den Klimasünden bewahrt werden,
die andere Nationen schon begangen haben. „Wenn man die beiden
großen Emittenten China und Indien betrachtet: Sie sind betroffen vom Klimawandel,
stoßen aber selbst das meiste CO2 aus. Diese Länder brauchen Unterstützung, damit
sie nicht die Sünden begehen, die wir in den letzten Jahrzehnten begangen haben. Wir
brauchen also einen radikalen Umbau des Energiesystems weltweit. Wir müssen diese
Länder durch entsprechende Energie unterstützen, damit sie ihre Emissionen zügig absenken
können.“ Das Kyoto-Protokoll ist bis heute nicht einheitlich ratifiziert.
Die Unstimmigkeiten der Länder beim Klimaschutz mögen auf den ersten Blick unlösbar
erscheinen. Was aber, wenn dem globalen Problem nur mit vielstimmigen Rezepten beizukommen
wäre? Ein ganzer Maßnahmenkatalog sei für die Rettung des Klimas notwendig, weiß Wallacher.
Und, so weiter, ethische „Leitplanken“, die den Dialog der Länder in die richtigen
Bahnen lenken. Wallacher nennt Beispiele: „Seit einigen Jahren
hat sich die Staatengemeinschaft das Zwei-Grad-Ziel gesetzt, das heißt, man hat sich
auf zwei Grad Celsius als Maximum der Erdewärmung geeinigt, weil nach wissenschaftlichen
Erkenntnissen dieser Wert noch eine Anpassung an die Folgen des Klimawandels erlaubt.
Gleichzeitig wäre bei dieser Richtlinie noch Spielraum gegeben, dass die Entwicklungsländer
sich entwickeln können. Das wäre also eine Leitplanke. Eine zweite wichtige Leitplanke
ist, dass in diesem Konzept Klima und Entwicklungspolitik nicht gegeneinander ausgespielt
werden dürfen. Dass wir jetzt nicht alle entwicklungspolitischen Maßnahmen abziehen
zugunsten der Anpassung, weil dadurch das große Problem der Armut letztlich auch nicht
gelöst werden kann.“ Damit die Beratungen in Kopenhagen nicht zum
Eiertanz werden, sind also Weitsichtigkeit und Wissen um Zusammenhänge die Grundlage,
so Wallacher. Auch Benedikts Forderungen nach der weltweiten Bekämpfung des Hungers
seien ja ohne Klimaschutz gar nicht realistisch. In der Papstbotschaft zum Weltfriedenstag
im Januar 2010 wird Klimapolitik endlich im Mittelpunkt stehen. Wallacher begrüßt
dies sehr: „Die Botschaft des Weltfriedenstages ist ja: Wenn du
den Frieden willst, bewahre die Schöpfung. Das geht denke ich genau in die richtige
Richtung. Ich habe da große Hoffnung, dass der Papst dieses Thema auch wirklich voranbringt.
Und dass er auch in kirchlichen Kreisen, wo es nicht wenige Skeptiker gibt zur Klimaproblematik,
ein Bewusstsein schaffen kann.“ (rv 19.11./10.12.2009 pr)