D: Menschenrechtler, „Behörden schicken Flüchtlinge in Irak zurück“
Von Afghanistan ist
in diesen Tagen viel die Rede; viel weniger gesprochen wird in den Medien mittlerweile
von der Lage im Irak. Nur das Gezerre um die nächsten Wahlen, die eigentlich im Januar
stattfinden sollten, schafft es hier und da noch mal auf westliche Titelseiten. Heißt
das, im Irak sind jetzt einigermaßen friedliche Zustände wiedereingekehrt? Und können
die Hunderttausende von Flüchtlingen aus dem Irak – darunter viele Angehörige von
Minderheiten, auch viele Christen – jetzt allmählich zurück in ihre Heimat? So einfach
ist das nicht, sagt Otmar Oehring. Der Menschenrechtsexperte des kirchlichen Hilfswerks
„missio“ hat sich in den letzten Jahren massiv für die Flüchtlinge aus dem Irak eingesetzt.
Im Interview mit Stefan Kempis meint Oehring:
„Nach allen Informationen,
die wir haben, ist es so, dass die Lage im Irak sich natürlich irgendwie stabilisiert
– wobei es Unterschiede gibt zwischen Zentral-, Süd- und Nordirak -, aber alle Beobachter
aus der Region weisen doch ganz klar darauf hin, dass, wenn es eine Möglichkeit der
Rückkehr in den Irak überhaupt gibt, diese nur für die Muslime besteht, weil diese
natürlich in ihre eigenen religiös-ethnischen Strukturen zurückkehren können, während
das für die Christen durchweg nicht der Fall ist. Man hört auch, dass weiterhin eine
relativ große Zahl von christlichen Flüchtlingen aus dem Irak in die Türkei kommt.
Natürlich ist der Zufluss von christlichen Flüchtlingen nach Jordanien und Syrien
weitgehend gestoppt; Rückkehr in den Irak hat es aus dieser Gruppe keine nennenswerte
gegeben.
Einzelne sind zwar zurückgekehrt, aber zum Teil ist das von
den deutschen Behörden erzwungen: „Bringen Sie Geburtsurkunden bei; wenn Sie uns die
Geburtsurkunden nicht vorlegen können, dann sorgen Sie dafür, dass Sie sie von zuhause
beschaffen...“ Ich habe von solchen konkreten Fällen gehört, und das sind natürlich,
wenn es stimmt, unglaubliche Dinge, dass deutsche Behörden, die auf der einen Seite
bereit sind, diese Menschen aufzunehmen, diese Menschen andererseits in die gleiche
Situation zurückschicken, aus der sie geflüchtet sind – nur damit sie irgendein Papier
beibringen, das nachweist, dass sie wirklich die Person sind, die zu sein sie vorgeben!“
Sie
sind ein Kenner der Nahostregion. Nächstes Jahr gibt es eine Sondersynode von Bischöfen
im Vatikan zum Thema Nahost – was kann man sich davon denn versprechen? „Also,
was ich mir erhoffen würde, wäre, dass die Bischöfe aus dem Nahen Osten tatsächlich
die Lage in ihrer Region so darstellen, wie sie ist! Die Synode ist ja keine öffentliche
Unternehmung; man wird da ja mehr oder weniger hinter verschlossenen Türen miteinander
sprechen. Und man kann nur hoffen, dass sie dort wirklich Tacheles reden! Dass sie
die Lage so darstellen, wie sie auch wirklich ist, und am Ende dann auch dazu stehen,
dass es durchaus auch vernünftige Gründe für einzelne Christen aus der Region (natürlich
in unterschiedlichen Nuancierungen, was die einzelnen Länder betrifft) geben kann,
diese Länder zu verlassen! Wenn man aber das hören würde, was wir im Zusammenhang
mit der Frage der Irak-Flüchtlinge gehört haben, nämlich „Alles ist gut“, bzw. dann
im kleinen Kreis „Die Situation ist katastrophal“ – also, wenn man im Grund genommen
keine wirklich nachvollziehbaren Äußerungen bekommen würde, dann wäre meines Erachtens
die Synode schon von vornherein zum Scheitern verurteilt.“