Bischof von Novosibirsk: „Katholische Kirche Russlands schaut mutig nach vorn“
Für volle diplomatische Beziehungen zwischen Russland und dem Heiligen Stuhl haben
sich in der letzten Woche Papst Benedikt und der russische Präsident Dmitri Medvedev
ausgesprochen. Bisher bestanden zwischen den beiden Staaten nur „diplomatische Kontakte"
– wohl auch mit Rücksicht auf die russisch-orthodoxe Kirche, deren Verhältnis zum
Vatikan erst in den letzten Jahren deutlich besser wurde. Eben diese russisch-orthodoxe
Kirche maß dem diplomatischen Schritt keine allzu große Bedeutung bei. Vollwertige
Beziehungen bestünden doch schon seit Jahren, so der Sekretär des kirchlichen Außenamtes,
Erzpriester Igor Vyzhanov. Die Katholiken in der russischen Föderation freuen sich
dagegen. Joseph Werth, Bischof von Novosibirsk, im Gespräch mit Radio Vatikan:
Positives
Zeichen „Soweit ich weiß, hatte der Vatikan mit dem russischen Reich auch
vor der kommunistischen Revolution 1917 volle diplomatische Beziehungen. Und diese
Beziehungen werden jetzt wieder hergestellt. Das ist wirklich ein großer Fortschritt.
Das zeigt an erster Stelle, dass der Staat Russland zur katholischen Kirche und zum
Heiligen Stuhl positiv steht. Das kommt auch uns Katholiken in Russland zugute. Ich
hoffe, dass die orthodoxe Kirche das nicht beneiden wird..."
Während sich
die Kirchen West-Europas im 20. Jahrhundert freier entwickeln konnten, wurden in Russland
religiöse und ökumenische Bemühungen über Jahrzehnte hinweg unterdrückt. Auch deshalb
sei die Annäherung der orthodoxen und katholischen Kirche teilweise schwierig verlaufen.
Werth:
„Wir lebten 70 Jahre in einem Land, in dem alle Konfessionen verfolgt
wurden. Man durfte in dieser Zeit keine offiziellen Beziehungen untereinander haben.
Derzeit hat man in Europa, in der „anderen freien Welt", ökumenische Beziehungen aufgebaut.
Wenn bei uns solche Beziehungen aufgebaut wurden, dann ging das von der Partei aus,
um dem Westen zu zeigen, dass bei uns „Religionsfreiheit“ herrscht. Heute fangen wir
neu an, und die ersten Schritte sind ja immer die schwierigsten. Deshalb hat es in
den 90er Jahren zuletzt viele Probleme gegeben zwischen orthodoxer und katholischer
Kirche. In den letzten Jahren ist es aber doch besser geworden."
Nach dem
Fall des Eisernen Vorhangs habe es in Russland einen regelrechten Aufschwung der Religion
gegeben. In Moskau erprobe man zum Beispiel schon seit einigen Jahren den Religionsunterricht
an Schulen. An diese Entwicklung müsse man jetzt „ernsthaft" anknüpfen. Der Bischof:
„Auf
einmal kam die Freiheit, und da gab es eine Welle der Begeisterung. Das war aber nur
vorübergehend – wie auch die anderen Länder des Ostblocks zeigen – und so ist diese
Begeisterung bei uns schon vorbei. Jetzt fängt eine ernste Arbeit an. In der orthodoxen
Kirche war anfangs die Vorbereitung der Menschen auf die Sakramente sehr schwach ausgeprägt.
Das nennen wir in der katholischen Kirche Katechisierung. Diese Vorbereitung ist heute
in der orthodoxen Kirche schon viel besser geworden. Viele Priester bereiten etwa
die Leute auf die Taufe vor; vielleicht nicht so lange wie in der katholischen Kirche,
aber immerhin wird inzwischen wenig ohne Vorbereitung getauft."
