2009-12-07 11:40:39

Bischof von Novosibirsk: „Katholische Kirche Russlands schaut mutig nach vorn“


Für volle diplomatische Beziehungen zwischen Russland und dem Heiligen Stuhl haben sich in der letzten Woche Papst Benedikt und der russische Präsident Dmitri Medvedev ausgesprochen. Bisher bestanden zwischen den beiden Staaten nur „diplomatische Kontakte" – wohl auch mit Rücksicht auf die russisch-orthodoxe Kirche, deren Verhältnis zum Vatikan erst in den letzten Jahren deutlich besser wurde. Eben diese russisch-orthodoxe Kirche maß dem diplomatischen Schritt keine allzu große Bedeutung bei. Vollwertige Beziehungen bestünden doch schon seit Jahren, so der Sekretär des kirchlichen Außenamtes, Erzpriester Igor Vyzhanov. Die Katholiken in der russischen Föderation freuen sich dagegen. Joseph Werth, Bischof von Novosibirsk, im Gespräch mit Radio Vatikan:

Positives Zeichen
„Soweit ich weiß, hatte der Vatikan mit dem russischen Reich auch vor der kommunistischen Revolution 1917 volle diplomatische Beziehungen. Und diese Beziehungen werden jetzt wieder hergestellt. Das ist wirklich ein großer Fortschritt. Das zeigt an erster Stelle, dass der Staat Russland zur katholischen Kirche und zum Heiligen Stuhl positiv steht. Das kommt auch uns Katholiken in Russland zugute. Ich hoffe, dass die orthodoxe Kirche das nicht beneiden wird..."

Während sich die Kirchen West-Europas im 20. Jahrhundert freier entwickeln konnten, wurden in Russland religiöse und ökumenische Bemühungen über Jahrzehnte hinweg unterdrückt. Auch deshalb sei die Annäherung der orthodoxen und katholischen Kirche teilweise schwierig verlaufen. Werth:

„Wir lebten 70 Jahre in einem Land, in dem alle Konfessionen verfolgt wurden. Man durfte in dieser Zeit keine offiziellen Beziehungen untereinander haben. Derzeit hat man in Europa, in der „anderen freien Welt", ökumenische Beziehungen aufgebaut. Wenn bei uns solche Beziehungen aufgebaut wurden, dann ging das von der Partei aus, um dem Westen zu zeigen, dass bei uns „Religionsfreiheit“ herrscht. Heute fangen wir neu an, und die ersten Schritte sind ja immer die schwierigsten. Deshalb hat es in den 90er Jahren zuletzt viele Probleme gegeben zwischen orthodoxer und katholischer Kirche. In den letzten Jahren ist es aber doch besser geworden."

Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs habe es in Russland einen regelrechten Aufschwung der Religion gegeben. In Moskau erprobe man zum Beispiel schon seit einigen Jahren den Religionsunterricht an Schulen. An diese Entwicklung müsse man jetzt „ernsthaft" anknüpfen. Der Bischof:

„Auf einmal kam die Freiheit, und da gab es eine Welle der Begeisterung. Das war aber nur vorübergehend – wie auch die anderen Länder des Ostblocks zeigen – und so ist diese Begeisterung bei uns schon vorbei. Jetzt fängt eine ernste Arbeit an. In der orthodoxen Kirche war anfangs die Vorbereitung der Menschen auf die Sakramente sehr schwach ausgeprägt. Das nennen wir in der katholischen Kirche Katechisierung. Diese Vorbereitung ist heute in der orthodoxen Kirche schon viel besser geworden. Viele Priester bereiten etwa die Leute auf die Taufe vor; vielleicht nicht so lange wie in der katholischen Kirche, aber immerhin wird inzwischen wenig ohne Vorbereitung getauft."

