2009-11-27 12:17:00

Honduras: Kirche hofft auf Neuanfang


RealAudioMP3 Fünf Monate nach dem Militärputsch wählt Honduras einen neuen Präsidenten. Die beiden zentralen Figuren der Krise, der abgesetzte Manuel Zelaya und der international isolierte Roberto Micheletti, stellen sich am kommenden Sonntag nicht zur Wahl. Zelaya, Ende Juni von Militär außer Landes gebracht und im September heimlich zurückgekehrt, hat zum Boykott der Wahlen aufgerufen, ihr Ergebnis wird er nicht anerkennen. Die Bischöfe von Honduras hoffen auf einen Neuanfang. Sie riefen die Wahlberechtigten unter den 7,6 Millionen – mehrheitlich katholischen – Einwohnern zur Teilnahme am Urnengang auf. Wie ist die Lage wenige Tage vor den Wahlen? Ein Bericht von Birgit Pottler:

Sicherheitskräfte haben unterdessen mit der Entwaffnung der Bevölkerung begonnen. Damit sollen gewaltsame Ausschreitungen verhindert werden. 30.000 Polizisten begleiten die Wahl. Doch die Lage ist angespannt, Hilfswerke und Menschenrechtler sind vor Ort. Der Mittelamerika-Referent von der Organisation FIAN, Martin Wolpold-Bosien, berichtet:

„Es herrscht statt Ruhe eher ein Klima von Angst, vor allem unter denen, die sich in den letzten Monaten gegen den Staatsstreich ausgesprochen haben. Die Spannungen sind hoch, niemand weiß, was kommen wird.“ 
Die De-Facto-Regierung verletzt seit der Machtübernahme die Menschenrechte in Honduras. Menschen wurden umgebracht, Berichten zufolge mehr als 4.000 willkürlich verhaftet. Eine international besetzte Menschenrechtsmission reiste wochenlang durch das Land und führte Gespräche. Inzwischen sprechen die beteiligten Organisationen und Experten – einer von ihnen ist Wolpold-Bosien – nicht mehr von Einschüchterung, sondern von politischer Verfolgung. Vor den Wahlen nimmt das noch zu – „wie zu erwarten war“:

„Man muss sich nur anschauen, wie es denen geht, die jetzt die Legitimität dieser Wahlen in Frage stellen: etwa der Vorsitzende des Menschenrechtskomitees CODEH, der jetzt angeklagt wird, weil er zum Wahlboykott aufgerufen hat; oder der Priester Andrés Tamayo, dem ausdrücklich mit der Begründung, dass er zum Wahlboykott aufgerufen hätte, die Nationalität entzogen wurde. Er hat 22 Jahr hier gelebt, ist aus El Salvador und wurde des Landes verwiesen.“ 
Wer die Wahlen boykottiert, werde strafrechtlich belangt. Daran ließen der Generalstaatsanwalt und andere Putschisten keinen Zweifel, berichtet der Menschenrechtler. Gegen zum Teil hohe Richter, die nur das Wort „Staatsstreich“ verwendet hätten, liefen Disziplinarverfahren. Starker Druck, unter dem seit Juli auch vor allem Journalisten leiden. Der einzige landesweit ausstrahlende Fernsehsender Canal 36 wurde am Wochenende abgeschaltet – auf dem gleichen Kanal laufen jetzt Pornofilme.

„Die nationale Kommunikationsagentur war nicht in der Lage und ist es bis heute nicht, das abzustellen. Sie sind aber auch nicht willens, und sie wollen es auch gegenüber dem Direktor nicht garantieren, dass sie das tun werden.“ 
Dazu kommen Drohungen gegen einzelne Journalisten und den Direktor. Die interamerikanische Menschenrechtskommission hat besondere Schutzmaßnahmen angeordnet. Davon betroffen sind auch konfessionelle Medien; auch der Jesuitensender Progreso wurde kurzzeitig eingestellt, ist jetzt wieder auf Sendung. Wolpold-Bosien:

