Fünf Monate nach dem
Militärputsch wählt Honduras einen neuen Präsidenten. Die beiden zentralen Figuren
der Krise, der abgesetzte Manuel Zelaya und der international isolierte Roberto Micheletti,
stellen sich am kommenden Sonntag nicht zur Wahl. Zelaya, Ende Juni von Militär außer
Landes gebracht und im September heimlich zurückgekehrt, hat zum Boykott der Wahlen
aufgerufen, ihr Ergebnis wird er nicht anerkennen. Die Bischöfe von Honduras hoffen
auf einen Neuanfang. Sie riefen die Wahlberechtigten unter den 7,6 Millionen – mehrheitlich
katholischen – Einwohnern zur Teilnahme am Urnengang auf. Wie ist die Lage wenige
Tage vor den Wahlen? Ein Bericht von Birgit Pottler:
Sicherheitskräfte haben
unterdessen mit der Entwaffnung der Bevölkerung begonnen. Damit sollen gewaltsame
Ausschreitungen verhindert werden. 30.000 Polizisten begleiten die Wahl. Doch die
Lage ist angespannt, Hilfswerke und Menschenrechtler sind vor Ort. Der Mittelamerika-Referent
von der Organisation FIAN, Martin Wolpold-Bosien, berichtet:
„Es herrscht
statt Ruhe eher ein Klima von Angst, vor allem unter denen, die sich in den letzten
Monaten gegen den Staatsstreich ausgesprochen haben. Die Spannungen sind hoch, niemand
weiß, was kommen wird.“ Die De-Facto-Regierung verletzt seit der Machtübernahme
die Menschenrechte in Honduras. Menschen wurden umgebracht, Berichten zufolge mehr
als 4.000 willkürlich verhaftet. Eine international besetzte Menschenrechtsmission
reiste wochenlang durch das Land und führte Gespräche. Inzwischen sprechen die beteiligten
Organisationen und Experten – einer von ihnen ist Wolpold-Bosien – nicht mehr von
Einschüchterung, sondern von politischer Verfolgung. Vor den Wahlen nimmt das noch
zu – „wie zu erwarten war“:
„Man muss sich nur anschauen, wie es denen geht,
die jetzt die Legitimität dieser Wahlen in Frage stellen: etwa der Vorsitzende des
Menschenrechtskomitees CODEH, der jetzt angeklagt wird, weil er zum Wahlboykott aufgerufen
hat; oder der Priester Andrés Tamayo, dem ausdrücklich mit der Begründung, dass er
zum Wahlboykott aufgerufen hätte, die Nationalität entzogen wurde. Er hat 22 Jahr
hier gelebt, ist aus El Salvador und wurde des Landes verwiesen.“ Wer die
Wahlen boykottiert, werde strafrechtlich belangt. Daran ließen der Generalstaatsanwalt
und andere Putschisten keinen Zweifel, berichtet der Menschenrechtler. Gegen zum Teil
hohe Richter, die nur das Wort „Staatsstreich“ verwendet hätten, liefen Disziplinarverfahren.
Starker Druck, unter dem seit Juli auch vor allem Journalisten leiden. Der einzige
landesweit ausstrahlende Fernsehsender Canal 36 wurde am Wochenende abgeschaltet –
auf dem gleichen Kanal laufen jetzt Pornofilme.
„Die nationale Kommunikationsagentur
war nicht in der Lage und ist es bis heute nicht, das abzustellen. Sie sind aber auch
nicht willens, und sie wollen es auch gegenüber dem Direktor nicht garantieren, dass
sie das tun werden.“ Dazu kommen Drohungen gegen einzelne Journalisten und
den Direktor. Die interamerikanische Menschenrechtskommission hat besondere Schutzmaßnahmen
angeordnet. Davon betroffen sind auch konfessionelle Medien; auch der Jesuitensender
Progreso wurde kurzzeitig eingestellt, ist jetzt wieder auf Sendung. Wolpold-Bosien:
„Wir
haben darüber mit der Sonderstaatsanwältin für Menschenrechte gesprochen. Auch sie
gibt zu, es gibt eine systematische Politik gegen die kritischen Medien. So sagte
sie selbst, und sie hat auch selbst mehrere juristische Schritte zum Beispiel zur
Wiedereröffnung dieser Sender, auch zugunsten von Radio Progreso, unternommen. Aber
das sind sehr kleine Schritte, die das Gesamtklima der Einschüchterung nicht aufheben
können.““ Ein Termin mit Zelaya war für die Menschenrechtler in der Woche
vor der Wahl bislang nicht möglich, berichtet der FIAN-Experte. Die Militärs ließen
die Delegation nicht zu Zelayas Zufluchtsort in der Brasilianischen Botschaft durch.
