Die Bischöfe sind besorgt über die Wucht, mit der die internationale Krise Spanien
getroffen hat: Der langjährige Boom ist abrupt vorbei, die Arbeitslosigkeit mit fast
zwanzig Prozent höher als irgendwo sonst in der EU. „In vielen Bistümern sind in die
Liturgiefeiern eigene Gebete aufgenommen worden, um für ein schnelles Ende der Krise
zu beten“ – das sagte Kardinal Antonio Maria Rouco Varela jetzt bei der Vollversammlung
der spanischen Bischofskonferenz, deren Vorsitzender er ist. „Die kalten statistischen
Daten dürfen uns nicht vergessen lassen, dass es da um menschliche Schicksale geht“,
so Rouco weiter: „Familien wissen nicht mehr, wie sie Essen, Unterkunft und Schule
bezahlen sollen.“ Er rief alle Priester, Ordensleute und Bischöfe auf, sich noch mehr
als zuvor um die von der Krise Betroffenen zu kümmern – neben den Familien seien das
vor allem die Einwanderer, die in schweren Zeiten wie diesen fern ihrer Heimat nicht
einmal auf die Unterstützung ihrer Familien hoffen könnten. Die wirtschaftliche Krise,
so Rouco Varela weiter, sei aber auch verbunden mit einer sozialen, ethischen und
religiösen Krise. Viele Firmenschließungen und Entlassungen seien auf das ethische
Fehlverhalten wirtschaftlicher Führungskräfte zurückzuführen.
Rouco Varela
kritisierte auch die zunehmende Korruption in Spanien. In den vergangenen Monaten
wurden zahlreiche Korruptions- und Bestechungsskandale bekannt, in denen vor allem
Bauunternehmer ihre illegalen Machenschaften mit der Hilfe von Lokalpolitikern aller
politischen Parteien durchführen konnten und Millionen von Euros illegal erwirtschafteten.
Im Zusammenhang mit dem „Werteverfall“ bedauerte der Kardinal die Abschaffung des
obligatorischen Religionsunterrichts durch die sozialistische Regierung von Ministerpräsident
Jose Luis Rodriguez Zapatero. Die derzeitige Praxis des Reli-Unterrichts falle hinter
das mit dem Vatikan vereinbarte System zurück und „hilft niemandem, erst recht nicht
den jungen Leuten, die de facto des Reli-Unterrichts beraubt werden. Wenn sie aber
doch zur Reli-Stunde gehen, wird ihnen das schwer gemacht, oder sie werden sogar diskriminiert.“
Das Schulsystem insgesamt leide besonders unter der hohen Zahl von Schulabbrechern,
der wachsenden Gewalt in den Klassen, dem Fehlen menschlicher und pädagogischer Autorität
sowie einem Sexualunterricht ohne moralische Kriterien.
Der Vorsitzende der
Bischofskonferenz räumte ein, dass die Bekämpfung der „religiösen, sozialen und wirtschaftlichen
Krise“ in Spanien für die Kirche nicht einfach sei, da es auch auf der Iberischen
Halbinsel einen Rückgang der Priesterzahlen gibt. In Spanien gebe es 23.286 Pfarrgemeinden,
von denen 10.615 mittlerweile keinen „Priester am Ort“ mehr haben, erklärte Rouco
Varela. Zudem sei der Altersdurchschnitt der spanischen Priester auf 63 Jahre gestiegen.