2009-11-23 16:30:14

Afghanistan: „Bildung unter Beschuss“


RealAudioMP3 Pro Tag werden in Afghanistan im Durchschnitt zwei Schulen angegriffen. „Bildung unter Beschuss“ ist folglich der Titel einer Studie, die das Hilfwerk CARE, die Weltbank und das afghanische Bildungsministerium an diesem Montag gemeinsam veröffentlicht haben. Betroffen sind den Umfragen unter mehr als 1000 Personen zufolge vor allem Bildungseinrichtungen von Mädchen. Auch die Präsenz von internationalen Gebern und Streitkräften erhöhe die Gefahr. Wenn Gemeinden sich bei der Bildung selbst engagierten und Regierung sowie Militär wenig Einfluss nähmen, könnten sich Angriffe auf Schulen reduzieren, so die Schlussfolgerung. Einzelheiten von Birgit Pottler:

„Bildung unter Beschuss“. Ein starkes Bild und doch weit mehr als das. Denn Angriffe auf Schulen sind ein alarmierender Trend in Afghanistan. Im Jahr 2008 gab es 670 Übergriffe auf Schulen, dabei wurden auch Lehrer und Schüler ermordet. Das afghanische Bildungsministerium gibt an: Zwischen 2006 und 2007 wurden bei 1145 Angriffen 230 Menschen getötet. In den einzelnen Distrikten Afghanistans sei zwar unterschiedlich, doch die Bedrohung steige, sagt Anton Markmiller, Hauptgeschäftsführer von CARE Deutschland. Ein ähnlicher Bericht sei von Human Rights Watch bereits 2006 veröffentlicht worden – „leider ohne nennenswerte öffentliche Wahrnehmung“.

Markmiller:
„Wir haben in der Befragung festgestellt, dass 20 Prozent der Lehrkräfte mitteilen, dass sie schon einmal bedroht wurden. Und zwar nach dem Muster: ,Wenn Du weiterhin dort unterrichtest, bringen wir dich um.’ Das ist eine erschreckende Tendenz, wenn ein Fünftel der Lehrkräfte diese Erfahrungen gemacht hat.“ 
Meistens werden Brandanschläge auf Schulen verübt, wird Feuer gelegt in Gebäuden oder in Zelten, die in vielen Distrikten die Mauern ersetzen.

„Der Angriff auf Mädchenschulen ist wesentlich häufiger als auf Jungenschulen. In Zahlen: 40 Prozent Mädchenschulen, 32 Prozent gemischte und 28 Prozent Jungenschulen. Da es aber wesentlich weniger Mädchenschulen gibt, ist das natürlich eine signifikante Häufigkeit, und das Phänomen hat ganz offensichtlich einen geschlechtsspezifischen Hintergrund.“ 
Nun liegen auch Schulen nicht im luftleeren Raum und die Angriffe dürften nicht losgelöst von der „extrem unstabilen Sicherheitslage“ und „einander widerstrebenden Machtinteressen“ in Afghanistan betrachtet werden, so der Geschäftsführer des Hilfswerks. Dazu kommt die Historie: Nach dem Einmarsch der Sowjettruppen 1979 regte sich massiver Widerstand gegen das aufoktruierte Bildungssystem.

Kirchliche Einrichtungen werden heute weniger Opfer von Gewalt als staatliche, berichtet Markmiller:

„Aus meiner Sicht liegt das daran, dass bei der Gründung und beim Betrieb dieser Schulen viel stärker partizipative Methoden angewandt werden, dass die lokale Bevölkerung in die Gründung und in den Aufbau einer Schule einbezogen wird und damit eine größere Sicherheit gewährleistet ist. Die Studie hat ganz eindeutig ergeben, dass der größte Schutz gegeben ist, wenn die Gemeinden selbst die Träger der Einrichtungen sind. Einfach gesagt: Wenn sie die Schulen als die ihren betrachten, dann werden sie auch dafür eintreten. 
Und man muss natürlich auch dafür sorgen, dass die einheimischen Gruppen mit den potentiellen Bedrohern ins Gespräch kommen. Wenn das oppositionelle Gruppen sind, hat die Gemeinde in der Regel einen Zugang und den muss man nutzen, um den Sinn der Ausbildung und der Schulbildung zu vermitteln – dass sich das nicht gegen die Bevölkerung richtet oder wie zu Sowjet-Zeiten aufoktruiert wird, sondern dass es um die Zukunft des Landes geht.“ 
(rv 23.11.2009 bp)







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