Der Staat ist bei
der Regelung der Krise von den Banken über den Tisch gezogen worden. Das sagte der
Sozialethiker und Jesuit Friedhelm Hengsbach jetzt im Interview mit der Süddeutschen
Zeitung in München. Zwar brauche es in der andauernden Wirtschaftskrise einen starken
Staat, der die allgemeinen gegenüber privaten Interessen verteidige. Das Problem sei
allerdings: Der Staat macht die Ordnungsregeln nicht allein.
Hengsbach: „Der
Staat ist natürlich eingebunden in ein politisches Netzwerk, wo auch Wirtschaftsunternehmen
und Lobbyisten beziehungsweise zivilgesellschaftliche Akteure beteiligt sind, so dass
durch diese Balance Regeln im Einverständnis getroffen werden. Daran sind alle beteiligt,
das heißt, es besteht immer die Gefahr, dass der Staat erpresst wird.“ Ein
fast schon alltägliches Szenario: Banken machen Milliardenverluste, der Staat springt
ein, sarniert, stopft Löcher und mit ihm zahlt der Steuerzahler. So geschehen auch
im Fall der größten deutschen Landesbank von Baden-Würtemberg (LBBW). Ausgerechnet
sie macht dieser Tage Schlagzeilen wegen unlauterer Kreditgeschäfte. Trotz der internationalen
Hypothekenkrise habe die Bank Ende 2006 riskante Investitionen getätigt oder zumindest
geduldet. Dadurch sei ein Schaden in Millionenhöhe entstanden, teilten die Stuttgarter
Staatsanwaltschaft und das Landeskriminalamt am Montag mit. Schwere Untreue lautet
der Vorwurf gegen sieben amtierende wie ehemalige Vorstandsmitglieder und Manager
der LBBW. Viele sehen das als weiteren Beweis dafür, dass die Finanzkrise Folge der
grenzenlosen Gier einer kleinen Wirtschaftselite sei. Das stimme nicht ganz, erklärte
Hengsbach, denn auch der Staat sei Bestandteil der Krise gewesen:
„In Europa
und auch gerade in Deutschland haben die Regierungen, um den Finanzplatz Deutschland
aufzumotzen, die strengen Regeln der Finanzwirtschaft aufgelockert. Sie haben somit
die Grundlagen dieser Krise gelegt, etwa durch starke Eingriffe in den sozialen Zusammenhalt,
durch die Deformation der solidarischen Sicherungssysteme. Sie haben jedenfalls die
Krise in ihrer sozialen Dimension verschärft und selbst dazu beigetragen. Und auch
die Art und Weise der Rettung: Sie haben die apokalyptische Krisendramaturgie der
Banken übernommen.“ (sz/rv/diverse 08.12.2009 ad)