„Wir haben darüber mit der Sonderstaatsanwältin für Menschenrechte gesprochen. Auch sie gibt zu, es gibt eine systematische Politik gegen die kritischen Medien. So sagte sie selbst, und sie hat auch selbst mehrere juristische Schritte zum Beispiel zur Wiedereröffnung dieser Sender, auch zugunsten von Radio Progreso, unternommen. Aber das sind sehr kleine Schritte, die das Gesamtklima der Einschüchterung nicht aufheben können.““ 
Ein Termin mit Zelaya war für die Menschenrechtler in der Woche vor der Wahl bislang nicht möglich, berichtet der FIAN-Experte. Die Militärs ließen die Delegation nicht zu Zelayas Zufluchtsort in der Brasilianischen Botschaft durch. Mit Micheletti würden sie nicht sprechen, meint Wolpold-Bosien; tun das aber mit Richtern aus Reihen der Putschisten und mit dem Obersten Wahltribunal. Auch nach diesen Gesprächen seien Prognosen schwer, die Situation sei „hochgradig aufgeladen“:

„Es kommt sehr darauf an, was in diesen Tagen passiert. Ich denke und hoffe, dass diese Tage ohne tragische Ereignisse verlaufen. Die Putschisten selbst können kein Interesse daran haben, dass es zu einem Massaker oder zu ähnlichen Tragödien kommt. Von der Widerstandsbewegung selbst gilt nach wie vor der klare Aufruf zur Gewaltlosigkeit.“ 
Favorit auf den Wahlsieg ist Porfirio „Pepe“ Lobo Sosa, ein Großgrundbesitzer, der Zelaya bei den Wahlen 2005 nur knapp unterlegen war. Über Zelayas Rückkehr ins Amt will das Parlament erst nach den Wahlen, am 2. Dezember, entscheiden. Der Menschenrechtler Wolpold-Bosien hält diese nach Gesprächen mit Abgeordneten aber für unwahrscheinlich. Strafrechtliche Konsequenzen für den Staatsstreich ebenso:

„Mittelfristig konsolidiert sich hier ein autoritäres Regime. Mittelfristig ist auch sehr wahrscheinlich, dass – egal wer nun die Wahlen gewinnt – der Putsch und die damit verbundenen Menschenrechtsverletzungen und politischen Verbrechen straflos bleiben.“ 
Doch Honduras ist fünf Monate nach dem Putsch isoliert. Die internationale Staatengemeinschaft und Hilfsorganisationen haben zwar nur die Unterstützung für offizielle staatliche Institutionen eingestellt und die Hilfen für die Bevölkerung beibehalten. Aber die die Lage für die schätzungsweise 80 Prozent unterhalb der Armutsgrenze werde jetzt kritischer als zuvor, meint Wolpold-Bosien, dessen Organisation FIAN sich vor allem für das Recht auf Nahrung einsetzt:

„Unmittelbar nach dem Putsch waren nicht in erster Linie die Effekte auf der wirtschaftlichen Ebene zu sehen. Aber jetzt, durch die Paralysierung des Landes, die ja auch Auswirkungen auf die Wirtschaft hat, und durch die internationale Isolation kommen zusätzliche schwere Lasten auf die Bevölkerung zu.“
 
Wann eine Regierung in Honduras wieder die Dinge in Angriffe nimmt, worum sie sich kümmern muss, nämlich Reduzierung der Armut und Einhaltung der Menschenrechte, das bleibt wohl auch nach den Wahlen offen.

Der Vorsitzende der Honduranischen Bischofskonferenz und Präsident des weltweiten Caritas-Dachverbands sieht in der Wahl die wohl letzte Chance auf Veränderungen und die Verhinderung eines Politikstils wie in Venezuela. Kardinal Oscar Andres Rodriguez Maradiaga hatte mehrfach scharfe Kritik an der politischen Klasse und auch an Präsident Zelaya geübt. Während die Absetzung von Zelaya international fast nirgendwo anerkannt wird, bekräftigte Rodriguez im Namen seiner zehn Amtsbrüder im Episkopat den Standpunkt der Kirche: „Was wir getan haben, war zu sagen, dass es sich um eine verfassungskonforme Ablösung des Präsidenten handelte. Wir haben erklärt, dass wir aus den Fehlern lernen müssen, und wir haben zur Versöhnung im Lande aufgerufen.“ Dass die Bischöfe dennoch „als Putschisten“ bezeichnet wurden, sei „die schmerzlichste Erfahrung“ während der zurückliegenden Monate gewesen, so der Kardinal: „Nach so vielen Jahren der Militärdiktatur gibt es wohl kaum eine schlimmere Beleidigung.“ Für die Kirche komme es jetzt darauf an, Brücken zu bauen und für die Einheit im Land zu wirken.

(rv/kap 26.11.2009 bp)







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