2009-11-27 18:57:04

Schweiz: „Es geht nicht nur um Minarette"


RealAudioMP3 Katholiken sollten anderen Religionen gegenüber offen sein und die Religionsfreiheit Andersgläubiger nicht einschränken. Mit diesen Worten kommentierte an diesem Freitag der Präsident des Päpstlichen Rates der Seelsorge für die Migranten, Erzbischof Antonio Maria Vegliò, die bevorstehende Volksabstimmung in der Schweiz über das Verbot von Minaretten. „Ich verstehe nicht, wie man jemandem verbieten kann, sein eigenes Gotteshaus zu bauen“, sagte Vegliò vor Journalisten im Vatikan.

Auch die Schweizer Bischöfe sagen „Nein“ zum Verbot muslimischer Gebetstürme und empfehlen den Eidgenossen am Sonntag gegen die so genannte „Anti-Minarett-Initiative“ zu stimmen. Dahinter verbergen sich rechtsgerichtete Populisten und Anhänger der erzkonservativen Schweizer Volkspartei. Dass sie ihre Interessen durchsetzen, ist nach aktuellen Umfragen unwahrscheinlich. Fest steht aber: Bei der Abstimmung am Sonntag geht es nicht nur um Türme an Moscheen, sondern darum, ob der Islam in der Schweiz als Realität akzeptiert wird. Ein Beitrag von Antje Dechert:

Ein Plakat: Links stiert einem düster eine Frau in schwarzer Burka entgegen. Rechts ragen Minarette als Raketen empor. Ihre Schatten verdunkeln eine Schweizer Fahne im Hintergrund. Die Botschaft: Der Islam will die Schweiz und ihre Bewohner unterdrücken. Noch deutlicher aber spiegelt das plumpe Plakat der Anti-Minarett-Initiative die Aggression seiner Macher wider und deren Masche:

„Die Minarett-Initiative hat dazu beigetragen, dass die Emotionen in der Bevölkerung hochgegangen sind“, sagt Erwin Tanner. Er ist der Sekretär der Arbeitsgruppe „Islam“ bei der Schweizer Bischofskonferenz.

„Mit diesen Plakaten wurden Gefühle in den Menschen geweckt, die sagen: Da muss man aufpassen. Was kommt da auf einen zu? Jetzt ist es vielleicht das Minarett, später ist es der Gebetsruf, dann die Verschleierung, dann die Absonderung verschiedener Bevölkerungsschichten. Also: Die Minarettinitiative hat Ängste geschürt in der Bevölkerung und zum Teil auch bei gewissen Kreisen der Bevölkerung einen Anstieg an Fremdenfeindlichkeit.“

Das haben etwa die jüngsten Schmierereien an einer Genfer Moschee gezeigt. Auch viele Muslime sind verunsichert und fürchten, dass ein „Ja“ zum Minarett-Verbot erst der Anfang einer ganzen Reihe von Einschnitten in die Religionsfreiheit wäre, sagt der Präsident der Föderation Islamischer Dachorganisationen, Hashim Maizar:

„Primär geht es nicht um den Bau von Minaretten, dass ist nur der Aufhänger. Das ist an sich der erste Schritt, durch den die Initianten meinen, dann auch mit anderen gewissen islamischen Aspekten abrechnen zu müssen - oder besser gesagt, nicht islamischen Aspekten, weil sie eigentlich wahllos argumentieren und Sachen, die historisch oder kulturell bedingt sind, einfach so in Zusammenhang mit dem Islam bringen.“ 
Ein Verbot von Minaretten würde Probleme nicht lösen, sondern mehr Probleme schaffen, meint Maizar. Ähnlich sehen das auch die Schweizer Bischöfe, sagt Erwin Tanner:

„Sie meinen, dass diese Minarett-Initiative, nicht dazu beiträgt, religiösen Frieden aufrechtzuerhalten. Im Gegenteil: Es wird Unfrieden gestiftet.“ 
Muslime in aller Welt verfolgen die Minarett-Diskussion in der Schweiz mit großem Interesse. Noch nie haben arabische Medien dem Alpenstaat so viel Aufmerksamkeit geschenkt. Die Schweizer Bischöfe fürchten deshalb negative Reaktionen, sollte es zu einem Minarett-Verbot kommen. Erwin Tanner:

„Sie haben Angst, dass den Christen in islamisch geprägten Ländern der Bau oder die Nutzung von Sakralbauten unmöglich gemacht werden würde. Und deshalb lehnen sie diese Initiative ab, auch aus dem biblischen Gedanken heraus: Was Dir selbst verhasst, das mute auch einem anderen nicht zu.“ 
Trotz allem hat die Diskussion um den Minarett-Bau den Schweizer Muslimen viele Sympathie - und Solidaritätsbekundungen beschert. Hashim Maizar sieht der Abstimmung am Sonntag deshalb zuversichtlich entgegen:

„Ich bin fest überzeugt davon, dass die Menschen hier am Ende ihrer Vernunft nachgehen werden und nicht nur der geschürten Angst nach abstimmen.“
 
(rv 27.11.2009 ad)







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