Beagle-Konflikt: Als der Papst den Frieden brachte
Am Samstag empfing
Papst Benedikt XVI. zwei Staatspräsidentinnen im Vatikan gemeinsam: die von Chile
und von Argentinien. Eine ungewöhnliche Audienz zu einem besonderen Anlass: Vor genau
25 Jahren unterzeichneten die zwei südamerikanischen Länder einen Friedens- und Freundschaftsvertrag.
Dabei hätten sie kurz zuvor noch fast Krieg gegeneinander geführt – doch dem damaligen
Papst Johannes Paul war es gelungen, den so genannten „Beagle-Konflikt“ zu entschärfen.
Rückblick auf einen Krieg, der nicht stattfand, von Stefan Kempis.
„Ich glaube,
Argentinien und Chile standen damals am Rand des Kriegs – sie wollten ihn nicht, aber
sie blickten schon in diesen Abgrund“, sagt Erzbischof Faustino Sainz Munoz, heute
Nuntius, damals enger Mitarbeiter des italienischen Kardinal Antonio Samorè. Damals
– das war 1978. Beide lateinamerikanischen Länder waren Diktaturen und stritten sich
vordergründig um einige Inseln südlich des Beagle-Kanals, in Wirklichkeit aber um
ein ganzes Knäuel von außenpolitischen und wirtschaftlichen Interessen. Sie rüsteten
auf an ihrer gemeinsamen Grenze, die etwa 5000 km lang ist. Argentinien wollte angreifen,
das Datum stand schon fest: zwei Tage vor Weihnachten. Nur Stunden zuvor bietet der
neu gewählte Papst Johannes Paul seine Vermittlung an – auf eigene Initiative, womöglich
mit dem Placet der USA.
„Er schickte Kardinal Samorè, um Möglichkeiten für
eine friedliche Lösung auszuloten. Sechs Jahre lang hat Samorè mit beiden Seiten gesprochen
– mit großer Geduld.“ Als allererstes bringt der Kardinal in getrennten Gesprächen
die Regime in Santiago und Buenos Aires von allen Kriegsplänen ab. Er versucht, in
die Streitpunkte Ordnung zu bringen, klammert mehrere schwierige Punkte zunächst einmal
aus. Viele Verhandlungen finden in den idyllischen Vatikanischen Gärten statt; ein
Jahr nach dem Beinahe-Krieg empfängt der Papst die Delegationen Chiles und Argentiniens
und präsentiert einen Lösungsvorschlag, den seine Diplomaten ausgearbeitet haben.
Doch Buenos Aires lehnt ab, die Verhandlungen treten auf der Stelle.
Juni 1982:
Papst Johannes Paul reist nach Argentinien, ruft die Militärs eindringlich zum Frieden
auf. Doch diese provozieren trotzdem einen Krieg – nicht mit Chile, sondern mit Thatchers
Großbritannien, es geht um die von Argentinien besetzten Falkland-Inseln. Der Krieg
beschleunigt das Ende der Diktatur in Argentinien: 1983 kehrt das Land zur Demokratie
zurück, der Weg ist frei für einen Frieden mit Chile. „Ich glaube, dass natürlich
der Einsatz des Heiligen Stuhls und Johannes Pauls entscheidend war; dann die Geduld
des Vatikans und des Kardinals Samorè, am Thema dranzubleiben – und dann die Bereitschaft
beider Länder, auf das zu hören, was man ihnen vorschlug.“
Ende 1984 unterzeichnen
beide Regierungen den Friedens- und Freundschaftsvertrag. Papst-Vermittler Samorè
erlebt diesen Triumph nicht mehr; er ist kurz zuvor verstorben. Ein wichtiger Andenpass
trägt heute seinen Namen. „Ich glaube“, sagt Erzbischof Munoz, „dass so etwas wie
damals auch heute in Südamerika möglich wäre. Viele Probleme, die es im Moment dort
gibt, könnten durch Dialog gelöst werden und nicht – wie man das oft hört – durch
Drohungen.“ „Wir haben einen Reichtum“, sekundiert Erzbischof Silvano Tomasi, Papst-Beobachter
bei der UNO. „Wir schöpfen aus einem reichen Erbe nicht nur an Ideen, sondern auch
an Erfahrungen und guter Praxis. Das könnten wir in den Dienst der ganzen Menschheit
stellen...“