Der Deutsche Ethikrat hat sich mit deutlicher Mehrheit für ein Ende von Babyklappen
und anonymen Geburten ausgesprochen. Beide seien ethisch und rechtlich sehr problematisch,
heißt es in einer am Donnerstag vorgestellten Stellungnahme des Rates. Bisherige Erfahrungen
zeigten, dass diese Angebote Frauen in Not kaum erreichten. In einem Sondervotum sprechen
sich sechs der 26 Mitglieder allerdings für eine Fortsetzung der Angebote aus. Dazu
zählen der Augsburger katholische Weihbischof Anton Losinger, der katholische Moraltheologe
Eberhard Schockenhoff und der evangelische Mediziner Eckhard Nagel, der auch Präsident
des Ökumenischen Kirchentages 2010 ist. Die Angebote seien trotz ethischer und rechtlicher
Bedenken weiter vertretbar, argumentieren sie. Die seit rund zehn Jahren in Deutschland
praktizierte anonyme Kindabgabe soll verhindern, dass Frauen Neugeborene töten oder
aussetzen. Die Zahl tot aufgefundener Neugeborener in Deutschland ist nach Angaben
des Kinderhilfswerks „terre des hommes“ und weiterer Experten seit Einführung dieser
Angebote im Jahr 1999 konstant geblieben und 2008 sogar gestiegen. Der Ethikrat
empfiehlt stattdessen dem Gesetzgeber, eine „vertrauliche Kindesabgabe mit vorübergehender
anonymer Meldung“ zu ermöglichen. Zudem verlangt er eine umfassende öffentliche Information
über bestehende Hilfsmöglichkeiten für solche Fälle. Bundesweit gibt es nach Angaben
des Ethikrats rund 80 Babyklappen; zudem böten etwa 130 Kliniken anonyme Geburten
an. Seit Jahren gibt es politisch und gesellschaftlich eine Auseinandersetzung über
den Sinn von Babyklappen. Der Augsburger Weihbischof Losinger begründet sein Sondervotum
mit einem Hinweis auf „Frauen in einer Notlage, die von offenen Hilfsangeboten nicht
erreicht werden“. Für sie könnten die Babyklappe oder eine anonyme Geburt „eine letzte
Alternative dazu sein, ihr Kind unversorgt auszusetzen“. Es bestehe immerhin „die
reale Möglichkeit der Rettung eines Kindes vor dem Tod durch die Angebote der anonymen
Kindesabgabe“ – daher müßten diese „im Hinblick auf den Lebensschutz bestehen bleiben“,
so Losinger. Das Recht auf Leben sei im Grundgesetz über dem Recht auf Kenntnis der
eigenen Abstammung angesiedelt; darum bedürften die Angebote der anonymen Kindesabgabe
keiner zusätzlichen gesetzlichen Regelung.
Anders als Losinger, der ja selbst
zum Ethikrat gehört, hat der Sozialdienst katholischer Frauen, kurz SKF, die Stellungnahme
aus Berlin begrüßt. Jetzt stünden die Betreiber von Babyklappen und die Anbieter von
anonymer Geburt vor der Aufgabe, ihre Angebote weiterzuentwickeln, um sowohl den betroffenen
schwangeren Frauen und Müttern in ihrer Not zu helfen, als auch die Rechte ihrer Kinder
auf Kenntnis ihrer Herkunft zu wahren. Die rechtliche Regelung einer vertraulichen
Geburt könnte hierzu ein wesentlicher Schritt sein. Der Verband teilt die Meinung
des Ethikrates, dass der Weg der anonymen Kindesabgabe „zumindest juristisch in eine
Sackgasse führt und auch im Hinblick auf den konkreten Lebensschutz keine befriedigende
Lösung darstellt“. Der Sozialdienst katholischer Frauen will jetzt „Konsequenzen aus
dem Votum des Ethikrates ziehen“; für ihn als Träger von Einrichtungen der Kinder-
und Jugendhilfe hat das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung „einen sehr
hohen Stellenwert“. Es gebe aber „Situationen, in denen die Angst der Frauen so groß
ist, dass sie zunächst nur über einen anonymen Zugang erreicht werden können.“ Nach
den Erfahrungen des SkF geben circa 75 Prozent der Frauen im Laufe des Beratungsprozesses
ihre Anonymität auf, „wenn sie sich darauf verlassen können, dass sie in einem geschützten
Raum sind und ihre Daten vertraulich behandelt werden“.