Der Theologe und Jesuitenpater
Joseph Neuner ist am Mittwoch im Alter von 100 Jahren in Pune verstorben. Das hat
die Jesuitenprovinz der westindischen Metropole an diesem Freitag bekannt gegeben.
Neuner war unter anderem als Seelsorger von Mutter Theresa bekannt geworden und gilt
als Schlüsselgestalt des Zweiten Vaticanums. Ein Nachruf von Pater Bernd Hagenkord: Brückenbauer
ist der Titel, mit dem Pater Neuner zeit seines Lebens ausgezeichnet wurde. 1938 ging
der Jesuit als Missionar nach Indien. Kurz darauf brach der Zweite Weltkrieg aus.
Neuner wurde interniert, nutzte aber die Zeit, Sanskrit zu lernen, die Bhagavadgita
und die Upanishaden und andere geistliche und philosophische Werke Indiens zu lesen.
Auf Basis dieses Wissensreichtums vermittelte er später als Theologe und Seelsorger
zwischen der europäischen und indischen Kultur. Gleichermaßen zu Hause in beiden Welten
prägte er die Theologie in beide Richtungen. Seine Biographie erzählt von einem
eindrucksvollen Leben: nach der Internierung und dem Studium in Indien setzte er dieses
in Rom an der Universität Gregoriana fort und machte sich als schnell als Theologe
einen Namen, etwa als Mitherausgeber der Schriftensammlung „Der Glaube der Kirche
in den Urkunden der Lehrverkündigung“. Neuner veröffentlichte die Edition kirchlicher
Lehrentscheidungen und Konzilstexte in den vierziger Jahren gemeinsam mit seinem Ordensbruder
Lothar Roos. Noch heute ist der so genannte „Neuner – Roos“ für Theologiestudenten
Standardlektüre.
Während des Zweiten Vatikanischen Konzils war Neuner als theologischer
Berater des Bischofs von Pune tätig, er arbeitete in den Kommissionen für Mission,
für die Priesterausbildung und die nicht-christlichen Religionen. Vor allem in dieser
Kommission brachte er seine positive Sicht und seine Kenntnis der indischen Religionen
in die Diskussionen ein. Das Ergebnis war die Erklärung „Nostra Aetate“, das erste
Dokument eines Konzils über nicht-christliche Religionen. Seine Mitbrüder in Indien
erzählen gerne davon, dass er danach wie ein Apostel daran gearbeitet habe, den verändernden
Geist des Konzils auch in Indien fruchtbar zu machen. Über 30 Jahre lehrte er an der
Universität Jnana-Deepa Vidyapeeth und wird als einer der großen geistlichen Väter
der indischen Theologie verehrt. Seine seelsorgerische Tätigkeit brachte ihn in
Kontakt mit Mutter Theresa von Kalkutta, die ihn sehr schätzte. Nach ihrem Tod war
er aktiv an ihrer Seligsprechung beteiligt. Bis zuletzt war er geistig hellwach und
ein gesuchter geistlicher und theologischer Ratgeber. Durch seine Theologie und
sein seelsorgerisches Tun hat er die Kirche nicht nur in Indien geprägt. Und in einer
Zeit, in der für die Weltkirche die wachsenden Kirchen Asiens immer bedeutender werden,
wird P. Neuner noch für lange Zeit fruchtbar bleiben. Er starb diesen Mittwoch,
am Fest des heiligen Franz Xaver, des Schutzpatrons Indiens. (rv 04.12.2009 ord)