2009-12-10 18:32:15

Klimagipfel: „Entwicklungshilfe und Klimaschutz nicht gegeneinander ausspielen“


RealAudioMP3 Der Heilige Stuhl unterstützt ein Umweltabkommen, bei dem alle Staaten zur Verantwortung gezogen werden. Das sagte gegenüber Radio Vatikan der Leiter der vatikanischen Delegation beim Klimagipfel in Kopenhagen, Erzbischof Celestino Migliore.
Tief enttäuscht hat sich indes der Hamburger Erzbischof Werner Thissen an diesem Donnerstag über die deutsche Klimapolitik geäußert. Die Entscheidung des Bundestages, Finanzhilfen für ärmere Länder zur Anpassung an den Klimawandel mit den bereits versprochenen Mitteln zur Armutsbekämpfung zu verrechnen, sei ein „Skandal“ und ein „völlig falsches Signal“ an die Kopenhagener Klimakonferenz. Das sagte der Misereor-Bischof anlässlich einer Kommissionssitzung des Hilfswerkes. „Will die Regierungskoalition die Bewältigung von Klimakatastrophen gegen Gesundheit und Bildung in den armen Ländern ausspielen? Das ist nicht gerecht, sondern ein Rückschlag!“ erklärte Thissen.

Was der Klimagipfel bis zum 18. Dezember letztlich bringen wird, ist nicht abzusehen. Ein Scheitern könne sich die Welt nicht leisten. Das meint gegenüber Radio Vatikan auch der Klimaexperte Johannes Wallacher von der Jesuiten-Hochschule für Philosophie in München. Wallacher berät die Deutsche Bischofskonferenz in Fragen der Sozialethik und Weltwirtschaft, Anne Preckel hat mit ihm gesprochen.

In Bezug auf eine verbindliche Einigung der Länder zur Senkung des CO2-Ausstoßes und zur Aufstockung der Entwicklungshilfe wagt Wallacher trotz aller Unwägbarkeiten eine positive Prognose:

„Auch wenn die Aussichten momentan nicht sehr gut sind, sollte man trotzdem nicht die Hoffnung begraben, dass man in Kopenhagen die Weichen in die richtige Richtung stellt. Auch wenn wir kein Abkommen bekommen werden, wo alles ins letzte Detail ausgehandelt wird, ist es ganz wichtig, von Kopenhagen aus Schubkraft zu bekommen, um im nächsten Jahr dann zu einem verbindlichen Abkommen zu gelangen.“
 
Bei der Klimafrage sei eine „neue Qualität weltweiter Partnerschaft“ notwendig. Die schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels wie Dürren, Überschwemmungen und Stürme seien ja vor allem in den Entwicklungsländern zu spüren, so Wallacher. Andererseits gefährde eine schnelle Emissionsreduzierung in diesen Ländern das so notwendige Wirtschaftswachstum – ein Dilemma. Wallacher:
 
„Das Wirtschaftswachstum ist ja nach wie vor die notwendige, wenn auch nicht hinreichende Voraussetzung für breitenwirksame Entwicklung. Wir müssen genau aus diesem Dilemma Auswege finden und das können wir nur schaffen, indem wir eine Gesamtperspektive eröffnen, die sich nicht auf technische Detaildebatten reduziert, sondern die Menschen und ihre Lebenschancen ins Zentrum stellt. Damit sie den Klimawandel bekämpfen und gleichzeitig an Entwicklung teilhaben können.“
 
Entwicklungshilfe und Klimaschutz sollen also parallel verlaufen, so das Kredo des Experten. Zugleich geht es um Nachhaltigkeit. Aufstrebende Länder wie China und Indien müssten vor den Klimasünden bewahrt werden, die andere Nationen schon begangen haben.
 
„Wenn man die beiden großen Emittenten China und Indien betrachtet: Sie sind betroffen vom Klimawandel, stoßen aber selbst das meiste CO2 aus. Diese Länder brauchen Unterstützung, damit sie nicht die Sünden begehen, die wir in den letzten Jahrzehnten begangen haben. Wir brauchen also einen radikalen Umbau des Energiesystems weltweit. Wir müssen diese Länder durch entsprechende Energie unterstützen, damit sie ihre Emissionen zügig absenken können.“
 
Das Kyoto-Protokoll ist bis heute nicht einheitlich ratifiziert. Die Unstimmigkeiten der Länder beim Klimaschutz mögen auf den ersten Blick unlösbar erscheinen. Was aber, wenn dem globalen Problem nur mit vielstimmigen Rezepten beizukommen wäre? Ein ganzer Maßnahmenkatalog sei für die Rettung des Klimas notwendig, weiß Wallacher. Und, so weiter, ethische „Leitplanken“, die den Dialog der Länder in die richtigen Bahnen lenken. Wallacher nennt Beispiele:
 
„Seit einigen Jahren hat sich die Staatengemeinschaft das Zwei-Grad-Ziel gesetzt, das heißt, man hat sich auf zwei Grad Celsius als Maximum der Erdewärmung geeinigt, weil nach wissenschaftlichen Erkenntnissen dieser Wert noch eine Anpassung an die Folgen des Klimawandels erlaubt. Gleichzeitig wäre bei dieser Richtlinie noch Spielraum gegeben, dass die Entwicklungsländer sich entwickeln können. Das wäre also eine Leitplanke. Eine zweite wichtige Leitplanke ist, dass in diesem Konzept Klima und Entwicklungspolitik nicht gegeneinander ausgespielt werden dürfen. Dass wir jetzt nicht alle entwicklungspolitischen Maßnahmen abziehen zugunsten der Anpassung, weil dadurch das große Problem der Armut letztlich auch nicht gelöst werden kann.“
 
Damit die Beratungen in Kopenhagen nicht zum Eiertanz werden, sind also Weitsichtigkeit und Wissen um Zusammenhänge die Grundlage, so Wallacher. Auch Benedikts Forderungen nach der weltweiten Bekämpfung des Hungers seien ja ohne Klimaschutz gar nicht realistisch. In der Papstbotschaft zum Weltfriedenstag im Januar 2010 wird Klimapolitik endlich im Mittelpunkt stehen. Wallacher begrüßt dies sehr:
 
„Die Botschaft des Weltfriedenstages ist ja: Wenn du den Frieden willst, bewahre die Schöpfung. Das geht denke ich genau in die richtige Richtung. Ich habe da große Hoffnung, dass der Papst dieses Thema auch wirklich voranbringt. Und dass er auch in kirchlichen Kreisen, wo es nicht wenige Skeptiker gibt zur Klimaproblematik, ein Bewusstsein schaffen kann.“
 
(rv 19.11./10.12.2009 pr)







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