Erzbischof von Bhopal: Giftopfer warten noch immer auf Gerechtigkeit
Eine „technische Panne“ mit verheerenden Folgen: 25 Jahre nach der schlimmsten Chemiekatastrophe
der Geschichte warten die Menschen im indischen Bhopal noch immer auf Gerechtigkeit.
In der Nacht vom zweiten auf den dritten Dezember des Jahres 1984 traten aus dem US-Chemiekonzern
„Union Carbide“ mehrere Tonnen giftige Pflanzenschutzmittel in die Atmosphäre. Über
7.000 Menschen starben innerhalb von drei Tagen, in den folgenden Jahren weitere 15.000.
Ein viertel Jahrhundert später sind unter der Bevölkerung Bhopals Trauer, Wut und
Enttäuschung immer noch groß. Der Erzbischof von Bhopal, Leo Cornelio: „Noch
immer gibt es hier keine Gerechtigkeit! Viele Menschen leiden heute noch, vor allem
Arme, Kinder und Frauen. Auch nach 25 Jahren ist die Tragödie nicht vergessen, die
Konsequenzen sind bis heute sichtbar und es gibt viel wieder gut zu machen. Die Leute
sind wütend und aufgebracht. In diesen Tagen gab es viele Gebete und Protestkundgebungen.
Davon erfährt die Welt aber viel zu wenig, denn die Armen haben einfach keine Stimme.
Dieses amerikanische Großunternehmen hat zwar teilweise etwas gegeben, aber nicht
genug. Und es hat auch nicht die Hilfe geleistet, um welche die Armen gebeten haben.
Es gibt hier noch so viel Leiden. Da muss doch der Wille da sein, zu helfen und das
Notwendige zu tun!“ Gravierende Sicherheitsmängel, ignorierte Warnungen und
fehlende Notfallpläne führten dazu, dass sich der Chemieunfall zur humanitären Katastrophe
auswuchs. Für den Vorfall und seine Folgen hat bis heute niemand volle Verantwortung
übernommen. Das Entschädigungsgeld, das an die indische Bevölkerung und Regierung
floss, war den Tausenden Opfern nur kurzfristige Hilfe und erreichte lange nicht alle.
Außerdem seien Quecksilber und krebserregende Chemikalien – so der Bischof – immer
noch in Boden und Wasser zu finden. Cornelio: „Diese Gegend ist ganz sicher
noch verseucht. Dabei müssten sie hier doch eigentlich alles komplett entgiften, das
ist doch wichtig! Viele Leute haben ihre Angehörigen, ihre Arbeit, ja teilweise alles
verloren. Und die Regierung sagt ihnen: Habt keine Angst. Man kann die Folgen dieses
Unfalls aber nicht ständig klein reden. Man muss die Dinge beim Namen nennen, denn
ganz klar gibt es hier noch Probleme. Erst wenn die gelöst sind, werden die Armen
hier vielleicht ein wenig Gerechtigkeit erfahren.“ Tausende Menschen erblindeten
nach dem Unfall, erlitten Hirnschäden, Organschäden und Lähmungen. Eine Generation
danach wurden die Spätfolgen sichtbar: Fehlbildungen an Neugeborenen und Wachstumsstörungen
bei Kindern. Während für Union Carbide Bhopal ein abgeschlossenes Kapitel ist, setzt
sich die Kirche dort vor allem für diese Opfer ein. Angesichts des Ausmaßes der Katastrophe
scheint ihr Einsatz jedoch als Tropfen auf dem heißen Stein. Erzbischof Cornelio:
„Seit die Katastrophe passierte, war die Kirche immer an der Seite der Armen.
Und diese Hilfe führen wir bis heute weiter. Wir haben jetzt drei Schulen für geistig
und körperlich Behinderte, in die über 200 Kindern gehen. Dann haben wir noch zwei
Krankenhäuser und drei oder vier soziale Zentren, in denen wir die Menschen so gut
es geht unterstützen. Wir kümmern uns auch darum, dass die Anfragen der Menschen die
Regierung erreichen. Und wir sind mit der Regierung im Gespräch, damit den Armen endlich
geholfen werden kann!“ (rv 07.12.2009 pr)