Volle
Diplomatie – dann auch bitte volle religiöse Freiheit Die „Vertrauensbeziehung"
zwischen Staat und russisch-orthodoxer Kirche sei „zum Wohl ganz Russlands", sagte
Dmitri Medvedev bei seinem Amtsantritt im Mai 2008. Dieses Verhältnis habe sich in
der Tat entspannt, so Bischof Werth. Und auch viele katholische Strukturen seien in
den letzten zwanzig Jahren entstanden. Die katholische Kirche sei dem Staat für diese
„neuen Freiheiten" sehr dankbar. Dennoch – vieles sei verbesserungswürdig. Werth: „Wenn
man genauer hinsieht, gibt es noch viele Probleme, die uns tagtäglich begegnen. Unsere
Priester sind zu 90 Prozent Ausländer und müssen ein Dauervisum oder eine Erlaubnis
für längeren Aufenthalt beantragen. Ein Priester muss zuerst ins Land kommen, wo er
ein Visum für nur 90 Tage erhält, danach muss er das Land verlassen und so weiter...
Erst in sechs oder neun Monaten kann er im Idealfall diese Dauergenehmigung bekommen.
Aber oft wird sie auch nicht gewährt. Nach meiner Information hat nicht mal der Bischof
in Irkutz eine, der ja in der Sowjetunion geboren wurde! Da wünschte ich mir, dass
uns der Staat mehr entgegenkäme."
Im Präsidentenrat für religiöse Angelegenheiten
sei in den letzten Jahren kein Bischof mehr vertreten gewesen, bedauert Werth. Und
für volle religiöse Freiheit seien auch sichtbare Orte des Glaubens wichtig – die
Kirchen, die teilweise immer noch in staatlicher Hand seien.
„Wir Katholiken
sind eine Minderheit im Lande und da müsste doch der Staat besonders auf uns schauen
und uns helfen. Alleine schaffen wir es nicht. Deshalb wünsche ich mir, dass der Staat
uns etwa bei verschiedenen bürokratischen Dingen hilft, es möglich macht, dass Priester
und Ordensleute länger in unserem Land bleiben dürfen und die Gläubigen betreuen können.
Und dann wünsche ich mir, dass uns unsere alten Kirchen wieder zurückgegeben werden,
damit wir spüren, dass wir religiöse Freiheit im Land voll und ganz erleben können."
Gemeinsam
ist man lauter Der Einfluss der Kirche wirke sich in Europa positiv auf Demokratie
und christliche Identität aus, lobt der Bischof von Novosibirsk. Angesichts der Probleme
Russlands - dem Tschetschenienkonflikt und der Einschränkung der Pressefreiheit -
brauche das Land starke Kirchen. Um gehört zu werden, müssten die Kirchen aber mit
gemeinsamer Stimme sprechen. Werth:
„Im Westen und in Europa verschafft
sich die Kirche im öffentlichen Leben Gehör. Sie erinnert zum Beispiel immer wieder
an die christlichen Wurzeln Europas. Und das hat dann in Europa bei euch wahrscheinlich
auch praktische Auswirkungen. Wir hoffen, dass das auch hier bei uns so sein kann:
Dass der Staat den Stimmen der Kirchen zuhört. Wenn wir christlichen Kirchen uns untereinander
einig sind, dann wird diese Stimme auch lauter."
Werden sich die engeren
Beziehungen zwischen russischem Staat und Vatikan auch positiv auf die Ökumene auswirken?
Die nächsten Entwicklungen seien abzuwarten, so der Bischof. Schließlich werde das
Papier ja erst noch unterschrieben. Und während Vatikan und Kreml neue Abkommen schließen,
pflegt er selbst die Erinnerung. Und schaut mit Hoffnung in die Zukunft.
„Ich
bin jetzt gerade aus Orkutz zurückgekommen. Wir haben dort das zehnjährige Jubiläum
des Bischofs gefeiert. Solche kleinen Jubiläen benutzen wir, um unsere Gemeinden und
unsere Gläubigen zu sammeln, damit sie über unsere Geschichte nachdenken und begreifen,
dass wir eine Vergangenheit haben. Wir feiern in den letzten Jahren immer wieder Hundert
Jahre Einweihung der Kirchen, weil gerade Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts viele
Kirchen gebaut und eingeweiht wurden. Trotz aller Schwierigkeiten: Die katholische
Kirche in Russland schaut mutig nach vorn, wir vertrauen auf Gott und es wird schon
alles gut sein."