2009-11-30 15:32:51

Kurt Koch zum Minarett-Verbot: „Abstimmung zeigt Identitätskrise“


Vier Minarette gibt es in der ganzen Schweiz – und bei dieser niedrigen Zahl wird es wohl auch bleiben. Denn die Schweizer haben sich in einer Volksabstimmung am Sonntag überraschend für ein Verbot des Minarettbaus entschieden. Mit hoher Wahlbeteiligung und ganzen 57 Prozent.

Als „Hindernis“ und „große Herausforderung“ für die Integration bewerten die Bischöfe des Alpenlandes das Ergebnis. Welchen Hintergrund hat eine solche Ohrfeige für die muslimische Minderheit in der Schweiz? Für den Vorsitzenden der Schweizer Bischofskonferenz ist das – so Kurt Koch wörtlich – „Ergebnis ohne Sachverstand“ ein Anzeichen für eine Krise christlicher Identität – und nicht nur in der Schweiz. Koch:

„Die ganze Gesellschaft in Europa ist derart im Umbruch, dass die Identität der europäischen Länder ins Flottieren geraten ist. Und jetzt hat man eine Bedrohung gesehen, hat Angst vor der Islamisierung, so dass man plötzlich die eigene Identität sichern will, die man aber in normalen Zeiten gar nicht so sehr lebt und zum Tragen bringt. Deshalb muss jetzt auch klar gesehen werden, zu unserer christlichen Identität auch in einem weltanschauungsneutralen Staat wie der Schweiz zurückfinden. Nur wenn wir eine positive Identität haben, können wir auf andere zugehen. Wenn wir nur eine negative Identität haben, steht jede Begegnung unter einem schlechten Vorzeichen.“

Am Tag nach der Abstimmung herrscht bei den Organisatoren der Initiative einen Triumph, bei den anderen Katzenjammer. Die in der Schweiz lebenden Muslime fühlen sich durch das Abstimmungsergebnis am Pranger. Viele fürchten indes, dass die Ängste vieler Schweizer vor dem Islam negative Folgen haben könnten für Christen in mehrheitlich islamischen Ländern. Koch:

„Erstens wird das unser Engagement für die verfolgten und bedrohten Christen in islamischen Ländern nicht erleichtern, sondern furchtbar erschweren. Denn es nagt an unserer Glaubwürdigkeit. Ich bin auch deshalb sehr froh, dass der Bischof von Arabien, Bischof Paul Hinder gesagt hat, die Annahme dieser Initiative ist ein Bärendienst für die Christen in Arabien.“

Integration könne bei einem „Unsichtbarbleiben“ der Muslime nicht stattfinden, so Koch. Und auch das Zusammenleben der Religionen könne dann nicht eingeübt werden. Überhaupt zeige die Abstimmung, wie auch das Straßburger Anti-Kreuz-Urteil, eine diffuse Angst vor der Sichtbarkeit von Religion überhaupt. Koch:

„Zweitens ist das Nein zu den Minaretten auch ein Nein zur Sichtbarkeit der Religion. Und das wird früher oder später Konsequenzen für unsere Kirche haben. Der Entscheid des europäischen Gerichtshofes in Brüssel war ja eine Vorwarnung, das es nun auch mit den christlichen Zeichen in der Gesellschaft problematisch wird.“

Um gegen die diffuse Angst vor dem Islam anzugehen, müsse gerade jetzt Integrationsarbeit geleistet werden, so der Bischof.

„Ich denke, es muss jetzt sehr viel Arbeit hinsichtlich der Integration der muslimischen Minderheit in der schweizerischen Bevölkerung geschehen. Deshalb habe ich auch vor der Abstimmung immer gesagt, die Initiative löst kein einziges Problem. Sie schafft neue Probleme, und die eigentliche Arbeit beginnt jetzt.“

(rv 30.11.2009 pr)







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