Kick it. Kick den Ball.
Oder Kick’s davon, schieß es weit weg. Bei Kick it, einem Straßenkinderprojekt in
Südafrika, geht’s um beides: Kick den Ball und kick Aids davon. Das Hilfswerk Care
und eine Partnerorganisation bieten Kindern und Jugendlichen im zweitgrößten Township
ganz Afrikas seit fünf Jahren eine Alternative zum Leben auf der Straße. Hören Sie
einen Beitrag von Birgit Pottler. „Wie bekommt man Kinder und Jugendliche? Dadurch,
dass man ihnen ein sinnvolles Freizeitangebot macht“, sagt Wolfgang Tyderle von
der Hilfsorganisation Care. „Das heißt, es wurde zu Fußballtraining, zu Korb- oder
Volleyballtraining eingeladen. Und das ist immer mit spielerischer Aufklärung über
Gewalt und HIV/Aids verbunden.“ Die AIDS-Rate in Südafrika gehört zu den höchsten
weltweit: 13 Prozent der südafrikanischen Kinder zwischen zwei und 14 Jahren haben
bereits mindestens ein Elternteil durch die Immunschwächekrankheit Aids verloren.
Jede Familie hat Opfer, sagt Tyderle. „Das heißt, die Kinder sind sensibilisiert,
man muss sie aber dennoch konstant daran erinnern. Man muss sie aufklären, und man
muss sie auch warnen.“ Viele Kinder sind sich selbst überlassen. Und so mit den
Problemen konfrontiert, die gerade in den südafrikanischen Townships an der Tagesordnung
sind: eine schnell anwachsende Kriminalitätsrate, hoher Drogen- und Alkoholmissbrauch
und die Ausbreitung von HIV/Aids.
„Kick it“ erreicht derzeit pro Woche 1.200
Kinder. Für Soshanguve, das Township mit zweieinhalb Millionen Einwohnern sei das
Projekt noch verhältnismäßig klein, meint der Care-Mitarbeiter. „Man muss sich
das vorstellen: ein großer Fußballplatz, immer um die 200 Kinder. Und bevor gespielt
wird, gibt es sieben Stationen. An jeder Station steht ein Trainer und an jeder Station
wird ein Aufklärungsspiel gemacht. Das ist eine Art Reise nach Jerusalem, das sind
die unterschiedlichsten Spiele, die auf das Problem hinweisen. Danach wird dann Fußball
oder Volleyball gespielt, und damit kann man die Kinder anziehen.“ Kinder
und Jugendliche seien offen für Aufklärung, stellten Fragen auch an Mythen und überlieferte
Traditionen, die es in vielen Gebieten südlich der Sahara schwer machen, den HI-Virus
zu stoppen. Auch die Angst vor Stigmatisierung sei unter jungen Leuten nicht mehr
das große Problem. Wolfgang Tyderle ist zuversichtlich: „Es gibt viele, die zum
Medizinmann gegangen sind, oder mit einer Jungfrau geschlafen haben und dennoch an
Aids sterben. Dann fragen sich auch Kinder oder Jugendliche, ob der Medizinmann wirklich
das richtige Mittel hat, und ob es nicht doch besser ist, sich in der Klinik behandeln
zu lassen, wo vielleicht eine Tante ist, die ein Mittel bekommt und der es gut geht.“ Mit
„Kick it“ gewinnen Kinder und Jugendliche neues Selbstbewusstsein. Sie lernen, ihr
Leben auch unter schwierigen Bedingungen selbst in die Hand zu nehmen. In der Gruppe
erfahren sie Gemeinschaft, die ihnen die Familien nicht mehr bieten können. Die Tragödien
der Aids-Waisen blieben oft verborgen, meint Tyderle: „Wenn man eines der Kinder
befragt und das ein wenig Vertrauen schöpft, dann bekommt man da ganz furchtbare Geschichten
zu hören. Das ist auch Traumaarbeit. Kinder, die nicht erzählen wollen, legt man zum
Beispiel ein Heft hin und sagt: Wenn Du Zeit und Lust hast, schreib’ oder mal’ doch
auf, was Dir in den letzten Jahren passiert ist. Ganz schnell kommen da dicke Hefte
zustande, an denen die Kinder tagelang arbeiten, um mitzuteilen, welche schwierige
Situation sie haben. Das ist dann der erste Schritt zur Verarbeitung.“ Nicht
professionelle Kräfte kämen häufig an ihre Grenzen. Hilfsprojekte sollten Kindern
dagegen eine langfristige Perspektive bieten. Auch in entlegenen Dörfern versuchten
Sozialarbeiter dafür zu sorgen, dass die Kinder weiterhin zur Schule gehen. Um im
Kampf gegen Aids größere Erfolge zu erzielen, brauche es noch mehr Zusammenarbeit
zwischen den einzelnen Initiativen und den Regierungen, betont Tyderle, bei Care Nothilfekoordinator.
„Es gibt sehr gute Beispiele, wo Staaten die Kontrolle übernommen haben. Das heißt
lokale Distriktgesundheitsbehörden kontrollieren und koordinieren alle Projekte.“ Kick
it ging auf eine Initiative der Verkehrspolizei in Soshanguve zurück. Das Projekt
wird von der deutschen Bundesligastiftung unterstützt. Rund um die Fußballweltmeisterschaft
haben die Profis eine besondere Verantwortung: Fußball, Sport überhaupt eint Südafrika;
noch zu Zeiten der Apartheid war er gar Argument für eine Öffnung der Politik. Auch
gegen die Ausbreitung von HIV/Aids soll er helfen. Tyderle: „Wir versuchen über
junge Fußballer, die wir dafür gewinnen, ganz besonders an die Kinder heranzukommen.
Wir können sagen: Schau, das ist ein tolles Idol und der hat Dir etwas zu sagen. Das
ist im Zweifelsfall viel tiefgehender, als wenn ein Sozialarbeiter oder ein anderer
das den Kindern näher bringt.“ (rv 03.12.2009 bp)