Volle Diplomatie – dann auch bitte volle religiöse Freiheit
Die „Vertrauensbeziehung" zwischen Staat und russisch-orthodoxer Kirche sei „zum Wohl ganz Russlands", sagte Dmitri Medvedev bei seinem Amtsantritt im Mai 2008. Dieses Verhältnis habe sich in der Tat entspannt, so Bischof Werth. Und auch viele katholische Strukturen seien in den letzten zwanzig Jahren entstanden. Die katholische Kirche sei dem Staat für diese „neuen Freiheiten" sehr dankbar. Dennoch – vieles sei verbesserungswürdig. Werth:
„Wenn man genauer hinsieht, gibt es noch viele Probleme, die uns tagtäglich begegnen. Unsere Priester sind zu 90 Prozent Ausländer und müssen ein Dauervisum oder eine Erlaubnis für längeren Aufenthalt beantragen. Ein Priester muss zuerst ins Land kommen, wo er ein Visum für nur 90 Tage erhält, danach muss er das Land verlassen und so weiter... Erst in sechs oder neun Monaten kann er im Idealfall diese Dauergenehmigung bekommen. Aber oft wird sie auch nicht gewährt. Nach meiner Information hat nicht mal der Bischof in Irkutz eine, der ja in der Sowjetunion geboren wurde! Da wünschte ich mir, dass uns der Staat mehr entgegenkäme."

Im Präsidentenrat für religiöse Angelegenheiten sei in den letzten Jahren kein Bischof mehr vertreten gewesen, bedauert Werth. Und für volle religiöse Freiheit seien auch sichtbare Orte des Glaubens wichtig – die Kirchen, die teilweise immer noch in staatlicher Hand seien.

„Wir Katholiken sind eine Minderheit im Lande und da müsste doch der Staat besonders auf uns schauen und uns helfen. Alleine schaffen wir es nicht. Deshalb wünsche ich mir, dass der Staat uns etwa bei verschiedenen bürokratischen Dingen hilft, es möglich macht, dass Priester und Ordensleute länger in unserem Land bleiben dürfen und die Gläubigen betreuen können. Und dann wünsche ich mir, dass uns unsere alten Kirchen wieder zurückgegeben werden, damit wir spüren, dass wir religiöse Freiheit im Land voll und ganz erleben können."

Gemeinsam ist man lauter
Der Einfluss der Kirche wirke sich in Europa positiv auf Demokratie und christliche Identität aus, lobt der Bischof von Novosibirsk. Angesichts der Probleme Russlands - dem Tschetschenienkonflikt und der Einschränkung der Pressefreiheit - brauche das Land starke Kirchen. Um gehört zu werden, müssten die Kirchen aber mit gemeinsamer Stimme sprechen. Werth:

„Im Westen und in Europa verschafft sich die Kirche im öffentlichen Leben Gehör. Sie erinnert zum Beispiel immer wieder an die christlichen Wurzeln Europas. Und das hat dann in Europa bei euch wahrscheinlich auch praktische Auswirkungen. Wir hoffen, dass das auch hier bei uns so sein kann: Dass der Staat den Stimmen der Kirchen zuhört. Wenn wir christlichen Kirchen uns untereinander einig sind, dann wird diese Stimme auch lauter."

Werden sich die engeren Beziehungen zwischen russischem Staat und Vatikan auch positiv auf die Ökumene auswirken? Die nächsten Entwicklungen seien abzuwarten, so der Bischof. Schließlich werde das Papier ja erst noch unterschrieben. Und während Vatikan und Kreml neue Abkommen schließen, pflegt er selbst die Erinnerung. Und schaut mit Hoffnung in die Zukunft.

„Ich bin jetzt gerade aus Orkutz zurückgekommen. Wir haben dort das zehnjährige Jubiläum des Bischofs gefeiert. Solche kleinen Jubiläen benutzen wir, um unsere Gemeinden und unsere Gläubigen zu sammeln, damit sie über unsere Geschichte nachdenken und begreifen, dass wir eine Vergangenheit haben. Wir feiern in den letzten Jahren immer wieder Hundert Jahre Einweihung der Kirchen, weil gerade Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts viele Kirchen gebaut und eingeweiht wurden. Trotz aller Schwierigkeiten: Die katholische Kirche in Russland schaut mutig nach vorn, wir vertrauen auf Gott und es wird schon alles gut sein."

(rv 05.12.2009 pr) 







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