Die Studentenproteste
in Deutschland reißen nicht ab. Die Präsidentin der deutschen Hochschulrektorenkonferenz,
Margret Wintermantel, hat unterdessen „Nachbesserungsbedarf“ an der umstrittenen Bologna-Reform
eingeräumt. Das Gremium tagt an diesem Dienstag in Leipzig, um die Probleme der Reform
zu diskutieren. Trotz Einladung sind Studenten bei der Sitzung nicht dabei. Sie sehen
ihre Forderungen dort nicht ernst genommen. Nicole Ebermann von der Fachschaft Evangelische
Theologie an der Uni Leipzig:
„Was am meisten von uns
kritisiert wird: Dass die Hochschulrektorenkonferenz eigentlich keine demokratische
Legitimation hat. Dass heißt, dass dort nur die Rektoren zusammentreffen, aber nicht
der Mittelbau und die Studierenden selbst vertreten sind. Die Studierenden sehen sich
nicht in der Lage, teilzunehmen, denn das ist eine Konferenz, die einen Prozess vorantreibt,
hinter dem die Studierenden selbst nicht stehen.“
Die
Proteste gegen die Bologna-Reform richten sich im Kern gegen Studiengebühren und die
Überfrachtung des Lehrplans. Übervolle Hörsäle, fehlende Lehrkräfte und ein schwer
zu bewältigender Prüfungsmarathon sind weitere Klagen der Studenten. Auch viele Professoren
kritisieren die Umsetzung der Reform als bildungsschädlich. Gerhard Droesser, Professor
für christliche Sozialwissenschaft an der Theologischen Fakultät in Würzburg: „Die
Zeit der Muße und Kontemplation, die für ein Studium unabdingbar ist, denn ein Studium
ist ja nicht nur Einsaugen von Faktenwissen, sondern auch ‚Werden zur menschlichen
Persönlichkeit’, wird auf Null reduziert. Das trifft uns in der Theologie schon bald,
und das hat die Geisteswissenschaften schon längst getroffen. Da gibt es jetzt Massenveranstaltungen,
die mit Begegnung und Tradition wenig gemein haben. Das halte ich für tödlich.“
Auch
in Österreich und in der Schweiz gingen die Studenten in den letzten Wochen auf die
Straße. Die Bologna-Reform zur Vereinheitlichung der Studiengänge in Europa stellte
1999 die Weichen für die Einführung der Bachelor- und Masterabschlüsse. Die Katholische
Kirche und die Wirtschaft zeigten unterdessen Verständnis für die Demonstrationen.
Die Studienreform gehe offensichtlich an den Bedürfnissen junger Leute vorbei, kommentierte
der Erzbischof von München und Freising, Reinhard Marx. Die berechtigten Proteste
hätten Erfolg, wenn sie sich auf Kernforderungen konzentrierten, so der Ratschlag
des Vorsitzenden des Verbandes der Katholiken in Wirtschaft und Verwaltung, Bernd-M.
Wehners, an die Studenten. Ein zentrales Thema bleibe die Bildungsgerechtigkeit, erklärte
der Verband an diesem Dienstag. Bildung dürfe „nicht an sozialen Grenzen Halt machen.
Wir brauchen Chancengerechtigkeit und eine Stärkung - auch des finanziellen – Fördersystems“. (rv
24.11.2009 pr)