Mit Micheletti würden sie nicht sprechen, meint Wolpold-Bosien; tun das aber mit Richtern
aus Reihen der Putschisten und mit dem Obersten Wahltribunal. Auch nach diesen Gesprächen
seien Prognosen schwer, die Situation sei „hochgradig aufgeladen“:
„Es kommt
sehr darauf an, was in diesen Tagen passiert. Ich denke und hoffe, dass diese Tage
ohne tragische Ereignisse verlaufen. Die Putschisten selbst können kein Interesse
daran haben, dass es zu einem Massaker oder zu ähnlichen Tragödien kommt. Von der
Widerstandsbewegung selbst gilt nach wie vor der klare Aufruf zur Gewaltlosigkeit.“ Favorit
auf den Wahlsieg ist Porfirio „Pepe“ Lobo Sosa, ein Großgrundbesitzer, der Zelaya
bei den Wahlen 2005 nur knapp unterlegen war. Über Zelayas Rückkehr ins Amt will das
Parlament erst nach den Wahlen, am 2. Dezember, entscheiden. Der Menschenrechtler
Wolpold-Bosien hält diese nach Gesprächen mit Abgeordneten aber für unwahrscheinlich.
Strafrechtliche Konsequenzen für den Staatsstreich ebenso:
„Mittelfristig
konsolidiert sich hier ein autoritäres Regime. Mittelfristig ist auch sehr wahrscheinlich,
dass – egal wer nun die Wahlen gewinnt – der Putsch und die damit verbundenen Menschenrechtsverletzungen
und politischen Verbrechen straflos bleiben.“ Doch Honduras ist fünf Monate
nach dem Putsch isoliert. Die internationale Staatengemeinschaft und Hilfsorganisationen
haben zwar nur die Unterstützung für offizielle staatliche Institutionen eingestellt
und die Hilfen für die Bevölkerung beibehalten. Aber die die Lage für die schätzungsweise
80 Prozent unterhalb der Armutsgrenze werde jetzt kritischer als zuvor, meint Wolpold-Bosien,
dessen Organisation FIAN sich vor allem für das Recht auf Nahrung einsetzt:
„Unmittelbar
nach dem Putsch waren nicht in erster Linie die Effekte auf der wirtschaftlichen Ebene
zu sehen. Aber jetzt, durch die Paralysierung des Landes, die ja auch Auswirkungen
auf die Wirtschaft hat, und durch die internationale Isolation kommen zusätzliche
schwere Lasten auf die Bevölkerung zu.“ Wann eine Regierung in
Honduras wieder die Dinge in Angriffe nimmt, worum sie sich kümmern muss, nämlich
Reduzierung der Armut und Einhaltung der Menschenrechte, das bleibt wohl auch nach
den Wahlen offen.
Der Vorsitzende der Honduranischen Bischofskonferenz und
Präsident des weltweiten Caritas-Dachverbands sieht in der Wahl die wohl letzte Chance
auf Veränderungen und die Verhinderung eines Politikstils wie in Venezuela. Kardinal
Oscar Andres Rodriguez Maradiaga hatte mehrfach scharfe Kritik an der politischen
Klasse und auch an Präsident Zelaya geübt. Während die Absetzung von Zelaya international
fast nirgendwo anerkannt wird, bekräftigte Rodriguez im Namen seiner zehn Amtsbrüder
im Episkopat den Standpunkt der Kirche: „Was wir getan haben, war zu sagen, dass es
sich um eine verfassungskonforme Ablösung des Präsidenten handelte. Wir haben erklärt,
dass wir aus den Fehlern lernen müssen, und wir haben zur Versöhnung im Lande aufgerufen.“
Dass die Bischöfe dennoch „als Putschisten“ bezeichnet wurden, sei „die schmerzlichste
Erfahrung“ während der zurückliegenden Monate gewesen, so der Kardinal: „Nach so vielen
Jahren der Militärdiktatur gibt es wohl kaum eine schlimmere Beleidigung.“ Für die
Kirche komme es jetzt darauf an, Brücken zu bauen und für die Einheit im Land zu wirken.